Hajo Friedrichs - der Vollblut-Journalist
Er war Auslandskorrespondent, Sportchef und das Gesicht der Tagesthemen: 40 Jahre lang prägt Hanns Joachim Friedrichs die deutsche TV-Landschaft. 1995 stirbt der Journalist nach schwerer Krankheit.
Hanns Joachim Friedrichs bleibt mit seinen Berichten, Moderationen und seiner charakteristischen Stimme in Erinnerung. 101 Mal geht er mit dem "Aktuellen Sportstudio", 700 Mal mit den Tagesthemen auf Sendung. Nach dem Abitur absolviert der junge Friedrichs 1949 ein Redaktionsvolontariat bei der Tageszeitung "Telegraf" in Berlin. Bald darauf wird ihm ein Job bei der BBC in London angeboten. Fünf Jahre lang lernt Friedrichs bei den Engländern, wird Sprecher und Nachrichtenredakteur. Sein erstes Werk: ein kleiner selbst gesprochener Bericht über Berlin.
"Cool bleiben, ohne kalt zu sein"
Vieles hat er in seiner Journalistenlaufbahn gesehen und erlebt, doch seinen Prinzipien ist er immer treu geblieben: "Ich hab' all diesen Mist nicht mitgemacht, Infotainment nicht, habe auch nicht unter irgendeinem Vorwand durch das Schlüsselloch anderer Leute geguckt - ich bin sauber geblieben", erzählt er 1995 "Spiegel"-Redakteuren beim letzten Interview vor seinem Tod. "Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in eine öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein" - das habe er während seiner Zeit in London gelernt. Bis zuletzt verteidigt er diese journalistischen Tugenden. Moderne Formen wie den Sensationsjournalismus lehnt er ab. Es sei nicht Aufgabe eines Moderators, die Leute zur Betroffenheit zu animieren.
Stationen in Washington, Saigon und New York
Nach den lehrreichen Jahren bei der BBC wird der aus Hamm stammende Friedrichs Redakteur beim damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk in Köln, aus dessen Aufspaltung kurz darauf NDR und WDR entstehen. Beim WDR arbeitet er als Reporter, Moderator, Kommentator und Autor. 1964 geht Friedrichs für das ZDF nach Washington und New York. Fünf Jahre berichtet er aus Amerika, bevor er für mehrere Reportagen nach Vietnam reist. Nach seinem ersten Besuch in Saigon wäre er am liebsten für immer geblieben, erzählt er später. Der Reporter erlebt die Höhepunkte der Vietnamkrieges hautnah - die traumatischen Bilder suchen ihn noch Jahre später heim. Nach Vietnam sei er allerdings nicht wegen des Krieges gegangen. Die Kriegsberichterstattung habe ihn nie sonderlich gereizt, sondern vielmehr die Besonderheiten des Landes und seiner Bewohner. 1981 kehrt der Fernsehjournalist ins ZDF-Studio New York zurück, wo er gemeinsam mit Dieter Kronzucker das erfolgreiche Magazin "Bilder aus Amerika" entwickelt.
Kohls Widerstand gegen die "Sportstudio"-Leitung
Dass ausgerechnet Hanns Joachim Friedrichs 1973 Leiter des "Aktuellen Sportstudios" wird, passt Helmut Kohl, dem damaligen Vorsitzenden des ZDF-Verwaltungsrats, überhaupt nicht. Zähneknirschend muss er die Personalie hinnehmen. Friedrichs erinnert sich noch Jahrzehnte später an den launischen Kohl: Als "kleiner Provinzreporter" habe er den späteren Kanzler nach einer Landtagswahl mit seinem miserablen Wahlergebnis konfrontiert. Das habe Kohl ihm nie verziehen, meint Friedrichs. Auch mit der "nervigen Besserwisserei" von Helmut Schmidt hat der Journalist seine Schwierigkeiten. "Das ist ein komischer Vogel. Ich hab den Schmidt bestimmt 20 Mal interviewt. Das war immer ganz knapp und cool", sagt er 1995 im "Spiegel"-Interview. "Das müssen Sie anders fragen", soll Schmidt immer wieder arrogant geantwortet haben.
Friedrichs als Markenzeichen der Tagesthemen
Im Oktober 1985 wechselt Friedrichs als "Erster Moderator" zu den neu konzipierten Tagesthemen. Schnell wird er zum Publikumsliebling: Binnen zweieinhalb Jahren steigt die Zuschauerzahl von zwei auf vier Millionen. Seine "souveräne, einem Verkündungsstil abholde Form der Moderation, seine kritisch-distanzierte auf den Punkt formulierte Sicht der Tagesereignisse und seine unauffällige Professionalität" hätten die Hauptnachrichtensendung so populär gemacht, lobt ihn die Jury der Eduard-Rhein-Stiftung bei einer Preisverleihung 1987.
"Die Tore in der Mauer stehen weit offen"
Am 9. November 1989 um 22.42 Uhr spricht Friedrichs seine wohl bedeutendste Anmoderation in den Tagesthemen: "Im Umgang mit Superlativen ist Vorsicht geboten, sie nutzen sich leicht ab, aber heute Abend darf man einen riskieren - dieser 9. November ist ein historischer Tag: Die DDR hat mitgeteilt, dass ihre Grenzen ab sofort für jedermann geöffnet sind. Die Tore in der Mauer stehen weit offen." Während der Live-Schaltung nach Berlin ist von der offenen Grenze noch wenig zu sehen, doch nach der historischen Meldung in den Tagesthemen setzt ein regelrechter Massenansturm auf die Grenzübergänge ein.
"Hanebüchene Ahnungslosigkeit" im Privatfernsehen
In seinem letzten Interview kritisiert der mittlerweile schwer kranke Friedrichs auch das Privatfernsehen. "Die glauben, es reicht, eine schöne Frau oder einen jungen Mann vors Mikrofon zu stellen und sie Sätze voller hanebüchener Ahnungslosigkeit sagen zu lassen." Doch auch mit der ARD geht Friedrichs hart ins Gericht: Ein Sündenfall sei die Beteiligung der Parteien bei der Gründung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gewesen. Diesen "fleischgewordenen Proporz" werde man aus den Anstalten nie wieder herauskriegen.
Bis zum Schluss war das Moderieren sein Traumberuf
Im November 1990 verzichtet der Vollblut-Journalist auf eine weitere Verlängerung seines Vertrages bei der ARD. Am 30. September 1991 moderiert Friedrichs ein letztes Mal die Tagesthemen. Ulrich Wickert, bis dahin Fernseh-Korrespondent in Paris, wird sein Nachfolger. Es habe jedoch keinen einzigen Tag gegeben, an dem er ungern in die Redaktion gekommen sei, resümiert Friedrichs im Gespräch mit den "Spiegel"-Redakteuren. "Viele Leute haben Berufe, die sie nur ausüben, um Geld zu verdienen. Sehen Sie sich doch mal in der U-Bahn um, morgens."
"Ich versäume nichts mehr"
Am 27. Dezember 1994 erreicht ihn eine traurige Nachricht: Hanns Joachim Friedrichs ist an Krebs erkrankt. Viel Zeit wird nicht mehr bleiben. Friedrichs nimmt die Krankheit jedoch gelassen: "Was wirklich Wichtiges versäume ich ja nicht." Er sei immer ein pragmatischer Mensch gewesen. Am 28. März 1995 erliegt der 68-Jährige seiner Krebs-Erkrankung. Ein "begehrter Junggeselle" sei er den größten Teil seines Lebens gewesen, habe erst zum Lebensende in eine intakte Familie eingeheiratet, erinnert sich sein langjähriger Freund und Kollege Hermann Schreiber. "Hajo, dieser Sonntagsjunge, hat den Sinn seines Sterbens in seinem Leben gefunden. Er hatte alles getan, was er tun wollte, und also barg das Ende keinen Schrecken für ihn."