Geschichte des Hamburger Wahlrechts bis 1919
Die Bürgerschaft war in Hamburg seit dem Mittelalter eine Versammlung aller Einwohner mit Grundbesitz, die nur selten zusammentrat, um in wichtigen Fragen zusammen mit dem Rat der Stadtrepublik zu entscheiden. Erst die Forderung der bürgerlichen Revolutionäre von 1848 nach allgemeinen Wahlen führte auch in Hamburg zu einer Verfassungsänderung. Die Bürgerschaft wurde 1859 zur parlamentarischen Institution, zu deren Aufgaben die Wahl der Senatoren gehörte.
Nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung darf wählen
Die 192 Bürgerschaftsabgeordneten waren jedoch nur bedingt demokratisch gewählt. Bürger, deren Jahreseinkommen mindestens 1.200 Mark betrug, bestimmten 84 der Abgeordneten, 48 wurden von Grundbesitzern gewählt, 60 von Notabeln, also Bürgern mit einem Ehrenamt wie etwa Handelsrichter. Erfüllten Wahlbürger alle drei Voraussetzungen, konnten sie drei Stimmen vergeben. Insgesamt durften aber nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung wählen. 1879 wurde die Zahl der 160 Abgeordneten auf 160 gesenkt, von denen 80 von Wahlbürgern mit mindestens 1.200 Mark Einkommen, je 40 von Grundbesitzern und Notabeln gewählt wurden. Am Wahlrecht änderte sich jedoch nichts.
Sozialdemokraten werden lange benachteiligt
So blieben die Kaufleute, Reeder und Fabrikbesitzer jahrelang unter sich. Statt politische Debatten zu führen, verständigten sie sich zumeist über den Ausgleich ihrer wirtschaftlichen Interessen. Doch die Arbeiterschaft wuchs in den Jahren der Industrialisierung und Hafenerweiterung. Sie verlangte nach politischer Teilhabe, gerade in Hamburg, das um 1900 als "Hauptstadt des deutschen Sozialismus" galt. Bei den Reichstagswahlen, bei denen alle volljährigen Männer wählen durften, gewannen die Abgeordneten der SPD regelmäßig die drei Hamburger Wahlkreise. Die Sozialdemokraten kamen hier auf 60 Prozent der Wählerstimmen.
Demokratische Wahlen erstmals 1919
1901 wurde der erste Sozialdemokrat in die Bürgerschaft gewählt, 1904 folgten zwölf weitere Abgeordnete. Um die SPD von der Macht fernzuhalten, beschlossen Bürgerschaft und Senat 1906 jedoch eine Verschärfung des Wahlrechts: 48 der 80 Abgeordneten aus der ersten Gruppe wurden nun von Bürgern gewählt, die über mindestens 2.500 Mark Jahreseinkommen verfügten, 24 Abgeordnete von Bürgern mit 1.200 bis 2.500 Mark Jahreseinkommen und acht Abgeordnete von Wahlbürgern aus den Hamburger Landgebieten wie dem Amt Ritzebüttel (Cuxhaven). Ein demokratisches Wahlrecht für Männer und Frauen, mit freien, geheimen und gleichen Wahlen, wurde erst im März 1919 eingeführt, nach dem Ersten Weltkrieg und der Revolution.