Luftaufnahme der Grenze zwischen Zicherie und Böckwitz in den 80er Jahren  Foto: Michael Latz

"Endlich ist es so weit" - Ost und West sind wieder eins

Stand: 03.10.2024 00:00 Uhr

Mit der Wiedervereinigung 1990 fallen Niedersachsens innerdeutsche Grenzen endgültig. Die Trennung von Menschen und Orten ist Geschichte.

von Frank Ihben

Der 3. Oktober 1990 beginnt um Mitternacht mit lautem Jubel, einem Feuerwerk, Glockengeläut vom Schöneberger Rathaus und einer Rede von Bundespräsident Richard von Weizsäcker in Berlin. "In freier Selbstbestimmung wollen wir die Einheit in Freiheit Deutschlands vollenden", sagt Weizsäcker. "Wir wollen in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen." Hunderttausende klatschen, singen, jubeln und feiern.

Und nun? Herantasten an die neue Freiheit

150 Kilometer weiter westlich, in Vogelsang bei Magdeburg, ist die Ärztin Annemarie Reffert zwiegespalten. Sie fragt sich, wofür sie denn nun 40 Jahre lang gearbeitet hat. Doch sie freut sich, frei zu sein und reisen zu können, wohin immer sie möchte. Reffert war am 9. November 1989 am Tag des Mauerfalls die erste Person aus der DDR, die die innerdeutsche Grenze überquerte - in ihrem Wartburg am Grenzübergang Marienborn-Helmstedt. 25 Jahre später sagte sie in einem NDR Interview, sie wollte weder die erste sein noch irgendetwas bewegen. Aber über die Wiedervereinigung sei sie nach wie vor sehr glücklich.

Aus zwei Dörfern wird wieder eins

Zurück in den Oktober 1990: an die Grenze zwischen Zicherie im Landkreis Gifhorn und Böckwitz in der DDR. Maschinenschlosser Uwe Bock lächelt in eine Kamera des NDR und schaut immer noch etwas ungläubig. Dabei ist es fast schon ein Jahr her, dass er beim Fall der Mauer vor Freude geweint hat. Das geteilte Dorf sollte tatsächlich wieder eins werden: "Endlich ist es so weit!" Ulrich Wassermann aus Zicherie hatte sich nach dem Mauerfall als erstes eine Ost-Bockwurst geholt. Bei Fleischer Ronny Bratke, der an der Straße vermutlich das Geschäft seines Lebens macht.

Neue Nachbarschaft ohne Grenzzaun

Voller Freude sind am 3. Oktober 1990 die Bürger von Duderstadt in Südniedersachsen und Worbis in Thüringen. 50.000 von ihnen hatten neun Monate zuvor an dem Grenzübergang, der das Eichsfeld teilte, die Wiedervereinigung gefordert. Und auch im Leineschloss in Hannover wird gefeiert. Der niedersächsische Landtagspräsident Horst Milde preist die Vielfalt und mahnt, dass die neuen Länder ihre Eigenart behalten müssten. Ob in Zicherie im Landkreis Gifhorn, in Helmstedt, Duderstadt oder im Harz: Dort, wo bis vor elf Monaten noch ein Zaun oder eine Mauer stand, sind die Menschen besonders glücklich über die Einheit.

Weitere Informationen
Dorfbewohner von Zicherie beobachten am 16. November 1989 den Abbau des Grenzzaunes © dpa - Bildfunk Foto: Wolfgang Weihs

Zicherie-Böckwitz: Wiedersehen im geteilten Dorf

Genau wie Berlin wurden auch die Dörfer Zicherie und Böckwitz durch eine Grenze geteilt. (06.11.2019) mehr

Eine Familie überquert im November 1989 mit Einkaufstüten einen geöffneten Grenzübergang zwischen DDR und BRD. © picture-alliance / dpa Foto: Wolfgang Weihs

Deutsche Einheit: Viel Neuland für Ost und West

Mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 ändert sich für die Ostdeutschen alles. Ihr Alltag ist meist Neuland, wie ein Blick zurück zeigt. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Funkbilder - der Tag | 28.09.2020 | 16:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Mauerfall, Wende und Deutsche Einheit

Mehr Geschichte

Autos fahren am 06.05.2003 durch die vierte Röhre des Hamburger Elbtunnels. © picture-alliance / dpa Foto: Soeren Stache

Neuer Elbtunnel: Hamburgs Hoffnungsträger unter Wasser

Am Hamburger Elbstrand beginnen 1968 die Arbeiten am Neuen Elbtunnel. Auch nach dem Bau einer vierten Röhre ist die Unterführung weiter ein Nadelöhr. mehr

Norddeutsche Geschichte