"Ich war einfach froh, dass ich zur See fahren durfte"
Hängematten und Seewasserdusche
Drei Jahre später - nach dem Mauerfall - stand auch in der DDR nichts mehr still, und der Verkauf der "Wilhelm Pieck" drohte. Die Zeitungen überschlagen sich mit Spekulationen über den Verbleib des Schiffes. Mal sollte der Segler angeblich nach Südamerika, mal in den Westen Deutschlands verkauft werden. "Klar war auf jeden Fall, dass wir nicht mehr als Schulschiff fahren konnten", erzählt Hunscha. Das erste Jahr nach der Öffnung der Grenze hielt sich die "Wilhelm Pieck" mit zahlenden Gästen aus der ganzen DDR über Wasser, die das Schiff immer nur gesehen hatten und nun unbedingt einmal mitfahren wollten.
Das war jedoch keine Dauerlösung, denn es gab nur einen großen Schlafraum mit 35 Hängematten, die zu den Mahlzeiten zusammengezurrt werden mussten, um Platz für vier Esstische zu machen. Auch die Hygiene-Einrichtungen waren rudimentär: Es gab nur eine Seewasserdusche und Toiletten samt Waschbecken ohne Türen. "Wer auf Klo saß, putzte sich gleichzeitig die Zähne überm Waschbecken", sagt Hunscha, der mit dem geringen Komfort an Bord nie ein Problem hatte. Aber: "Dafür will natürlich auf Dauer niemand Geld bezahlen."
"Das Schiff bliwt hier"
Die elfköpfige Stammbesatzung der "Wilhelm Pieck" wurde 1990 entlassen. "Wir wussten gar nicht, wie es weitergehen sollte", erinnert sich Hunscha. Aber die Greifswalder wollten ihr Schiff behalten und gründeten unter dem Motto "Das Schiff bliwt hier" eine Bürgerinitiative. Und schließlich gelang es der Stadt Greifswald, die "Wilhelm Pieck" für eine symbolische Mark zu übernehmen.
"Im März 1991 sind wir dann nach Warnemünde in die Werft gegangen, dahin, wo das Schiff auch gebaut wurde." Ein schöner Moment für den Steuermann mit dem leichten norddeutschen Dialekt, denn das bedeutete für ihn und die Besatzung, weiter auf dem Schiff arbeiten zu können. Ein halbes Jahr später war die "Wilhelm Pieck" umgebaut und bekam einen neuen Namen, unter dem sie bis heute segelt: "SSS Greif".
Für Hunscha und die Crew änderte sich nach der Wende nicht nur der Name, sondern vor allem eins: der Fahrbereich. "Wir sind ja früher immer an Bornholm vorbeigefahren und dachten, da müsste man mal hin. Und jetzt fahren wir ständig nach Bornholm."
- Teil 1: Entscheidung für die "Wilhelm Pieck"
- Teil 2: Beschränkung auf Fahrten in sozialistische Länder
- Teil 3: Veränderungen nach der Wende