Matthias Claudius: Mondsüchtig in Wandsbek
Hamburg erinnert in diesen Wochen an einen weltbekannten Wandsbeker: Vor 275 Jahren, am 15. August 1740, wurde der Dichter und Journalist Matthias Claudius geboren. Mit seinem Abendlied "Der Mond ist aufgegangen" werden bis heute Kinder ins Bett gebracht. Auch der Text des Ernteliedes "Wir pflügen und wir streuen" stammt von ihm. Seine Zeitung, der "Wandsbeker Bote", gilt als Meilenstein der Pressegeschichte.
"Hotel Mama" in Reinfeld
Matthias Claudius wurde in eine Pastoren-Dynastie hineingeboren. Sein Vater hätte es gern gesehen, wenn auch er Geistlicher geworden wäre. Doch nach dem Studium, von dem nicht ganz klar ist, ob er es überhaupt abgeschlossen hat, lebte er wieder jahrelang bei seinen Eltern in Reinfeld. "Wohlwollende Menschen sagen, er habe dort seine Reifezeit gehabt", lacht Bernd Prange vom Reinfelder Heimatmuseum im Gespräch mit NDR 90,3.
Der Dichtername als Marke
Der kleine Ort zwischen Hamburg und Lübeck ehrt seinen berühmten Sohn. Eine Straße, eine Schule, ein Seniorenwohnheim und die Kirchenzeitung - alles was gut, richtig und wichtig ist, trägt seinen Namen. In Reinfeld ist Matthias Claudius ein Gütesiegel - eine echte Marke. Auch wenn er eigentlich nichts über seinen Heimatort geschrieben hat, so ist sich sein Biograf, der Wandsbeker Anwalt Michael Pommerening, sicher, dass Claudius' Texte ohne die Eindrücke seiner Kindheit und Jugend kaum denkbar wären: "In seinen Gedichten hat er immer wieder das einfache Leben der Bauern thematisiert, die mit harter Arbeit und ihrem Glauben ein zufriedenes Leben hatten."
Wandsbek als Sehnsuchtsort
Nach einem trockenen Bürojob in Hamburg holte Graf Schimmelmann Claudius nach Wandsbek, das damals noch nicht zu Hamburg gehörte. Dort, wo heute die Autos über die B 75 durch den größten Hamburger Bezirk brettern, stand damals ein idyllisches Dörfchen. Matthias Claudius gründete eine Tageszeitung - den berühmten "Wandsbeker Boten" - und schuf darin auch eine Art Feuilleton. Der Asmusweg in Wandsbek erinnert bis heute an das Pseudonym, unter dem er immer wieder Texte veröffentlichte. Aber auch Beiträge von Lessing, Herder und Goethe konnte man lesen. "Die Zeitung machte Wandsbek zum berühmtesten Marktflecken Deutschlands", erzählt Michael Pommerening. Doch das Blatt war zu anspruchsvoll. Der "Wandsbeker Bote" war mit nur 400 Abonnenten finanziell ein Flop. Nach dem Rückschlag arbeitete Claudius einige Jahre in Darmstadt, kehrte aber bald wieder nach Wandsbek zurück.
Matthias Claudius stirbt am Hamburger Jungfernstieg
"Seid fruchtbar und mehret Euch!" - Das hat der fromme Mann aus der norddeutschen Pastoren-Familie wörtlich genommen. Claudius hatte mit seiner Frau Rebekka zwölf Kinder, von denen ihn neun überlebten. Er starb mit 75 Jahren im Haus seines Schwiegersohnes am Jungfernstieg in der Hamburger Innenstadt. Neben seiner Frau Rebekka liegt er auf dem historischen Friedhof in Wandsbek begraben.
"Der Mond ist aufgegangen" - nur wo?
Bis heute streiten sich mehrere Orte darum, wo Claudius sein berühmtes Abendlied gedichtet hat. Die Reinfelder schwören, er habe die Inspiration in einem großen Tannenwald am Ortsrand bekommen, in Darmstadt haben sie in einem Wald sogar ein Schild aufgestellt. Die Wandsbeker Version ist vielleicht die schönste. "Er lag gern im Wandsbeker Gehölz auf der Erde, hat den Nachtigallen zugehört und dann den Mond hier stehen sehen", erzählt Hans Jürgen Backhaus vom Bürgerverein.
Skepsis gegenüber der Französischen Revolution
Claudius war kein Revoluzzer. Die Französische Revolution empfand er als Bedrohung. Aber er war auch ein kritischer Geist. "Er hat ein Gedicht gegen Sklaverei veröffentlicht", berichtet Pommerening, "dabei war Graf Schimmelmann ein Sklavenbesitzer. Das war schon mutig!" Er war nie reich, aber fast immer glücklich. Matthias Claudius ist so etwas wie der Schutzheilige der Genügsamen. Manchmal wird er als frommer Biedermann verspottet. Schnell übersieht man dabei seine Feinsinnigkeit und Größe.