Markthalle: Wo Hamburg auf die Ohren kriegt
"Für mich ist immer noch jede Veranstaltung und jedes Konzert aufregend. Die Markthalle ist mein Zuhause geworden", sagt Evelyn Mommsen, die schon seit 38 Jahren im Kultur-und Veranstaltungszentrum in der Hamburger Innenstadt arbeitet. Kuriose Geschichten mit Musikern habe sie einige erlebt, "aber was hier in der Markthalle passiert, bleibt auch in der Markthalle", schmunzelt die 59-Jährige. Stars hat sie hier viele gesehen. Silvester 1976 gab es das erste Konzert. Seit 1977 sind zahlreiche Künstler und Bands in dem roten Backsteingebäude am Klosterwall aufgetreten, bevor sie ihre Weltkarriere starteten. Ob Metallica, Oasis, Nirvana, Bryan Adams, Motörhead, Red Hot Chili Peppers oder R.E.M. - die Liste ist lang. In diesem Jahr feiert die Markthalle ihren 40. Geburtstag - und blickt auf mehr als 10.000 Veranstaltungen mit über zwei Millionen Besuchern zurück. Es gibt wohl kaum einen Musikfan aus Hamburg und Umgebung, der nicht schon einmal auf den Stufen der Markthalle mit der Rundbogenbühne gestanden hat. Sie wurde ursprünglich als Blumenhalle des Großmarktes genutzt und in den Jahren 1913 und 1914 von Fritz Schumacher erbaut.
"Angefangen habe ich in der Markthalle 1979, da stand ich als Aushilfe hinter dem Tresen, als Hans Herbert Böhrs und Lutz Ackermann bei 'Disco Total' aufgelegt haben", erinnert sich Evelyn Mommsen, die sich heute um die Vermietung und Veranstaltungen kümmert. "Für mich als Land-Ei - ich komme aus dem kleinen Ort Sörup bei Flensburg - war das damals etwas Besonders. Ich war fasziniert, was es alles für Konzerte gab. Ich habe mir in der ganzen Zeit viel Zufriedenheit geholt. Die Gemeinschaft ist toll. Und ich bin immer noch gerne hier - auch als Gast." Besonders die Auftritte von Roger Chapman haben ihr damals gefallen, aber auch die zahlreichen Punk-Konzerte. "Einige Punks hat man vor den Konzerten am Bahnsteig gesehen, sie haben sich den Eintritt erbettelt. Später liefen dann oft ihre Ratten durch unsere Räume", erzählt Walter Braun, ebenfalls ein echtes Markthallen-Urgestein. Der 71-Jährige ist seit 1983 dabei und ist Technischer Leiter. "Das ganze Team funktioniert gut - aber ohne die beiden läuft hier nichts", betont Mike Keller, Geschäftsführer der Markthalle.
Highlights zu Beginn: AC/DC, Iggy Pop, The Ramones - und Bukowski
Eröffnet wird das Veranstaltungszentrum in der Markthalle, die zuvor jahrelang leer stand, am Silvestertag 1976 mit einem Konzert der Krautrock-Gruppe Embryo. Noch bevor die beiden langjährigsten Mitarbeiter anfangen, stehen schon viele spätere Weltstars auf der Bühne. Im ersten Jahr sind es Status Quo, Iggy Pop, AC/DC und B.B. King. Die US-Punkband The Ramones spielt 1978 ihr erstes Konzert auf deutschem Boden. Weiterer Höhepunkt im zweiten Jahr ist die Lesung des US-Kultautors Charles Bukowski - seine einzige außerhalb Nordamerikas. Dabei wird er in der ausverkauften Markthalle von über 1.000 Fans wie ein Rockstar gefeiert.
1980: The Police, Simple Minds, The Cure und Westernhagen
Die WDR-Rockpalast-Konzerte sind in den 1980er-Jahren Jahren eine wichtige Anlaufstelle im Fernsehen für Musikfans - in der Markthalle finden Aufzeichnungen mit The Police, INXS, The Smiths, BAP oder Trio statt. "Im Frühjahr und Herbst waren im Rheinland alle Hallen wegen Karneval ausgebucht, da ist der WDR auch mal nach Hamburg gekommen", so Braun.
1980 sind die Simple Minds und The Cure zu Beginn ihrer Weltkarriere zu Gast. Im gleichen Jahr präsentiert Marius Müller-Westernhagen sein Album "Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz". "Westernhagen hat hier vorher mehrere Tage lang seine Show vorbereitet. So etwas gibt es ja heutzutage nicht mehr. Das war schon interessant", erzählt Braun.
Erstes Deutschland-Konzert von Depeche Mode
Das erste Konzert von Depeche Mode vor deutschem Publikum am 25. September 1981 ist bis heute legendär. Noch immer werden deshalb regelmäßig Depeche-Mode-Partys in der Markthalle gefeiert. Auch die Partyreihe "Return Of The Living Dead" ist nicht wegzudenken, seit 1991 trifft sich hier die Gothic-Szene. Weiteres Highlight ist seit 1993 die Hamburger Tattoo Convention.
Proteste beim Clash-Konzert - Sänger festgenommen
Berühmt-berüchtigt sind vor allem die Punk-Konzerte in der Markthalle. The Clash stellen bei ihrem ausverkauften Konzert am 19. Mai 1980 ihr legendäres Album "London Calling" vor. Es gibt aber Proteste gegen die Band, die einen Plattenvertrag mit dem Majorlabel CBS abgeschlossen hatte. Sie gelten in der Punkszene als "Verräter". Das Konzert steht kurz vor dem Abbruch, wird aber auf Anordnung der Polizei zu Ende gebracht, um weitere Ausschreitungen zu verhindern. Nach dem Konzert wird Sänger Joe Strummer kurzzeitig festgenommen, da er einen Punk, der ihn auf der Bühne attackiert, mit seiner Gitarre verletzt.
"Die Polizei war häufig hier damals"
"Die Polizei war oft hier damals" erinnert sich Evelyn Mommsen. Aufregung gibt es auch beim Konzert der Toy Dolls am 14.Januar 1983: Als Punks von allen Seiten das Gebäude stürmen, kann Schlimmeres nur durch einen Polizeieinsatz verhindert werden.
Aufregung gibt es für Techniker Walter Braun auch bei einem Konzert der Metalband W.A.S.P. aus Los Angeles. "Die haben mit Pyrotechnik bei der Probe zwei Fenster über der Bühne weggesprengt. Dann haben sie gedroht, das Konzert ausfallen zu lassen, wenn ich es nicht repariere - da habe ich einfach ein Türblatt vor das Fenster geschraubt." Braun muss in den Anfangsjahren auch oft einschreiten, weil die Stromversorgung während der Konzerte schlapp macht, weil die Bands mit zu viel Power spielen.
Keller löst langjährigen Chef Landt ab
Auch Mike Keller war die Markthalle schon lange vor seinem Amtsantritt ein fester Begriff. Sein erster Besuch war 1989. "Da bin ich aus meiner Heimatstadt Essen nach Hamburg gefahren, um Ruby Turner zu sehen." Der 49-Jährige, der zuvor vier Jahre eine große Veranstaltungsarena in Berlin geleitet hat und auch schon für Konzertveranstalter Karsten Jahnke arbeitete, ist seit Dezember 2013 Nachfolger von Wolfgang Landt, der 35 Jahre lang Chef der Markthalle war.
"Ich musste erstmal viel aufarbeiten", erklärt Keller. Er hatte zunächst vor allem mit der Instandhaltung der Räumlichkeiten - rund 3.500 Quadratmeter - zu tun. Die Sanitärbereiche wurden vollständig saniert, auch die Garderobe und die Tresen wurden umgestaltet. "Dennoch ist das Ambiente von früher noch da. Das wollen wir erhalten. Für mich ist die Vielseitigkeit besonders an der Markthalle. Man kann sich die Veranstaltungen so bauen, wie man möchte", erklärt der Geschäftsführer, der sich im Jubiläumsjahr vor allem auf das Konzert von Paul Weller am 30. Mai freut.
Auch in Zukunft will er in der Markthalle auf verschiedene Musikrichtungen setzen - von Heavy Metal, Rock, Punk, Gothic, Indie bis Pop. Aber auch andere Veranstaltungen wie Comedy oder Wrestling soll es weiter geben.
"Ein geschichtsträchtiger Ort"
Die Vielfalt der Veranstaltungen fasziniert auch Walter Braun noch immer. "Die Markthalle steht zudem mitten in der Stadt im ehemaligen Stadtgraben. Das fand ich schon immer toll. Sie hat viel mit Hamburg zu tun - und ist in vielerlei Hinsicht ein geschichtsträchtiger Ort."