70 Jahre Luftfahrt-Bundesamt: Von Luftgeräten bis zur Drohne
Das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) wird Ende November 1954 als Bundesoberbehörde für Aufgaben des zivilen Luftverkehrs gegründet. Am 1. Februar 1955 nimmt die Luftfahrtbehörde ihren Dienst im niedersächsischen Braunschweig auf.
Die Zentrale im Hauptgebäude des Flughafens an der Hermann-Blenk-Straße 21 ist ab jenem Dienstagmorgen der Arbeitsplatz von 28 Mitarbeitenden. Neben dem Hauptsitz in Braunschweig entstehen Außenstellen in Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, München, Stuttgart und Berlin. Die neu geschaffene Bundesoberbehörde für Aufgaben der Zivilluftfahrt untersteht dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr, das damals noch seinen Sitz in Bonn hat.
Nachdem sich die Wirtschaft nach dem Krieg erholt hat und der Luftverkehr in den in den 1950er-Jahren zugenommen hat, müssen die zivilen Luftfahrtstrukturen aufgebaut und modernisiert werden. Eine der wichtigsten Aufgaben der jungen Behörde ist die Kontrolle der Sicherheit und des Betriebs des Luftverkehrs nach internationalen Standards. Außerdem werden neue Flugzeuge und Piloten geprüft und zugelassen, wie Hallo Niedersachsen 2004 in einem Rückblick auf 50 Jahre LBA berichtet.
Reichsluftamt in Berlin regelt ab 1918 zivilen Luftverkehr
Der Ursprung der zivilen deutschen Luftfahrtverwaltung geht auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zurück. Zunächst regelt das Reichsluftamt in Berlin bis 1920 den zivilen Luftverkehr. Mit der Deutschen Luftreederei (DLR) startet Anfang Februar 1919 die zivile Fliegerei auf der Strecke Berlin - Weimar. In den damals dort eingesetzten Doppeldecker wagen sich im ersten Monat 19 Personen. Sonst befördert er Post und Zeitungen. Bis 12. Juni 1919 erteilt das Reichsluftamt 15 Zulassungsbescheinigungen für zivile Fluggesellschaften. Anfang Januar 1920 wird das Reichsluftamt in das neu gegründete Reichsverkehrsministerium als Abteilung für Luft und Kraftfahrwesen eingegliedert.
Zweiter Weltkrieg: Einstellung der zivilen Luftfahrt
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten findet eine Neuordnung der Reichsluftfahrtverwaltung statt - 1933/34 gehen alle Zuständigkeiten an das Reichsluftfahrtministerium (RLM) und die nachgeordneten Luftämter über. Im Zweiten Weltkrieg wird die zivile Luftfahrt nahezu eingestellt. Der Luftraum über Deutschland ist der Luftwaffe vorbehalten und für zivile Flieger gesperrt. Verfügbare Maschinen dienen einzig und allein militärischen Zwecken. Mit Intensivierung des Luftkriegs im Jahr 1944 sind Überflugbewilligungen in und nach Deutschland nahezu unmöglich.
Potsdamer Abkommen: Alliierte kontrollieren Luftverkehr
"Der Unterhaltung und Herstellung aller Flugzeuge und aller Waffen, Ausrüstung und Kriegsgeräte wird vorgebeugt werden." Aus dem Potsdamer Abkommen, 1945
Nach dem Zweiten Weltkriegs liegt die deutsche Luftfahrtbranche am Boden und ihre Zukunft scheint ungewiss. Das "Potsdamer Abkommen" untersagt jegliche Aktivität im Bereich der Luftfahrt. Die Kontrolle über die deutsche Luftfahrtpolitik übernehmen ab 1945 die Alliierten. Die Fluggesellschaften der Besatzungsmächte dominieren nun den Luftverkehr in Deutschland. Selbst ein ziviles Luftfahrtunternehmen wie die Lufthansa ist aus Sicht der Alliierten eine "paramilitärische Organisation". Und so fliegen in den Nachkriegsjahren nur fremde Luftverkehrsgesellschaften im planmäßigen Linienverkehr in ständig steigender Zahl in und über Deutschland - 20 Fluggesellschaften aus 19 Ländern und vier Chartergesellschaften. Während die ausländischen Fluggesellschaften bis Anfang der 1950er-Jahre 145 Millionen D-Mark einnehmen, geht der Verdienst der deutschen Wirtschaft in der Luftfahrtbranche gegen Null.
Bundesrepublik hofft auf Aufnahme des Flugbetriebs
Nach dem Grundgesetz vom 23. Mai 1949 ist das Luftverkehrsgesetz ebenso wie Verordnung über Luftverkehr Bundesrecht geworden. Mit Gründung der Bundesrepublik am 5. September 1949 steigen die Chancen für die Aufnahme des Flugbetriebs durch eine deutsche Fluggesellschaft. Doch die westlichen Alliierten halten das Verbot jeglicher deutschen Luftfahrtaktivität weiter aufrecht.
Mitte der 1950er-Jahre findet in der Bundesrepublik dann langsam eine Weichenstellung in Richtung des zivilen Luftverkehrs statt: Die Aufgaben für die Luftfahrtverwaltung teilen sich Bund - hier das Bundesministerium für Verkehr (BMV) - und die Bundesländer mit ihren jeweiligen Luftfahrtbehörden.
Luftfahrt-Bundesamt entsteht als Behörde in Braunschweig
"Als Bundesoberbehörde für Aufgaben der Zivilluftfahrt wird das Luftfahrt-Bundesamt errichtet, das dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur untersteht." Gesetz über das Luftfahrt-Bundesamt vom 30.11.1954 §1
Hans-Christoph Seebohm, der damalige Bundesminister für Verkehr und ehemalige Präsident der Industrie- und Handelskammer in Braunschweig, entscheidet sich für die niedersächsische "Löwenstadt" als Sitz des Amtes. "Ein Argument, das damals dafür angeführt worden war und das für die Weitsicht des damaligen Verkehrsministers spricht, war die zentrale Lage des Amtes in einem wiedervereinigten Deutschland", heißt es in der Historie des Luftfahrt-Bundesamtes.
Lufthansa führt ersten Zivilflug in der Bundesrepublik durch
Die Einrichtung über eine Verwaltung des Luftverkehrs ist ein wichtiger Schritt für die deutsche Luftfahrtindustrie. Die steckt damals noch in den Kinderschuhen, insbesondere was die Entwicklung und den Bau moderner Passagierflugzeuge betrifft. 1954 hatten die Alliierten die Einfuhr von Flugzeugen genehmigt. Die neu gegründete Lufthansa kauft 1954 die ersten Maschinen in den USA. Doch erst als die Bundesrepublik ihre Souveränität und damit die Lufthoheit zurückerhält, dürfen die Flugzeuge mit dem Kranich-Logo ab dem 1. April 1955 auch von Deutschland aus abheben. Kurz darauf bedient die Lufthansa auch internationale Linien: Am 8. Juni 1955 eröffnet die Lufthansa mit einer "Lockheed Super Constellation" ihren interkontinentalen Linienflugverkehr von Hamburg nach New York.
DDR beschließt 1955 eigene Luftfahrtverwaltung
Die Rückgabe der Lufthoheit durch die Besatzungsmächte hat auch politisch Konsequenzen: Die Luftfahrtverwaltung wird zweigeteilt. Der DDR-Ministerrat beschließt - mit Erlaubnis der Sowjetischen Besatzungsmacht - Ende April 1955 die Einrichtung der zivilen Luftfahrt. Danach ist "zur Durchführung des zivilen Personen- und Frachtluftverkehrs mit Wirkung vom 1. Mai 1955 die Deutsche Lufthansa zu gründen." Sehr zum Missfallen der westdeutschen Lufthansa - sie hatte sich bereits 1954 Markenname und Logo gesichert. Es kommt zum Rechtsstreit zwischen beiden Staaten. Im Angesicht einer drohenden Niederlage vor Gericht, gründet die DDR für den Notfall 1958 die Interflug. Im Juli 1963 wird die Lufthansa Ost schließlich liquidiert.
Abwehr von Gefahren für die Sicherheit der Luftfahrt
Auch die Aufgaben des Luftfahrt-Bundesamtes sind gesetzlich festgeschrieben. Oberstes Ziel des LBA ist die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit der Luftfahrt. Das Bundesamt prüft die Verkehrssicherheit von Luftfahrtgeräten; erteilt und entzieht Betriebsgenehmigungen von Luftfahrtunternehmen. Auch Verkehrspiloten und Flugingenieure unterstehen der Kontrolle der Behörde. Berufspiloten müssen gut mit Stress umgehen können. Wichtig ist auch ihre körperliche Fitness. Einmal im Jahr ist für Piloten ein Gesundheitscheck vorgesehen, bei dem Physis und Psyche auf dem Prüfstand stehen. Dazu gehören auch Seh- und Hörtests.
Gefahren für die Sicherheit durch zu wenig Personal
In den 1960er-Jahren setzt beim LBA ein Höhenflug ein. Es wächst mit seinen Aufgaben. Jedes Jahr werden etwa 1.000 neue Maschinen registriert. Oberstes Gebot ist stets Sicherheit: "Sorgfältig und richtig, das war für mich immer das Maß aller Dinge", sagt Karl Kössler, LBA-Präsident von 1971 bis 1987, dem NDR 2004.
Doch die Behörde steht immer wieder in der Kritik, weil sie unterbesetzt ist. Mitte der 1990er-Jahre können deshalb inländische Luftfahrtunternehmen und ihre Maschinen nicht ausreichend kontrolliert werden. In der Folge fliegen Maschinen gefährliche Güter ohne Genehmigung über Deutschland hinweg. 2015 berichtet "Die Welt" über eine "desolate Lage beim Luftfahrt-Bundesamt." Ausgerechnet in einem sensiblen Bereich sind 50 Planstellen unbesetzt: Es fehlen Ärzte, die die Flugtauglichkeit von Piloten untersuchen. Auch die EU kritisiert damals eine mangelnde Überprüfung der Piloten-Gesundheit in Deutschland. Und Uwe Beiderwellen, der seinerzeit Vizepräsident des Deutschen Fliegerarztverbands ist, sagt gegenüber der "Welt": "Jeder, der einen Jumbo fliegt, wird schlechter kontrolliert als ein Busfahrer." Auch 2024 scheint noch keine Besserung in Sicht zu sein: Noch immer stauen sich die medizinischen Anträge. Piloten bekommen monatelang keine Lizenz und dürfen deshalb nicht fliegen.
Der Weg zur Drohne führt übers Luftfahrt-Bundesamt
In Deutschland gibt es aktuell rund 400.000 privat genutzte Drohnen. Die Erfassung dieser unbemannten Luftfahrzeuge fällt in die Zuständigkeit des Luftfahrt-Bundesamtes. Noch bis vor fünf Jahren registriert die Behörde jährlich rund 115.000 Drohnen per Hand. Seit 2020 läuft die Erfassung digital. Wer beispielsweise ein "Unbemanntes Luftfahrtsystem" über 250 Gramm betreibt, ist per Gesetz verpflichtet, sich beim Luftfahrt-Bundesamt zu registrieren. Darüber hinaus muss jeder Betreiber eine Online-Schulung für einen Drohnenführerschein absolvieren und eine Haftpflichtversicherung besitzen. Drohnen dürfen nicht über Ortschaften, Naturschutzgebieten und in der Nähe von Flughäfen fliegen.
Mehr Passagiere, weniger Unfälle
Seit der Wiedervereinigung sind die Behörden aus Ost und West wieder zusammengeführt. Der Luftverkehr hat sowohl welt- als auch deutschlandweit längst andere Dimensionen als in den 1950er-Jahren angenommen. Während im Jahre 1955 rund 800.000 Passagiere vom größten deutschen Flughafen Frankfurt abheben, sind es 2024 rund 61 Millionen. Zum Vergleich: In Hamburg sind es im Jahr 1960 935.213 Fluggäste, 2024 rund 14,8 Millionen.
Der zunehmende Luftverkehr und die damit gestiegenen Anforderungen an die Sicherheit stellen auch das Luftfahrt-Bundesamt nach eignen Angaben und seine mittlerweile 1070 Beschäftigten vor Herausforderungen: "über 100 Zulassungs-, Prüfungs- und Überwachungsfunktionen gewährleisten das hohe technische und betriebliche Niveau der Luftfahrt in Deutschland." Das zeigt sich auch in der Unfallstatistik - der letzte schwere Absturz in Deutschland liegt über 20 Jahre zurück. Am 1. Juli kollidieren - wegen Fehlern des Fluglotsen und der Piloten - zwei Flugzeuge bei Überlingen. 71 Menschen sterben, davon 49 Kinder.