Stand: 08.06.2016 05:00 Uhr

Wie lang ist "ewig" - das Privileg von Ripen

Abbildung des Vertrags von Ripen © Landesarchiv Schleswig-Holstein - Signatur (Urk.-Abt. 394 Nr. 8)
"Das Privileg von Ripen" von 1460. "Up ewig ungedeelt" wurde zum politischen Schlagwort und Mythos.

Mythen, Traditionen und Legenden: Die schleswig-holsteinische Geschichte bietet viele Märchen. Am Sonnabend wollen Historiker in Rendsburg den Besuchern die Mythen des nördlichsten Bundeslandes näherbringen - und ihnen auf den Grund gehen. Wir stellen in einer fünfteiligen Serie einige von ihnen vor. Heute beschäftigen wir uns mit der Frage, ob das Herzogtum Schleswig und die Grafschaft Holstein wirklich "up ewig ungedeelt" sind.

Am 5. März 1460 wurde das Privileg von Ripen ebendort unterschrieben. 16 Paragraphen hatte der Vertrag. In einem fand sich der Halbsatz mit Bezug auf das Herzogtum Schleswig und die Grafschaft Holstein "dat se bliiwen ewich tosamende ungedeelt". Im 19. Jahrhundert wurde daraus das Schlagwort "up ewig ungedeelt". Es wirkt bis heute fort. Es galt erst als Beleg für die Unteilbarkeit von Schleswig und Holstein, dann auch dafür, dass beide Herzogtümer Teil Deutschlands sind. Beides ist schlicht ein Mythos.

Die Wiege unserer Mythen

Die meisten schleswig-holsteinischen Mythen entstanden im 19. Jahrhundert. Es war eine Zeit des Umbruchs. Die Aufklärung hatte das Denken der Menschen verändert, die napoleonischen Kriege ihr Leben. Im Norden wurden die bisher gemeinschaftlich bewirtschafteten Felder aufgeteilt und damit Privatbesitz. Überall in Europa entstanden als neue, größere Gemeinschaft nun die Nationen. Sie definierten sich meist - wie auch in Deutschland - über die Sprache. Doch sie brauchten auch eine neue, eine nationale Geschichte.

Die Suche nach nationalen Quellen

Nach der neuen - und bis heute gültigen - "quellenkritischen Methode" beugten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts Historiker über alte Quellen. Das tat in Kiel auch Friedrich Christoph Dahlmann (1785-1860). Der in Wismar geborene Geschichtsprofessor lehrte seit 1812 an der Universität in Kiel. Im "Privileg von Ripen" fand er schließlich den berühmten Halbsatz. Der passte prima in die öffentliche Debatte, auch weil in Dänemark immer wieder diskutiert wurde, das Herzogtum Schleswig zu einem Teil des Königreiches zu machen.

Die Ewigkeit dauert 21 Jahre

Ewig ist ewig oder dauert 21 Jahre. Das scheint Unsinn, ist aber im Fall des "Privilegs von Ripen" richtig. Das Dokument, das erst Dahlmann und dann viele andere immer wieder zitierten, ist aus einem bestimmten Anlass entstanden. Christian I. aus dem Hause Oldenburg hatte 1448 den verwaisten dänischen Thron bestiegen. Nachdem die Schauenburger ausgestorben waren, suchten nun 1460 Adel und Klerus nach einem neuen Landesherren für Holstein und Schleswig. Christian I. passte gut, doch er sollte etwas anbieten. So wurde in Ripen (dänisch Ribe) geschachert. Auch durch spätere Zusätze in Kiel erreichten die Stände einiges. Landtage wurden vereinbart und vor allem hatten Kirche und Adel Besitz sowohl in Holstein als auch in Schleswig. Deshalb bestanden sie auf einer Einheitsformel. Und die gab es mit dem berühmten "ungedeelt"-Halbsatz. Der Vertrag, das Privileg, war juristisch eine "Handfeste". So heißen Verträge, die für die Regierungszeit eines Herrschers abgeschlossen werden. Die endet bei Königen mit dem Tod. Christian I. starb 1481. Diese "Ewigkeit" dauerte also 21 Jahre. Danach wurde Schleswig und Holstein – von 1474 an war auch Holstein ein Herzogtum – über Jahrhunderte fröhlich geteilt. Erst wieder mit dem Entstehen des dänischen Gesamtstaats 1773 endete diese Zeit des bunten Flickenteppichs.

Mythen sind unkaputtbar

Musste das der hochgelehrte und später als Frontmann der "Göttinger Sieben" berühmt gewordene Dahlmann nicht wissen? Eigentlich ja. Deshalb wird vermutet, er hat das Zitat bewusst propagandistisch eingesetzt. Quellenkritisch ist das nicht nachweisbar. Sicher dagegen ist, dass "up ewig ungedeelt" erst für die Einheit der Herzogtümer, danach auch für ein deutsches Schleswig-Holstein warb und schließlich bis heute zum Schleswig-Holsteinischen Leitsatz aufstieg. Der Spruch stand auf den in Büdelsdorf gegossenen Landeswappen, fand sich in fast jedem Haus auf Zier- und Postkarten oder gestickt an der Wand. Außerdem garnierte der Satz die vielen Bilder mit Doppeleichen ... die Doppeleiche ist aber schon wieder ein anderer Mythos.

Serie: Mythen aus Schleswig-Holstein
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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Moin! Schleswig-Holstein – Von Binnenland und Waterkant | 08.06.2016 | 20:10 Uhr

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