St. Georgen: Kirchen-Ruine wird Schmuckstück
Die St. Georgenkirche in Wismar hat 1990 nur noch als Ruine existiert. Im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört, verfiel das Gotteshaus zu DDR-Zeiten zusehends. Heute gehört St. Georgen zweifellos zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten nicht nur in der Hansestadt. Die Glocken läuten wieder, selten bleibt die Kirchentür geschlossen - Einheimische und viele Touristen besuchen und bewundern täglich den gotischen Sakralbau.
Andere Probleme haben Vorrang
Doch vor 25 Jahren dachten zunächst nur wenige an einen Wiederaufbau der Kirche - auch Wismars frisch gewählte Oberbürgermeisterin Rosemarie Wilcken nicht: "Wirtschaft, Wohnraumversorgung und Soziales waren die drei großen Schwerpunkte. Niemand von uns hätte sich getraut, den Wiederaufbau einer Kirche in den Mittelpunkt seines politischen Programms zu stellen."
Lübecker wollen schon 1987 beim Aufbau helfen
Bereits drei Jahre zuvor gab es eine Initiative zum Wiederaufbau der Kirche, erzählt Peter Manthey vom Förderkreis St. Georgen: "1987 war gerade diese politische Wiedervereinigung der Städtepartnerschaft Lübeck-Wismar. Da sind doch tatsächlich Lübecker hierher zum Bürgermeister gekommen und haben mit West-Geld gewedelt: 'Wir wollen St. Georgen aufbauen.' Die sind fast in Ohnmacht gefallen und haben die wieder losfahren lassen mit ihrem West-Geld."
Stiftung Denkmalschutz hilft maßgeblich beim Aufbau
1990 war dieses West-Geld sehr willkommen. Vor allem die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit ihrem Vorstandsvorsitzenden Gottfried Kiesow widmete sich dem Aufbau von St. Georgen. Aus der Ruine wurde wieder ein Gotteshaus, aber auch ein Kulturort. Darauf hoffte Kiesow bereits 2002: "Natürlich wird hier sonntags im Chor auch Gottesdienst sein. Aber das gewaltige Schiff und das Querschiff - das wird man für Konzerte und Tagungen nutzen."
Kirche soll sakraler werden
Heute sind die Festspiele MV ständiger Gast, Chor und Orchester des Norddeutschen Rundfunks treten regelmäßig auf, es gibt die Jedermann-Festspiele. Peter Manthey vom Förderkreis wünscht sich allerdings neben der Kultur auch mehr Kirche: "Wo ist das Kreuz? Eine leere Kirche ohne jeden Hinweis? Das gibt doch zu denken. Es gibt Besucher, die etwas anderes gewohnt sind. Von daher gibt es jetzt auch einen Vertrag zwischen der Gemeinde und der Stadt zur Einrichtung eines Raumes der Stille." Zudem strebt der Förderkreis auch die Rückkehr des Marienaltars von 1430 an und die Anschaffung einer Orgel. Das stößt jedoch nicht überall auf Gegenliebe, allein aus Platzgründen, wie zu hören ist.
Wetterhahn landet im Vorgarten
Wenn Rosemarie Wilcken zurückschaut, erinnert sie sich unter anderem an den Tag, an dem sie ihrem Mann etwas Besonderes zeigen wollte: "Endlich war der goldene Wetterhahn oben drauf auf dem Dachreiter. Ich wollte ihm den morgens zeigen und siehe da: Er war nicht drauf. Er war gestohlen worden." Nun hieß es, die Oberbürgermeisterin hätte da womöglich ihre Hände mit im Spiel, einfach um noch mehr Aufmerksamkeit auf die Baustelle zu lenken: "Ich hatte ein gutes Alibi. Ich war mit dem Polizeichef am Abend vorher zusammengewesen. Wir wissen bis heute nicht, wer es war, aber man hat ihn dann in ein Laken gewickelt und bei uns in den Vorgarten gelegt."
Ein Aufbau, der sich gelohnt hat
Rund 40 Millionen Euro hat der Wiederaufbau der gotischen Backsteinkirche bis 2010 gekostet. Dass es sich gelohnt hat, davon ist Rosemarie Wilcken fest überzeugt: "Die Bevölkerung, die anfangs sehr skeptisch war und zum Teil auch dagegen, hat Georgen auch als eigenes Aufbauwerk begriffen." Mit St. Georgen hat Wismar ein Schmuckstück zurückerhalten - einen inzwischen unverzichtbaren Kultur-Ort für die Welterbe-Stadt.