22. August 2009: Tödliches Wasserflugzeug-Unglück in Hamburg
Der 22. August 2009 soll für ein Ehepaar aus Ganderkesee bei Bremen ein ganz besonderer Tag werden. Aber ihr gebuchtes Wasserflugzeug verunglückt bei der Landung im Hamburger Hafen. Die Eheleute sterben.
Das Paar hat einen traumhaften Rundflug - für 129 Euro pro Person - über den Hamburger Hafen gebucht und freut sich auf eine einzigartige Sicht auf das "Tor zur Welt". Flugveranstalter Clipper Aviation, eigenen Angaben zufolge Deutschlands größtes Wasserflugunternehmen, verspricht einen "Logenplatz am Himmel". Doch alles kommt anders, wie der Bericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Braunschweig belegt.
Von Fuhlsbüttel zum Hafen geflogen
Die 54 Jahre alte Frau und ihr drei Jahre älterer Ehemann besteigen am 22. August 2009 bei 20 Grad Lufttemperatur und leichter Bewölkung die schneeweiße Cessna 206. Bis auf 600 Meter Höhe soll es raufgehen. Ihr 42 Jahre alter Pilot gilt als erfahrener Mann mit mehr als 7.100 Flugstunden. Nach einem kurzen Tankstopp auf dem Flughafen Fuhlsbüttel startet er um 12.45 Uhr wieder von der Startbahn 23 mit dem Ziel Hamburger Hafen. Mit dem weiten Blick über die Hansestadt geht für das Paar ein Traum in Erfüllung. An der Alster fliegt die Cessna in Richtung Landungsbrücken an die Elbe. Die Landung soll im Baakenhafen erfolgen. Dem Unfallbericht der BFU zufolge checkt und verändert der Pilot diverse Einstellungen der Maschine und meldet seiner Wasserflugstation die anstehende Landung.
Maschine überschlägt sich bei der Landung sofort
Um 12.52 Uhr sehen Augenzeugen, wie das Flugzeug auf den Baakenhafen zusteuert - mit ausgefahrenem Fahrwerk. Als die Schwimmer - die "Kufen" der Maschine - auf dem Wasser aufsetzen, kommt es augenblicklich zum Überschlag. Dabei zerbricht die Frontscheibe, Wasser dringt ein. Um 12.56 Uhr geht ein Notruf bei der Polizei ein, kurz darauf wird die Feuerwehr alarmiert. Währenddessen hat sich der Pilot aus der kopfüber im Wasser treibenden Maschine retten können. Er versucht sofort, die beiden Passagiere aus der Kabine zu befreien. Es gelingt ihm und herbeigeeilten Augenzeugen aber trotz mehrerer verzweifelter Versuche und großen Anstrengungen nicht.
Dramatische Szenen an der Elbe
Mit Fangleinen stürmen die alarmierten Rettungskräfte zur Maschine und versuchen, die auf ihren Sitzen angeschnallten Passagiere aus der Kabine zu holen. Doch die Rettung ist wegen des hohen Wasserdrucks sehr schwierig. Versuche, die Maschine wieder aufzurichten, scheitern. Tauchern gelingt es schließlich, das Paar herauszuholen. Kaum haben sie die Opfer im Schlauchboot, beginnen die Retter, die beiden zu reanimieren. Das Paar wird in ein Krankenhaus gebracht. Dort stirbt erst die Frau und wenig später ihr Mann. Der Pilot selbst erleidet einen Schock.
Das Wrack der Cessna wird später geborgen. Taucher befestigen dazu Seile an der Maschine, um sie mit einem Kran aus dem Wasser zu ziehen und auf einen Ponton zu bringen. Danach pumpt die Feuerwehr den Treibstoff ab.
Mehrere Sicherheitsanzeigen vorhanden
Wie die BFU in ihrem Unfallbericht schreibt, werden die Räder des Fahrwerks, die sich in den Schwimmern befinden, hydromechanisch ein- und ausgefahren. Die Position der Räder wird dem Piloten anhand von vier blauen Lampen (eingezogener Zustand für Wasserlandungen) und vier grünen Lampen (ausgefahrener Zustand für Landungen auf festem Untergrund) angezeigt. Zusätzlich gibt es pro Schwimmer eine mechanische Anzeige für die Position des Radfahrwerks. Außerdem verfügt die Cessna laut BFU über eine Tonansage zur Erinnerung. Erst, wenn der Pilot einen Schalter betätigt, wird die sich wiederholende Ansage gestoppt. Auch eine Checkliste sollte dem Piloten helfen. Eine Anweisung zur Überprüfung der Fahrwerksanzeigen und einen Hinweis auf die richtige Position des Fahrwerks enthält sie der BFU zufolge nicht.
Ausgefahrenes Radfahrwerk nicht bemerkt
Die Cessna 206 ist fast noch neu. Sie wurde 2007 gebaut und ist auf dem Stand der modernen Technik. Den Unfall können alle Sicherheitsvorkehrungen letztlich nicht verhindern: "Nach dem Start von Land wurde das Radfahrwerk nicht eingefahren, was bis zur Landung nicht bemerkt wurde", heißt es im BFU-Bericht. Den Großteil seiner rund 7.100 Flugstunden - 5.340 - hat der Pilot zuvor in herkömmlichen Flugzeugen absolviert. Hinzu kommen noch 1.801 Stunden in Hubschraubern. Bei Wasserflugzeugen stehen nur 34 Stunden mit 73 Landungen auf dem Wasser zu Buche. Der Pilot wird später zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Weiteres Unglück im Jahr 2006
In der Fachpublikation des kanadischen Ministeriums für Verkehrswesen "Flying with Floats" heißt es, das Landen auf Wasser mit ausgefahrenem Fahrwerk gelte als eine der zehn häufigsten Unfallursachen bei Wasserflugzeugen. In Deutschland hat es vor dem Unglück in Hamburg 2009 bereits 1985 und 2002 jeweils einen Unfall mit einem Wasserflugzeug gegeben, bei dem ein ausgefahrenes Fahrwerk die Unglücksursache war.
Aufgrund eines Feuers verunglückt in Hamburg 2006 ein anderes Wasserflugzeug. Die Maschine stürzt damals kurz nach dem Start im Hafen auf Bahngleise. Der Pilot, in der Hansestadt als "Himmelsschreiber" bekannt, und vier Insassen sterben. Während des Fluges ist an den Tanks im Rumpf sowie im Motor der 44 Jahre alten Beaver DHC-2 Feuer ausgebrochen.
Karte: Unfallort der Cessna im Hamburger Hafen 2009