Sendedatum: 24.10.1988 19:30 Uhr

Chronologie: Niedersachsens Spielbankaffäre

Verzockte Millionen, bestechliche Beamte, gekaufte Stimmen: aufsehenerregende Vorwürfe, um die es in einer parlamentarischen Marathon-Untersuchung 1988/89 ging. Der Kasino-Skandal hatte seine Wurzeln allerdings schon in den 70er-Jahren.

25. Juli 1973: Ein neues Gesetz lässt öffentliche Spielbanken in Niedersachsen zu. Es werden in der Folge drei Konzessionen für Doppel-Standorte in Hittfeld/Bad Harzburg, Bad Zwischenahn/Bad Bentheim und Hannover/Bad Pyrmont an private Betreiber vergeben.

1974: Der hannoversche Geschäftsmann Marian Felsenstein und seine Mitgesellschafter erhalten die Konzession zum Betrieb der Spielbanken in Hannover und Bad Pyrmont.

6. Februar 1976: Ernst Albrecht (CDU) wird im zweiten Wahlgang sensationell zum Ministerpräsidenten Niedersachsens gewählt. Amtsvorgänger Alfred Kubel (SPD) hatte sein Amt zuvor aus Altersgründen zur Verfügung gestellt.

13. September 1979: Die Felsenstein-Gruppe feiert die Verlängerung ihrer Konzession bis ins Jahr 1999 mit einem Festakt. 

Februar 1987: Felsenstein-Mitgesellschafter Theo Gerlach beschwert sich bei Spielbankaufsicht und Innenminister über mangelnde Gewinnausschüttung der Spielbank.

29. Mai 1987: Gerlach listet in einer Strafanzeige Felsenstein-Schulden von mehr als fünf Millionen Mark auf. Gläubiger sind demnach sowohl Privatpersonen als auch das Finanzamt.

13. November 1987: Nach der Insolvenz der Spielbank Hannover entzieht das Innenministerium der Felsenstein-Gruppe die Konzession. Darauf übernimmt die neu gegründete, landeseigene Hannoversche Spielbanken GmbH den Betrieb.

1. Dezember 1987: Dem leitenden Ministerialbeamten Gerhard Roemheld wird seine Funktion als Aufseher über Niedersachens Spielbanken entzogen. Später wird der Verdacht der Vorteilsannahme gegen Roemheld erhoben.

21. Januar 1988: Der Landtag setzt einen Untersuchungsausschuss zur Spielbankaffäre ein. 

15. März 1988: Marian Felsenstein sagt vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aus. Er weist die Schuld am Zusammenbruch des Kasinos der Nordwestdeutschen Lotteriegesellschaft zu.

8. April 1988: Innenminister Wilfried Hasselmann (CDU) bestreitet vor dem Untersuchungsausschuss, Parteispenden von Marian Felsenstein entgegengenommen zu haben.

8. August 1988: Der früher für die Kasino-Aufsicht zuständige Beamte Roemheld wird beurlaubt und kehrt danach nicht in seine alte Position zurück. Einen Tag später wird auch sein Mitarbeiter, der Regierungsoberamtsrat Bentin, wegen Korruptionsverdachts von seiner Aufgabe entbunden.

15. August 1988: Die Tagesschau berichtet über den Vorwurf Felsensteins, die landeseigene Nordwestdeutsche Lotteriegesellschaft habe sich seit Ende 1986 darum bemüht, die Anteilsmehrheit an der Spielbank zu erlangen. Damit seien die Bestimmungen von Gesellschafter- und Konzessionsverträgen mit Wissen des niedersächsischen Finanzministeriums unterlaufen worden.

17. August 1988: Laszlo von Rath tritt zum ersten Mal vor den Untersuchungsausschuss, um seine Aussagen zu wiederholen, die er zuvor im Gespräch mit Journalisten gemacht hatte: Demnach will er im Auftrag der CDU über eine heimliche Beteiligung der Partei an der Konzession für die Spielbank Hannover/Bad Pyrmont verhandelt haben. Zudem sagt er aus, er habe an einer Manipulation der Wahl Albrechts zum Ministerpräsidenten 1976 mitgewirkt.

19. August 1988: Ministerpräsident Ernst Albrecht wird als Zeuge vor dem Ausschuss gehört. Er bestreitet von Raths Anschuldigungen.

26. August 1988: Felsenstein wird unter dem Verdacht der Veruntreuung von Millionenbeträgen festgenommen.

12. September 1988: In einer zweiten Zeugenaussage vor dem Untersuchungssausschuss bekräftigt von Rath seine Anschuldigungen gegen die niedersächsische CDU-Spitze.

 25. Oktober 1988: Nachdem er durch Beweise und Zeugen der Falschaussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss überführt wird, tritt Wilfried Hasselmann vom Amt des niedersächsischen Innenministers zurück.

29. Oktober 1988: Trotz der starken öffentlichen Kritik an seiner Amtsführung als Innenminister wird Wilfried Hasselmann in seiner langjährigen Funktion als CDU-Landesvorsitzender Niedersachsens bestätigt.

13. Dezember 1988: Hasselmann räumt vor dem Untersuchungsausschuss ein, dass er bei seiner Aussage im April die Unwahrheit gesagt hat.

Juli 1989: Marian Felsenstein stirbt an seinem dritten Herzinfarkt.

10. November 1989: Nach 130 Sitzungen und 135 Zeugenvernehmungen legt der Untersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht vor. Zugleich wird das Spielbankgesetz novelliert. Künftig dürfen Konzessionen nur noch an das landeseigene Unternehmen vergeben werden.

26. Februar 1990: Heinz-Joachim Menzel, der ehemalige Casino-Geschäftsführer der von Felsenstein betriebenen Kasinos, wird zu 15 Monaten Haft auf Bewährung und 10.000 Mark Geldstrafe verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass Menzel unberechtigt Schecks an den Mehrheitseigner Felsenstein ausgestellt hat.

16. Dezember 2004: Das niedersächsische Spielbankgesetz wird erneut geändert. Ein privater Betrieb ist wieder möglich.

 

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 24.10.1988 | 19:30 Uhr

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