Als die Rollei noch "Made in Braunschweig" war
Kameras, die aussehen wie aus alten Western-Filmen, meist mit gleich zwei Objektiven und einem Lichtschacht statt eines Suchers oder gar Displays: Die Fotoapparate-Firma Rollei, gegründet am 1. Februar 1920 in Braunschweig als "Werkstatt für Feinmechanik und Optik, Franke & Heidecke", hatte einen Ruf wie Donnerhall. "Hunderte Firmen auf der ganzen Welt haben die Technik, die bei Rollei entwickelt worden ist, kopiert", sagt Frank Peter Hoffmann. Und er muss es wissen - denn Hoffmann besaß bis vor ein paar Jahren die vielleicht größte Rollei-Sammlung der Welt. Und zwar nicht nur mehr als 1.000 Kameras der Kultmarke - nahezu jedes Modell aus nahezu jedem Baujahr -, sondern auch bergeweise Original-Dokumente, Anleitungen und Reparaturleitfäden.
Rolleiflex: Das berühmte "Zweiauge"
Dass sich das Unternehmen innerhalb der ersten Jahrzehnte Weltruf erarbeiten konnte, verdankt es der berühmten Rolleiflex. In den 1950er-Jahren galt sie als "die" Kamera, vor allem für Profis. In der Mitte des Jahrzehnts hatte das Unternehmen bereits eine Million Kameras verkauft. Eingeführt wurde die Kamera mit dem Namen Rolleiflex aber schon viel früher: Ende der 1920er-Jahre gab es bereits eine erste Rolleiflex, die immer wieder verbessert wurde. Durch den großen Erfolg war das alte Werk in Braunschweig schnell zu klein, bis 1932 wurden dort rund 24.000 Kameras gebaut - insgesamt etwas mehr als das, was künftig am neuen Standort in der Salzdahlumer Straße in nur einem Jahr produziert werden sollte.
Zweiter Weltkrieg: Zielfernrohre statt Fotoapparate
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Lage auch für Rollei schwierig. Statt neuer Kameramodelle wurde auf kriegswichtige Produkte umgestellt. Sie hätten für die Wehrmacht produzieren müssen, sagt Hoffmann, das sei mit Voigtländer in Braunschweig genauso gewesen. Das "Zweiauge" wurde zwischenzeitlich eingestellt, Schulden im Ausland konnten nicht mehr eingetrieben werden - Rollei machte eine schwere Zeit durch. Jetzt wurden in Braunschweig Optiken für Ferngläser und Zielfernrohre hergestellt, für die Entwicklung von Kameras und Zubehör waren nur wenig Geld und Kapazitäten übrig. Am Ende des Krieges gab es darüber hinaus erhebliche Kriegsschäden durch Bombenangriffe - mehr als die Hälfte des Werkes in Braunschweig war zerstört.
Innovationen heimlich in der Schublade gehabt
Hoffmann sagt, Innovationen habe es erst später wieder gegeben, zum Beispiel mit der ersten - dann einäugigen - Spiegelreflex-Kamera, der SL 35. Eine technische Entwicklung, gegen die es zunächst allerdings hauseigenen Widerstand gegeben habe: "Der alte Herr Heidecke hat gesagt: 'Nur über meine Leiche'", so Hoffmann. "Aber als der dann zu Grabe getragen wurde, haben die Ingenieure die heimlich entwickelten Pläne für neue Kameras aus der Schublade geholt", schmunzelt Hoffmann. "Der Vorteil war, dass man mehr Aufnahmen machen konnte, dazu die Wechseloptiken, Tele- und Weitwinkel, der eingebaute Belichtungsmesser. Das hatte man bei den zweiäugigen Kameras nicht." Das Fotografieren sei so deutlich einfacher geworden, sagt Hoffmann.
Sammlung ging für sechsstelligen Betrag nach Österreich
Von den alten Rolleiflex-Schätzchen hat Frank Peter Hoffmann noch immer einige in seinem Besitz - so um die 50, wie er sagt. Genau habe er nicht gezählt. Das Gros seiner einst gigantischen und einzigartigen Sammlung ist allerdings weg. "Nach mehr als 30 Jahren Sammelwut war es dann auch mal gut", sagt er. Etwa sechs Jahre sei es her, dass er das meiste seines Bestands nach Österreich verkauft hat - für einen sechsstelligen Betrag. "Mit zwei Lastern musste das abgefahren werden, als ich alles verkauft habe", erinnert sich Hoffmann. "Man kann sich also vorstellen, wie viel das trotz des ganzen Verpackungsmaterials war."
Rollei, ein Kindheitstraum
Dass Frank Peter Hoffmann irgendwann eine eigene Rollei haben wollte, war ihm schon als Kind klar. In der Schule habe er bereits damit gearbeitet. Sobald er das Geld zusammen hatte, kaufte er sich ein eigenes Objektiv. Die erste Kamera wenig später. "Die konnte alles", sagt der 63-Jährige, der lange Geschäftsführer eines Reparaturservices für - klar - Kameras war. "Das, was man heute Systemkamera nennt, war das eigentlich damals schon, unglaublich flexibel." Von 1978 an hat Hoffmann dann auch im Braunschweiger Rollei-Werk gearbeitet und defekte Apparate repariert. "Wir waren damals 100 Mann und haben den ganzen Tag geschraubt." Das sei ein Traum gewesen, der sich damals für ihn erfüllt habe, sagt er. Zumindest bis 1981. Da war es mit der klassischen Rollei-Produktion vorbei, der Kamerahersteller musste Insolvenz anmelden. Die Rechte am Namen und die Produktion unter dem Label Rollei gab es zwar weiter, mit der von Kaufmann Paul Franke und Techniker Reinhold Heidecke gegründeten Firma hatte das aber nur noch wenig zu tun. "Das war ein trauriger Tag", sagt Hoffmann heute.
Rollei-Mann greift auch gern zu den digitalen Nachfolgern
Echte Rollei-Kameras sind wohl endgültig Geschichte: Der Markenname gehört mittlerweile einer Firma mit Sitz in Hamburg. Allerdings ist die auf Stative, Fotofilter, Blitzgeräte und anderes Kamera-Zubehör spezialisiert - Kameras gibt es dort nur noch als Actioncams. Die an die klassischen Modelle angelehnten Mittelformatkameras unter dem Namen Rolleiflex waren noch eine Zeit lang von einem Unternehmen in Braunschweig zu haben. Aber auch das ist mittlerweile vorbei. Nur noch eine ganz kleine Gruppe von Leuten repariere dort alte Kameras, sagt Hoffmann.
Wenn er heute ein Foto machen will, greift Hoffmann mittlerweile in der Regel zu einer Digitalkamera. Allerdings gehe es dann auch hauptsächlich darum, Reparaturen in der Firma für Kunden zu dokumentieren oder ein schnelles Urlaubsfoto an Verwandte zu schicken. Hin und wieder sei es aber auch schön, eine alte Rolleiflex in die Hand zu nehmen - es sei aber nicht mehr so wichtig für ihn wie früher.
Von der Rollei zum Roller
Sammeln tut Hoffmann allerdings nach wie vor - allerdings Autos, Motorräder und Roller. Auf die Frage, ob er seine Sammelleidenschaft da genauso auslebt wie mit den alten Rolleis, lacht er: "Wenn ich ihnen sage, dass ich inzwischen sieben Garagen voll habe, dann ist die Frage glaube ich beantwortet."