Stand: 04.04.2015 16:52 Uhr

Todesmärsche ins KZ Bergen-Belsen

Albrecht Weinberg hat den Todesmarsch nach Bergen Belsen überlebt. Seinen Judenstern hat er aufgehoben. © NDR Foto: Birgit Schütte
Albrecht Weinberg hat seinen Judenstern aufbewahrt. Er hat ihn auch auf dem Todesmarsch begleitet.

Niemals hätte Albrecht Weinberg als Jugendlicher gedacht, dass er 2015 seinen 90. Geburtstag feiern würde. Im Frühjahr 1945 hatte er bereits zwei Jahre im Konzentrationslager Ausschwitz überstanden und wurde anschließend ins KZ Mittelbau-Dora verlegt. Die alliierten Truppen rücken zu diesem Zeitpunkt immer weiter vor. Die Nazis beginnen hektisch ihre Konzentrationslager zu räumen. Sie nennen es "Umquartierung" oder "Rückführung". Aber in die Geschichte werden die Verlegungen, auf denen die Häftlinge manchmal mehr als 100 Kilometer zu Fuß bewältigen müssen, unter dem Begriff Todesmärsche eingehen. Albrecht Weinberg hat so einen Todesmarsch mitgemacht - und nur knapp überlebt.

Die Häftlinge müssen Schnee essen

Zu essen gibt es während des Marsches so gut wie nichts. Weinberg erinnert sich, wie der Tross an einer Feldküche vorbeikommt. Es dampft und riecht nach Suppe. "Die deutschen Soldaten sind da hingegangen und haben sich einen Teller aufgefüllt", erzählt er. Aber die Häftlinge bekommen nichts. Ihnen bleibt nur ein wenig Schnee vom Boden zu essen. Einige Häftlinge müssen für die SS-Küche einen Wagen mit Schweinen schieben. Als die Schweine geschlachtet werden, ist Weinberg als Helfer dabei. Ein SS-Mann reicht ihm eine Blechdose mit einer Flüssigkeit. "Und ich hab gedacht, das ist heißes Wasser oder Tee oder irgendwas Warmes drin", erzählt Weinberg. Er stürzt den Becher herunter und merkt viel zu spät, dass er gerade ausgelassenes Schweinefett getrunken hat. "Das hat mir den Rest gegeben", erzählt er. Kurze Zeit später kann er sich nicht mehr auf den Füßen halten.

Überall liegen Tote

Das letzte Stück des Strecke geht es mit einem Zug weiter. In offenen Fracht-Loren zwängen sich bis zu 80 Menschen auf einem Wagen. Darunter auch Tote. "Tote auf denen wir sitzen mussten. Und keiner konnte zur Toilette gehen. Jeder hat die Hose voll gehabt, weil wir alle Durchfall hatten", erzählt Weinberg. Die letzten Kilometer müssen die Häftlinge wieder zu Fuß gehen. Wie er im Lager angekommen ist, weiß Weinberg nicht mehr. Wer nicht laufen konnte, wurde auf Lkw geworfen und im KZ abgekippt.

"Die legen uns um - die Erlösung"

Weinberg erinnert sich nur noch daran, dass er auf dem Boden gelegen hat. Plötzlich kommt ein Panzer ins Lager gefahren. "Gott sei dank. Jetzt legen die uns alle mit dem Maschinengewehr um. Die Erlösung ist da", so erinnert er sich an seine Gedanken damals. Aber es sind keine deutschen Panzer, sondern britische: Als Albrecht Weinberg sich bereits tot glaubt, wird er befreit. Was die englischen Soldaten in Bergen-Belsen zu sehen bekommen, hätten sie nie für möglich gehalten. Tausende völlig abgemagerte KZ-Häftlinge, die von den Leichen kaum zu unterscheiden sind.

Weitere Informationen
Blick von einem Balkon auf den Todesmarsch durch Starnberg-Percha. (Foto: Benno Gantner, 28. April 1945)

Die Todesmärsche 1944/45

Es ist das letzte, weitgehend unbekannte Kapitel des nationalsozialistischen Massenmordes: die Todesmärsche der KZ-Häftlinge. Das Kulturjournal spricht mit einem Überlebenden. (08.05.2012) mehr

Ausschnitt der Europa-Karte vom 1. Mai 1945 aus dem "Atlas of the World Battle Fronts in Semimonthly Phases" des United States War Department, 1945, der die Gebietslage in zweiwöchigen Abständen dokumentiert. © This image is a work of a U.S. Army soldier or employee, taken or made as part of that person's official duties. As a work of the U.S. federal government, the image is in the public domain. Foto: United States War Department, General Staff 1945

Chronik des Kriegsendes im Norden

Im Frühjahr 1945 ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Wie verliefen die letzten Kriegsmonate? Welche überregionalen Ereignisse waren relevant? mehr

Wehrmachtssoldaten ergeben sich 1945 und halten weiße Tücher hoch. © picture alliance/akg-images Foto: akg-images

Dossier: Wie der Zweite Weltkrieg im Norden endete

Am 8. Mai 1945 kapituliert die deutsche Wehrmacht. Viele Städte und Lager sind von den Alliierten da bereits befreit worden. mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 27.01.2019 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

NS-Zeit

Zweiter Weltkrieg

Mehr Geschichte

Schriftsteller Thomas Mann auf einer undatierten Aufnahme © picture-alliance / dpa Foto: Bifab

Thomas Mann: 100 Jahre "Der Zauberberg"

Für die "Buddenbrooks" erhielt Thomas Mann den Literaturnobelpreis. Sein Werk "Der Zauberberg" wird jetzt 100 Jahre alt. mehr

Norddeutsche Geschichte

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?