Todesmärsche ins KZ Bergen-Belsen
Niemals hätte Albrecht Weinberg als Jugendlicher gedacht, dass er 2015 seinen 90. Geburtstag feiern würde. Im Frühjahr 1945 hatte er bereits zwei Jahre im Konzentrationslager Ausschwitz überstanden und wurde anschließend ins KZ Mittelbau-Dora verlegt. Die alliierten Truppen rücken zu diesem Zeitpunkt immer weiter vor. Die Nazis beginnen hektisch ihre Konzentrationslager zu räumen. Sie nennen es "Umquartierung" oder "Rückführung". Aber in die Geschichte werden die Verlegungen, auf denen die Häftlinge manchmal mehr als 100 Kilometer zu Fuß bewältigen müssen, unter dem Begriff Todesmärsche eingehen. Albrecht Weinberg hat so einen Todesmarsch mitgemacht - und nur knapp überlebt.
Die Häftlinge müssen Schnee essen
Zu essen gibt es während des Marsches so gut wie nichts. Weinberg erinnert sich, wie der Tross an einer Feldküche vorbeikommt. Es dampft und riecht nach Suppe. "Die deutschen Soldaten sind da hingegangen und haben sich einen Teller aufgefüllt", erzählt er. Aber die Häftlinge bekommen nichts. Ihnen bleibt nur ein wenig Schnee vom Boden zu essen. Einige Häftlinge müssen für die SS-Küche einen Wagen mit Schweinen schieben. Als die Schweine geschlachtet werden, ist Weinberg als Helfer dabei. Ein SS-Mann reicht ihm eine Blechdose mit einer Flüssigkeit. "Und ich hab gedacht, das ist heißes Wasser oder Tee oder irgendwas Warmes drin", erzählt Weinberg. Er stürzt den Becher herunter und merkt viel zu spät, dass er gerade ausgelassenes Schweinefett getrunken hat. "Das hat mir den Rest gegeben", erzählt er. Kurze Zeit später kann er sich nicht mehr auf den Füßen halten.
Überall liegen Tote
Das letzte Stück des Strecke geht es mit einem Zug weiter. In offenen Fracht-Loren zwängen sich bis zu 80 Menschen auf einem Wagen. Darunter auch Tote. "Tote auf denen wir sitzen mussten. Und keiner konnte zur Toilette gehen. Jeder hat die Hose voll gehabt, weil wir alle Durchfall hatten", erzählt Weinberg. Die letzten Kilometer müssen die Häftlinge wieder zu Fuß gehen. Wie er im Lager angekommen ist, weiß Weinberg nicht mehr. Wer nicht laufen konnte, wurde auf Lkw geworfen und im KZ abgekippt.
"Die legen uns um - die Erlösung"
Weinberg erinnert sich nur noch daran, dass er auf dem Boden gelegen hat. Plötzlich kommt ein Panzer ins Lager gefahren. "Gott sei dank. Jetzt legen die uns alle mit dem Maschinengewehr um. Die Erlösung ist da", so erinnert er sich an seine Gedanken damals. Aber es sind keine deutschen Panzer, sondern britische: Als Albrecht Weinberg sich bereits tot glaubt, wird er befreit. Was die englischen Soldaten in Bergen-Belsen zu sehen bekommen, hätten sie nie für möglich gehalten. Tausende völlig abgemagerte KZ-Häftlinge, die von den Leichen kaum zu unterscheiden sind.