Hans Leip: "Lili Marleen" weckte die Sehnsucht nach Frieden
Das Soldatenlied "Lili Marleen" ist seit dem Zweiten Weltkrieg weltberühmt. 1937 wurde es vertont - mit Lale Andersen. Sein Autor Hans Leip hat es bereits 1915 geschrieben. Der gebürtige Hamburger starb am 6. Juni 1983.
Auf einem abgerissenen Notizblock-Zettel notierte der 21-jährige Hans Leip mit einem Bleistift einst einige Verse. Sie sollten zu einem der berühmtesten Gedichte des 20. Jahrhunderts werden - und zu einem Lied, das weltweit als das Soldatenlied für den Zweiten Weltkrieg steht: "Lili Marleen". Ein Lied, das Leip sein Leben lang verfolgte und sein weiteres Werk in den Schatten stellte.
Veröffentlichung zunächst ohne große Resonanz
Es war bereits im Ersten Weltkrieg, in einer Nacht im April 1915, als Leip die ersten drei Strophen schrieb. Er schob als Infanterist Wache vor der Kaserne in der Berliner Kesselstraße. Am nächsten Tag sollte Leip an die Front abrücken, und der Abschiedsschmerz von seinen zwei Geliebten inspirierte ihn zu dem Text. Das Gedicht, das er 1937 in dem Band "Die Hafenorgel" mit zwei weiteren Strophen veröffentlichte, blieb zunächst ohne große Resonanz.
"Lili Marleen": EIn Hit auf beiden Seiten der Front
1939 vertonte der Komponist Norbert Schultze das Lied mit der Sängerin Lale Andersen und verhalf "Lili Marleen" zum Durchbruch. Von 1941 bis 1945 spielte der Soldatensender "Belgrad" das Lied täglich und erreichte damit ein Massenpublikum auf beiden Seiten der Front. Ab 1942 gab es zahlreiche englischsprachige Fassungen. Leip genoss die Anerkennung. Norbert Schultze, der Komponist der eingängigen Melodie im Marschtakt geriet dabei in den Hintergrund. US-General Dwight D. Eisenhower bezeichnete Leip als einzigen Deutschen, der während des Krieges der ganzen Welt Freude bereitet habe. Goebbels, so heißt es, soll eine Matrize mit dem Lied eigenhändig vernichtet haben. Es war ihm zu wenig heroisch.
Vom Berufswunsch Seemann zum studierten Lehrer
Geboren wurde Hans Leip, als Sohn eines Seemanns und Hafenarbeiters, am 22. September 1893 in Hamburg-Hohenfelde. Er liebte das Meer und wollte eigentlich auch Seemann werden, doch seine Mutter drängte ihn nach seiner Schulzeit zum Lehrerberuf. Nach dem Studium war Leip kurze Zeit Lehrer der Fächer Sport und Religion, bevor er 1914 eingezogen wurde. Als Soldat an der Ostfront erlebte er den Ersten Weltkrieg. "Mordbrenner-Verbrechen", so nannte Leip später Kriege.
Nach einer Verwundung wurde Leip frühzeitig aus dem Militärdienst entlassen und widmete sich zunächst der Malerei. Insgesamt schuf er 3.600 Bilder, Grafiken, Zeichnungen, Holzschnitte und Lithografien. 1925 erlebte er seinen Durchbruch als Autor. Bei einem Wettbewerb der "Kölnischen Zeitung" erhielt Leip für seinen historischen Abenteuerroman "Godekes Knecht" den ersten Preis. Die Entscheidung fällte Schriftsteller Thomas Mann, sie war wie ein Ritterschlag für Leip.
Sein Lebensthema ist das Meer
Leip hielt an einem Thema fest: Immer wieder standen Menschen an der Küste und auf hoher See im Mittelpunkt seines Werks. 1936 erschien eine Liebesgeschichte rund um den Hamburger Hafen: "Fähre VII". In "Die Bergung" schildert er die Rettungsaktion eines Hochseeschleppers. Sein erfolgreichstes Buch wurde die Abenteuererzählung "Jan Himp und die kleine Brise". Und das, obwohl er sein ganzes Leben nie zur See gefahren ist - von einem Ferientrip als Schüler einmal abgesehen.
Rolle im Nationalsozialismus: Mittelweg eingeschlagen
Leips Rolle im Nationalsozialismus ist umstritten. Bis 1932 war er Mitglied der Schriftstellergemeinschaft "Hamburger Gruppe". Einem Kreis, dem Autoren wie der völkisch-nationale Hans Friedrich Blunck angehörten. Während Blunck zum Präsidenten der NS-Reichsschrifttumskammer aufstieg, versuchte Leip einen Mittelweg einzuschlagen. Er publizierte in Goebbels Zeitschrift "Das Reich", ließ sich als Biograf des Box-Idols Max Schmeling einspannen. Der Sportler wurde damals politisch vereinnahmt - bis er nach einer Niederlage gegen Joe Louis fallengelassen wurde.
Leip zeigte sich aber auch mutig und setzte sich für die Freilassung seines jüdischen Förderers Oscar Isey ein. Er zeigte sich auf der Beerdigung des als "entartet" erklärten Ernst Barlach. Mit seinem "Lied im Schutt" thematisierte er die Zerstörung seiner Heimatstadt Hamburg. Verhaftet wurde Leip für den Text nicht, öffentliche Lesungen wurden jedoch verboten. Hans Leip ließ sich nicht komplett von der Ideologie der Nationalsozialisten vereinnahmen, aber er widersetzte sich auch nicht. Er habe "nie etwas von Politik verstanden", rechtfertigte er sich einmal in einem Interview.
Was bleibt von Hans Leip?
Nach dem Zweiten Weltkrieg zog Leip 1948 in die Schweiz. Seine Bücher erfuhren zahlreiche Neuauflagen, und er arbeitete akribisch an weiteren Titeln. Und doch bleibt nach seinem Tod am 6. Juni 1983 in seinem Haus in Fruthwilen in der Schweiz das Lied "Lili Marleen" als sein künstlerisches Erbe in Erinnerung. Dabei waren die Verse für ihn zeitlebens "nur ein einfaches Liebeslied vom traurigen Abschied des Frontsoldaten".
In Hamburg-St. Georg erinnert eine Gedenktafel an Hans Leip. Im niedersächsischen Nordseebad Wremen ist eine Straße nach ihm benannt.