Hanna Schwarz und drei weitere Atomkraft-Gegner stehen an einer Pyramide. © NDR

2011 rollt der letzte Castor durch Niedersachsen

Stand: 27.11.2021 08:15 Uhr

Ende November 2011 rollte der letzte Castor-Transport mit Atommüll nach Gorleben. Eine Aktion beschäftigte die Polizei über Stunden und gilt bei den Demonstrierenden noch immer als großer Erfolg.

Zu dem Zeitpunkt - in diesem "heißen Herbst", wie die Protestler ihn damals angekündigt hatten - war der Zug mit nuklearen Altlasten aus dem nordfranzösischen Le Havre bereits seit vier Tagen unterwegs ins niedersächsische, höchst umstrittene Zwischenlager im Wendland. Während sich Zehntausende Castor-Gegner in der Region bereits formiert haben, die Strecken säumen, sich an Gleise ketten, Straßen blockieren, die Polizei Wasserwerfer einsetzt, kommt bei Hanna Schwarz Angst auf. "Auf einmal geht dir alles durch den Kopf", erinnert sie sich heute an die Zeit, unmittelbar bevor sie ihren Arm in die 500 Kilogramm schwere Beton-Pyramide steckt und fixieren lässt. "Habe ich überhaupt gegessen? Habe ich genug gegessen?"

Landwirte platzieren Betonblock

Atomkraft-Gegnerin Hanna Schwarz schaut in die Kamera. © NDR
Vor zehn Jahren stoppt Atomkraft-Gegnerin Hanna Schwarz mit ihrer Aktion den Castor für einige Stunden.

Die Pyramide ist in gelber Farbe gestrichen, der Farbe des Anti-Atom-Protests, in der noch immer Kreuze an Bundesstraßen und in Vorgärten stehen. Der Betonblock soll an diesem Sonntag vor zehn Jahren den Castor stoppen - und das macht er tatsächlich. Zumindest für lange 15 Stunden. Nur wenige Kilometer vor Hitzacker schaffen es Hanna Schwarz, Fritz Pothmer, Georg Jansen und Heiko Müller von der Bäuerlichen Notgemeinschaft auf die Schienen und platzieren die Pyramide.

Pyramide bleibt 15 Stunden auf dem Gleis

Ein Polizist versucht eine Pyramide zu zersägen. © NDR
Funken fliegen, die Pyramide bleibt: Die Polizei schafft es nicht, den Betonblock zu entfernen.

Sie war so konstruiert, dass jede Bewegung die Arme im Innern verletzen kann. Keine einfache Aufgabe für die Polizei, die versucht, die Pyramide mit schwerem Gerät zuteilen, die junge Frau zu lösen und die Blockade zu beenden. Als die Beamten die Steine unter der Pyramide entfernen, sackt sie ab und die junge Frau droht, verletzt zu werden. All das kostet Zeit und Nerven.

Demonstrierende befreien sich selbst

Am Ende bieten die Demonstrierenden an, sich selbst zu befreien - auch, weil ihre eigenen Kräfte schwinden. Der Zug kann seine Fahrt um 3.30 Uhr fortsetzen. Unmittelbar danach sprechen die vier Aktivistinnen und Aktivisten vom Scheitern der Polizei und wollen allen deutlich machen, dass die Beamten die Pyramide nicht von den Gleisen entfernen konnten. "Die Polizei sieht sich nach derzeitigem Stand in zumutbarer Zeit nicht in der Lage, die Personen unverletzt zu befreien", räumen die Beamten ein. Für die Demonstrierenden ein voller Erfolg.

Polizei sieht es nicht als Niederlage

Die Polizei aber sieht das nicht als Niederlage, erklärt Matthias Oltersdorf heute. Er leitete damals den Castor-Einsatz in Lüneburg, mittlerweile ist er im Ruhestand. Für ihn sei es entscheidend gewesen, dass der Transport Gorleben erreichte und bei dem Einsatz niemand verletzt worden sei. "Als Polizeiführer bin ich ein Stückchen dankbar dafür, dass dieser Protest ein Protest ist, der mit Verantwortungsbewusstsein durchgeführt wurde."

Die elf Behälter erreichen Gorleben am 28. November

Nach 126 Stunden quält sich der Transport an sein Ziel. An der Ortseinfahrt Gorleben werden sie noch einmal von rund 1.300 Demonstrierenden empfangen. Das Zwischenlager ist von der Polizei weiträumig abgesperrt. Auch weitere Aktionen der Protestierenden auf den Zugangswegen halten die Spezialfahrzeuge, auf denen die elf Behälter mit dem hochradioaktiven Müll seit Dannenberg verladen worden sind, nicht auf. Für die vier "Helden von Hitzacker", wie sie von vielen genannt werden, und für Tausende Atom-Gegner ist dieses Wochenende vor zehn Jahren der letzte Protest dieses Ausmaßes im Wendland gewesen.

Weitere Informationen
Protest gegen das Zwischenlager Gorleben im September 2007. © dpa

Gorleben - Der Aufstand der Bauern

Der Widerstand ortsansässiger Landwirte hat sich über Jahrzehnte zu einem langlebigen Protest gegen die Atompolitik entwickelt. mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 27.11.2021 | 19:30 Uhr

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