Atomkraftgegner fordern am 27. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe am 21.04.2013 vor dem AKW Brokdorf mit Schriftzügen auf der Kleidung die Abschaltung des Kernkraftwerks. © picture alliance / dpa Foto: Carsten Rehder

AKW Brokdorf: Chronik der Bau- und Protestgeschichte

Stand: 25.01.2023 14:00 Uhr

1972 begannen die Planungen, 1986 ging das Kernkraftwerk ans Netz - als erstes in Deutschland nach der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl ans Netz. Ende 2021 soll es abgeschaltet werden. Eine Chronologie.

1972 Beginn der Planungsarbeiten durch die Kraftwerk Union AG, zwei Jahre später Gründung der Kernkraftwerk Brokdorf GmbH

25.10.1976 Erste atomrechtliche Teilgenehmigung abends durch die Landesregierung Kiel ausgesprochen

26.10.1976 Baubeginn in Brokdorf um ein Uhr nachts unter Polizeischutz. Der Bauplatz wird wie eine Festung eingezäunt und mit Stacheldrahtrollen und Wassergräben gesichert

30.10.1976 Erste Großdemonstration am Bauplatz, mehr als 5.000 Teilnehmer. Rund 2.000 davon brechen gewaltsam in die Baustelle ein, um sie zu besetzen. Mehrere Hundertschaften Polizei räumen das Gelände mit Wasserwerfern und Tränengas

13.11.1976 "Brokdorf II"-Demonstration, 30.000 internationale Teilnehmer. Die Polizei errichtet Straßenkontrollen und riegelt das Gelände weiträumig ab, ausgerüstet mit Wasserwerfern, Tränengasgranaten, Pferden, Hunden und Hubschraubern. Bürgerkriegsähnliche Gefechte, 3.000 Demonstranten stürmen erneut den Bauzaun. Bilanz: Mehr als 150 Verletzte, davon 79 Polizisten.

17.12.1976 Verwaltungsgericht (VG) Schleswig verfügt einen vorläufigen Baustopp, der im Februar 1977 verlängert wird

19.02.1977 Trotz eines vom VG Schleswig bestätigten Verbots bislang größte Demonstration gegen Brokdorf: 50.000 Menschen bei "Brokdorf III" vor Ort und in Itzehoe. Diesmal keine Stürmung des Baugeländes

17.10.1977 Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg ordnet unbefristeten Baustopp für das AKW Brokdorf an, bis die Entsorgungsfrage geklärt ist. Die Atomkraftgegner beschließen, vor Ort nicht weiter zu demonstrieren, solange der Baustopp gilt

28.03.1979 Havarie im Kernkraftwerk Three Mile Island bei Harrisburg, Pennsylvania (USA)

16.05.1979 Niedersachsens Ministerpräsident Albrecht erklärt - unter dem Eindruck der massiven Proteste in der Bevölkerung und des Kernschmelzunfalls in Harrisburg -, dass eine Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Gorleben politisch nicht durchsetzbar sei. Die Bundesregierung favorisiert fortan ein "Integriertes Entsorgungskonzept" mit dezentraler Entsorgung

28.09.1979 "Entsorgungsbeschluss" der Regierungschefs von Bund und Ländern: Eine deutsche WAA soll gebaut werden und ein Systemvergleich zwischen Wiederaufarbeitung und direkter Endlagerung erfolgen. Spätestens Ende der 90er-Jahre soll ein Bundesendlager betriebsbereit sein. Als Entsorgungsvorsorgenachweis für den Weiterbetrieb von AKWs gilt der Nachweis über den Verbleib der abgebrannten Brennelemente für sechs Jahre im Voraus

14.10.1979 Anti-Kernkraft-Großdemonstration in Bonn mit mehr als 70.000 Teilnehmern

1980 Antrag für ein externes Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente in Gorleben (1.500 Tonnen). In Hessen, Niedersachsen, Bayern und Rheinland-Pfalz werden Standorte für eine WAA gesucht

22.01.1981 OVG Lüneburg hebt Baustopp für das AKW Brokdorf auf: Es erkennt Fortschritte bei der Lösung der Entsorgungsfrage

18.02.1981 Kiel erteilt zweite Teilerrichtungsgenehmigung

28.02.1981 Rund 100.000 Menschen versammeln sich in der Wilstermarsch bei der bis dahin größten Anti-Atomkraft-Demonstration. 10.000 Polizisten sichern das AKW-Gelände. 128 Polizisten und geschätzt ebenso viele Demonstranten werden bei heftigen Krawallen verletzt.

Weitere Informationen
Demonstration gegen das geplante Atomkraftwerk in Brokdorf 1981 © picture-alliance/ dpa Foto: Martin Athenstädt

Dem Verbot zum Trotz: Großdemo gegen AKW Brokdorf 1981

Trotz Verbots und unter massiver Polizeipräsenz protestieren am 28. Februar 1981 rund 100.000 Menschen gegen das geplante Kernkraftwerk. mehr

25.05.1981 Hamburgs Bürgermeister Hans-Ulrich Klose (SPD) tritt unter anderem wegen seiner Politik um den Bau des Kernkraftwerks in Brokdorf (Nichtbeteiligung, Nichtunterstützung) von seinem Amt zurück

26.04.1986 Reaktorkatatstrophe von Tschernobyl

07.06.1986 30.000 demonstrieren in Brokdorf gegen die baldige Inbetriebnahme; 10.000 Hamburger Demonstranten auf dem Weg zum Kernkraftwerk Brokdorf werden im schleswig-holsteinischen Kleve aufgehalten

08.06.1986 "Hamburger Kessel": Auf dem Heiligengeistfeld sammelt sich eine Demonstration aus Protest gegen den Polizeieinsatz vom Vortag. Die mehr als 800 Personen werden bis zu 13 Stunden lang innerhalb der Absperrketten festgehalten. Zwei Monate später muss Innensenator Rolf Lange seinen Hut nehmen

08.10.1986 Inbetriebnahme des Kernkraftwerks als weltweit erste Anlage nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl

22.12.1986 Beginn des kommerziellen Leistungsbetriebs

1992 Brokdorf ist das AKW mit der weltweit höchsten Brutto-Jahresstromerzeugung

2001 Die rot-grüne Mehrheitim Bundestag beschließt den Ausstieg aus der Atomenergie. Das AKW Brokdorf soll 2018 vom Netz gehen.

2003 Atomrechtliche Genehmigung zur Errichtung eines Zwischenlagers für 100 Castorbehälter, Fertigstellung Herbst 2005

05.03.2007 Inbetriebnahme des Standort-Zwischenlagers am AKW Brokdorf

2010 Die schwarz-gelbe Bundesregierung macht den Atomausstieg rückgängig. Schleswig-Holsteins Landesregierung beschließt daraufhin, Brokdorf bis 2033 am Netz zu lassen

2011 Nach dem Fukushima-Unfall beschließt die Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022. Brokdorf soll noch bis Ende 2021 Strom liefern.

01.01.2022 In der Nacht zum 1. Januar 2022 geht das AKW Brokdorf nach 35 Betriebsjahren wie geplant vom Netz. Damit wird in Schleswig-Holstein kein Atomstrom mehr produziert.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 27.10.2022 | 19:30 Uhr

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