"Mein Großvater war ein mutiger Mann"
Warum waren Ihrem Großvater die Nazis so zuwider?
Von Specht: Er war mit sehr vielen jüdischen Familien befreundet, unter anderem mit den Warburgs. Das hat zu folgender Episode geführt: Fritz Warburg, ein Bruder von Max Warburg, dem bekannten Bankier, wurde in Hamburg von den Nazis festgenommen und ins Gefängnis Fuhlsbüttel gesteckt. Mein Großvater ist damals nach Berlin gefahren, um ihn bei den zuständigen Stellen rauszupauken. Der Zufall wollte es, dass einer seiner Söhne in den 1920er-Jahren mit einem Herrn Wolf Medizin studiert hatte. Und dieser Wolf war inzwischen Obergruppenführer und Adjutant von Reinhard Heydrich. Meinem Großvater gelang es, Fritz Warburg freizubekommen und hundert jüdische Kinder durften nach Schweden ausreisen - auf Kosten der Warburg Bank.
Wie haben Sie die Nazi-Zeit erlebt?
Von Specht: Mein Vater und mein Großvater haben mich davor bewahrt, dass ich als Junge zum Nazi wurde. Als ich mit 18 Jahren Soldat wurde und in den Krieg gezogen bin, wusste ich, dass das ein Unglück für unser Land werden würde. Ich habe alles mitgemacht, bin junger Offizier geworden und habe bis zum Schluss den Krieg miterlebt, aber ich war von Anfang an der Meinung: Es ist ein verheerender Weg, den unser Land gehen muss.
Haben Sie den Krieg unbeschadet überlebt?
Von Specht: Das Schicksal hat es sehr sehr gut mit mir gemeint. Ich bin zweimal dem Tod von der Schippe gesprungen. Bei einem Spähtrupp in den Putki-Sümpfen, im heutigen Gebiet zwischen Estland und Russland, hat mir ein Russe eine Handgranate gegen den Stahlhelm geworfen. Die ist in den Sumpf geflogen und nicht losgegangen. Das zweite Mal war ich auf einem Spähtrupp, da kam ein Melder und hat mir gesagt, ich müsste zum Schwadronsgefechtsstand kommen. Ich wurde abgelöst und während dieser kurzen Zeit von zwei Stunden ist ein Volltreffer in diesen Gefechtsstand gegangen. Von dem armen Kerl, der mich ersetzt hat, hat man nichts mehr gefunden.
Wie erging es dem Familienanwesen während des Krieges?
Von Specht: Im Juli 1943, am ersten Tag der Bombardierung Hamburgs, erlitt der Park zusammen mit dem Dorf Niendorf schwere Schäden: Zwei Luftminen, fünf schwere Bomben, Hunderte Brandbomben und Phosphorkanister ergossen sich auf das Niendorfer Gehege, das mit dem Flughafen Fuhlsbüttel verwechselt wurde. Vielfach sah man nachts die Baumwurzeln als Folge der Phosphorbomben grünlich leuchten. Einige Tage diente der Park als Heimstatt für aus Hagenbeck entlaufene Raubtiere, die dann aber schnell wieder eingefangen und in ihre stark beschädigten Quartiere zurückgebracht wurden.
Und was ist nach dem Krieg aus dem Park geworden?
Von Specht: Er ist lange in Familienbesitz geblieben. Wir wollten den Park unbedingt erhalten, solange meine Großeltern lebten. Mein Großvater starb 1953. Nach dem Tod meiner Großmutter 1962 haben wir beschlossen, den Park abzugeben. Es war damals so, dass das Bezirksamt Eimsbüttel unbedingt einen Teil des Parkes haben wollte, wo heute die Schulen errichtet sind.
Was halten Sie davon, dass der Park jetzt eine Hundeauslaufwiese ist?
Von Specht: Ich empfinde das insofern als nicht so schön, weil die Qualität des Parkes ganz erheblich nachgelassen hat. Es ist früher ein sehr gepflegtes Anwesen gewesen. Es waren Gärtner da, die das in Schuss hielten. Das ist heute finanziell für die Stadt aber nicht mehr darstellbar.
Wie oft gehen Sie heute noch in den Park?
Von Specht: Wissen Sie, meine Beine werden etwas älter. Aber ich bin jeden Tag im Park und jeden dritten Tag gehe ich oben die Runde an dem früheren Haus vorbei. Ich weiß ja genau, wo die Klingeltür war, wo wir Kinder immer zum Essen gerufen wurden, wo die Veranda war, wo die Kellertreppe war. Ich habe das alles im Kopf.
Das Gespräch führte Daniel Sprenger.
- Teil 1: "Innerhalb von zwölf Tagen wurde das Haus abgerissen"
- Teil 2: Warum waren Ihrem Großvater die Nazis so zuwider?