Polizeiforschung: Vom "Freund und Helfer" zur KZ-Wache
Historiker der Polizeiakademie Niedersachsen haben die widersprüchliche Geschichte der Polizei in der Weimarer Republik aufgearbeitet. Die Ausstellung ist nächstes Jahr in Lüneburg zu sehen.
In der Serie "Babylon Berlin", die Sonntagabend in der ARD zu sehen ist, geht es um Liebe, Politik und Morde in Zeiten des Aufbruchs - für die Historiker von der Polizeiakademie Niedersachsen aber geht es um mehr: Seit Jahren forschen Historiker Dirk Götting und sein Team zur Geschichte der Polizei in der Weimarer Republik, die als Grundlage diente für die Polizei von heute.
Ausbildung wird zur Voraussetzung
Es ist eine Zeitenwende für die Beamten: Im Kaiserreich wurde mit Säbel und Pickelhaube der Obrigkeit gedient - doch nun steht die Verfassung erstmals in der deutschen Geschichte im Mittelpunkt. "Der Beruf musste ganz neu erfunden, gedacht und geplant werden", erklärt Dirk Götting. Eine Ausbildung wird zur Voraussetzung, überhaupt Polizist werden zu können. Polizeischulen entstehen.
Kriminalistik macht große Sprünge
Das Team der Polizeiakademie hat Fotos von damals zusammengetragen. Beamte lächeln in die Kamera - das Ideal des "Freund und Helfers" soll sich auch beim Bürger etablieren. Die Orden aus dem ersten Weltkrieg verschwinden von der Uniform. Die Kriminalistik macht große Sprünge: tragbare Kameras zur Tatortaufnahme, mobile Sets für Fingerabdrücke, erste Massen-Datensammlungen erhalten Einzug in den Polizeialltag, zu dem dann auch die ersten Frauen gehören.
Zum Instrument der Diktatur
Doch es sind Zeiten des Umbruchs: Extremisten von rechts und links liefern sich Straßenkämpfe. Als die Nazis an die Macht kommen, wird Polizei zu einem Instrument der Diktatur. Dirk Götting hat mit seinem Team von der Polizeiakademie eine Ausstellung konzipiert, die an verschiedenen Orten in Niedersachsen zu sehen ist. Nach Hameln folgt nun Anfang 2021 als nächstes Lüneburg. Die Führungen richten sich nicht nur, aber vor allem an Polizeibeamte. "Wir versuchen uns zu erinnern, was es bedeutet für eine Polizei, wenn eine Demokratie verloren geht. Wenn sich das freiheitliche Klima und die politische Großwetterlage ändern, wenn es radikaler, polarisierter und intoleranter wird und dass man da möglichst auch als Polizei gegenhalten muss."
Familienväter als KZ-Wachen
Die Nationalsozialisten gründen Netzwerke. Die SA wird zur Hilfspolizei. Kritische Beamte werden entlassen - bei sechs Millionen Arbeitslosen macht das Eindruck. Chefposten werden mit Nazis besetzt. Im Konzentrationslager Moringen bei Göttingen gehören Polizisten zu den ersten Wachmannschaften. Ralf Hermes von der Polizei Hameln hat an der Ausstellung mitgearbeitet und ist beeindruckt. "Das waren ja auch ganz normale Familienväter. Das hat sich entwickelt. Und wenn sich etwas entwickelt gibt es immer Punkte, an denen man gegensteuern kann."