Schwerin: Ein Ort, drei Synagogen
Der Dom und das Rathaus von Schwerin befinden sich in unmittelbarer Nähe - doch die Synagoge von Schwerin ist so gut wie nicht zu sehen. Sie steht auf einem Hinterhof, umgeben von zahlreichen städtischen Wohn- und Geschäftshäusern. Seit mittlerweile 245 Jahren treffen sich an diesem Ort Juden, um zu beten, um zu reden, um zu feiern. Allerdings nicht immer im selben Gotteshaus. Dieser Ort beherbergte drei Synagogen - und ist seit 80 Jahren auch immer mit der Pogromnacht 1938 verbunden.
Das Gebäude ähnelt einem Würfel: Die östliche Außenwand neigt sich schräg gen Himmel, alles ist verklinkert. Zwei große und ein kleines Fenster zeigen jeweils einen Davidstern. Sie ist schlicht, die Schweriner Synagoge. Vor mehr als zehn Jahren stand die Jüdische Gemeinde vor der Frage, wo die neue Synagoge gebaut werden soll. "Die Entscheidung, die neue Synagoge am Standort der alten zu errichten, war perfekt", sagt Valeriy Bunimov, Vorsitzender des Landesverbands der jüdischen Gemeinden. "Jetzt haben wir eine neue Synagoge mit 120 Plätzen und wir benutzen diese Synagoge für verschiedene Zwecke. Es geht nicht nur um Gottesdienste und unsere jüdischen Feste."
Jedes Jahr gibt es einen Tag der offenen Tür
Valeriy Bunimov kam wie fast alle in Mecklenburg lebenden Juden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. "Jedes Jahr veranstalten wir einen Tag der offenen Tür", erzählt er. "Gemeinsam mit dem Rabbiner erzählen wir dann zum Beispiel die jüdische Geschichte in Schwerin - die alte und die neue."
Darüber hinaus besuchen das ganze Jahr über Schulklassen und Reisegruppe die Synagoge, Schweriner kommen zu Konzerten und anderen Veranstaltungen wie dem interreligiösen Dialog mit Christen und Muslimen aus der Stadt. Gerade dann ist auch Rabbiner Juri Kadnikov sehr gefragt: "Die Menschen aus der Umgebung haben somit Berührungen zum jüdischen Leben hier in unserer Stadt. Ich treffe auf viele Menschen, die früher hier gelebt haben, zur Schule gegangen sind oder auch das erste Mal hierher kommen: Sie alle interessieren sich für das Judentum oder die Geschichte."
1773 entstand die erste Synagoge
Zu dieser Geschichte gehört, dass 1773 auf diesem Hinterhof eine Synagoge errichtet wurde - die erste im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin. Rund 50 Jahre später bauten die Juden an gleicher Stelle eine zweite, größere Synagoge. Von beiden Gebäude sei nicht viel bekannt, es existiere nur eine Innenansicht, berichtet Stadtarchivar Bernd Kasten. "Es gab im 19. Jahrhundert eine reiche Innenausstattung. Warum soll man etwas von außen verschönern, was so versteckt liegt? Da macht man den Innenraum schön, weil das für die Gemeinde wichtig ist und es einen angemessenen repräsentativen Rahmen für den Gottesdienst gibt."
In der Pogromnacht 1938 nicht in Brand gesteckt
Der relativ kleine Innenhof mit vielen Gebäuden in unmittelbarer Nähe war auch der Grund, warum NS-Horden in der Pogromnacht 1938 die Schweriner Synagoge nicht in Brand steckten. "In erster Linie wurden die Fenster komplett zerschlagen", erzählt Stadtarchivar Bernd Kasten. "Anschließend wurde noch das Dach eingerissen, sodass es reinregnen konnte. Die Zeitung, die um die Mittagszeit am 10. November 1938 gedruckt wurde, schreibt: Die Synagoge sei unbrauchbar gemacht worden. Entsprechend geschah das in den Morgenstunden des 10. November."
Neugründung der jüdischen Gemeinde 1948
In den Wochen darauf wurde das zerstörte Haus durch eine vermutlich von der Stadt beauftragten Firma abgerissen. 1948 gründeten Juden, die den Krieg in sogenannten Mischehen überlebt hatten, mit ehemaligen KZ-Häftlingen eine neue Gemeinde. Die relativ wenigen Juden verzichteten allerdings - vor allem aus Geldmangel - auf den Bau einer Synagoge. Erst der Zuzug jüdischer Emigranten nach der Deutschen Einheit ermöglichte die Neugründung einer Gemeinde in Schwerin und den Wunsch nach einem Gotteshaus.
2008 entstand heutige Synagoge
70 Jahre nach der Zerstörung - im Jahr 2008 - konnte auf den noch existierenden Fundamenten der alten Synagoge eine neue errichtet werden. In den vergangenen zehn Jahren wurde sie nicht nur für Rabbiner Jury Kadnikov zu mehr als nur einem Ort der Versammlung: "Durch die Begegnung mit uns, der jüdischen Kultur und der jüdischen Tradition können wir antisemitische Vorurteile in der Gesellschaft abbauen. Deswegen denke ich, dass diese Synagoge einen 'heilenden Effekt' für die Gesellschaft hat." Dass die Synagoge vor zehn Jahren wieder aufgebaut wurde, sei ein wichtiges Zeichen für Schwerin gewesen, fügt der Rabbiner hinzu. "Die Menschen wollen, dass das Leben hier weitergeht."