Stand: 23.04.2018 14:58 Uhr

Todesmärsche durch Schleswig-Holstein

von Lisa Pandelaki

Eine Karte zeigt die vier Wege der Todesmärsche durch Schleswig-Holstein. © NDR
Diese vier Märsche führten durch Schleswig-Holstein.

Fast fehlen die Worte, denkt man an die beispiellosen Verbrechen, die während der NS Zeit in Deutschland begangen wurden. Erniedrigung, Verfolgung, Folter, Ermordung - systematisch und oft direkt vor den Augen der Bevölkerung. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges kam der Befehl von SS-Reichsführer Heinrich Himmler, die Konzentrationslager zu räumen. Kein Gefangener sollte in die Hände der Alliierten fallen, deswegen schickten die Nationalsozialisten die KZ-Gefangenen auf sogenannte Todesmärsche. Mehr als 100 dieser Märsche sind bekannt. Vier davon führten auch durch Schleswig-Holstein. Die Ziele waren Kiel, Flensburg und die Lübecker Bucht.

Vom KZ Neuengamme nach Flensburg

Bei der Räumung des KZ Neuengamme im Südosten von Hamburg wurden die Häftlinge zunächst auf Auffanglager verteilt. Unter anderem kamen 9.000 Gefangen nach Sandbostel in Niedersachsen. Alleine gelassen - ohne Nahrung oder medizinische Versorgung und unter katastrophalen hygienischen Bedingungen - wurden die Auffanglager zu Sterbelagern. Trotzdem musste am 20. April 1945 ein Zug aus mehreren Hundert marschfähigen Häftlingen das Lager wieder verlassen. Zu Fuß und mit der Bahn ging es nach Stade. Dort wurden die Häftlinge auf den Frachtdampfer "Olga Siemers" gebracht und mit ihm durch den Nord-Ostsee-Kanal zunächst nach Kiel und dann weiter nach Flensburg transportiert. In Flensburg blieben die Häftlinge einige Tage ohne Versorgung in Zugwaggons und kamen dann auf den Frachter "Rheinfels".

Weitere Häftlinge kommen dazu

Am 29. April wurden weitere 600 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme auf den Weg nach Lübeck gezwungen. Doch bevor sie die Stadt erreichten, wurde ihr Marsch nach Flensburg umgeleitet. Dort kamen sie zu den anderen Gefangenen auf den Frachtdampfer "Rheinfels" und mussten ausharren. Erst am 10. Mai befreiten die britischen Truppen die letzten Überlebenden aus dem Schiff.

Vom KZ Fürstengrube nach Neustadt

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Zeitzeuge Hans-Otto Mutschler steht in Lübeck neben einer Stele, die an den Todesmarsch von KZ-Häftlingen 1945 erinnert. © NDR Foto: Nadine Dietrich

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Die Räumung des KZ Fürstengrube, eine Außenstelle des KZ Auschwitz, begann bereits im Januar 1945. 1.000 Gefangene wurden von dort auf den Weg in das KZ Mittelbau geschickt - zu Fuß und per Zug bei Schnee, Eis und Sturm. Unterwegs erfroren viele Häftlinge, die Leichen blieben am Wegesrand liegen. Nach vier Wochen in Mittelbau trieben die SS 200 Überlebende in Richtung Magdeburg. Unterwegs stießen andere Gefangenentrupps dazu. Am 9. April schließlich wurden die Häftlinge auf Schleppkähne geladen und nach Lübeck transportiert. Von dort ging es weiter Richtung Ostholstein über Ahrensbök nach Neustadt und von dort auf die "Cap Arcona" in der Lübecker Bucht.

Vom KZ Neuengamme nach Lübeck

Ende April wurden aus Neuengamme erneut rund 10.000 Häftlinge zu Fuß und per Schiff die Elbe entlang in Richtung Lübeck getrieben. Sie erreichten die Stadt an der Bucht. Ebenso wie die Gefangenen aus dem KZ Fürstengrube wurden sie auf die "Cap Arcona" verschifft. Alle Fluchtmöglichkeiten vom Frachter waren blockiert - einschließlich der Rettungsboote. Der Plan des Regimes vermutlich: Das Schiff mit einer Sprengung versenken. Doch am 3. Mai wurde die "Cap Arcona" ebenso wie die ebenfalls mit Häftlingen beladene "Thielbek" von Piloten der Royal Air Force zerstört. Insgesamt überlebten nur 400 Häftlinge den Luftangriff und konnten sich ans Ufer retten.

Von Fuhlsbüttel nach Kiel

Auch das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel sollte gegen Ende des Krieges aufgelöst werden. Minderbelastete Häftlinge sollten entlassen werden, schwerbelastete Fälle kamen in das Auffanglager Neuengamme. Die restlichen 800 Häftlinge, Juden, Zwangsarbeiter aus verschiedenen Ländern und Menschen des politischen Widerstands, schickte die SS auf den Weg nach Kiel - knapp 650 von ihnen zu Fuß. Am 12. April brachen vier Gefangenenzüge im Abstand von jeweils einer Stunde nacheinander auf. Die Marschverpflegung war kärglich, die Schuhe der Marschierenden fast alle völlig kaputt.

Endstation im Arbeitserziehungslager Nordmark

Der Weg führte über Kaltenkirchen, Bad Bramstedt, Wittorferfeld und Bordesholm. Unterwegs wurden immer wieder Gefangene, die versuchten zu fliehen oder einfach nicht mehr weiter konnten, erschossen. Andere starben an Entbehrung oder Krankheit. Nach dreieinhalb Tagen Fußmarsch erreichten die Gefangenen das Arbeitserziehungslager Nordmark in Kiel. In den zwei Wochen bis zum Kriegsende wurden noch knapp 100 weitere Häftlinge im Lager erschossen. Kurz vor dem Eintreffen der Alliierten ergriffen die Wachleute die Flucht und überließen die letzten Überlebenden sich selbst.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein bis 3 | 23.04.2018 | 17:10 Uhr

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