Ernst Moritz Arndt © akg-images Foto: akg-images

Ernst Moritz Arndt: Demokrat oder Antisemit?

Stand: 26.12.2019 17:42 Uhr

Welcher Gesinnung der Schriftsteller und Historiker Ernst Moritz Arndt war, ist bisher nicht eindeutig geklärt. Historiker kritisieren, Arndt sei antisemitisch und nationalistisch gewesen. Sie sehen in ihm aber auch einen demokratischen Vordenker.

Ernst Moritz Arndt wurde am 26. Dezember 1769 in Groß Schoritz auf Rügen geboren. Sein Vater, der sich aus der Leibeigenschaft freigekauft hat, schickte seinen Sohn auf das Gymnasium im Stralsunder Katharinenkloster, später studierte Arndt in Greifswald und Jena unter anderem evangelische Theologie. Als Historiker, Völkerkundler, Sprach- und Naturwissenschaftler widmete er sich der Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern. Es folgten Schriften gegen Napoleon, wie etwa "Geist der Zeit", in denen er gegen den französischen Despotismus aufbegehrte.

Ernst Moritz Arndt: "Was ist des Deutschen Vaterland?"

Als sich Preußen am Krieg gegen Napoleon beteiligte, verfasste Arndt weitere Schriften und Lieder, in denen er zum Kampf gegen den "Antichristen" Napoleon und Frankreich aufrief. In dieser Zeit entstand unter anderem das Lied "Was ist des Deutschen Vaterland?", in dem Arndt die Deutsche Einheit forderte - den Zusammenschluss aller deutschsprachigen Länder Europas zu einem großen Nationalstaat.

Arndts Hauptinteresse galt zu dieser Zeit dem Volk aus historischer und politischer Perspektive. Im Gegensatz zum späteren Nationalismus stand bei ihm allerdings nicht die Herrschaft eines Volkes über andere im Fokus. Mit seinem Begriff der Volksfreiheit oder auch "unverletzlichen Volkspersönlichkeit" bezog er vielmehr Stellung gegen Fremdherrschaft im Allgemeinen - und gegen die fremdherrschaftliche Bevormundung Deutschlands im Besonderen.

Wegen seines Aufbegehrens gegen die Leibeigenschaft verstehen Historiker Arndts Begriff der Volksfreiheit auch als antifeudale Haltung.

Nationale und antisemitische Töne in Arndts Schriften

Trotz des grundsätzlich eher freiheitlichen Grundgedankens finden sich in seinen politischen Schriften teilweise antisemitische Töne, vor allem aber nationale.

"Der Germane und die von ihm durchschwängerten und befruchteten Romanen sind die einzigen, welche den Himmelskeim durch Theologie und Philosophie zum rechten Sprießen und Blühen gebracht haben und welche die Reste der alten eingeschlafenen und wenig theilnehmenden Welt und die an- und umwohnenden Völker fremder Art als Allherrscher beleben und leiten." Ernst Moritz Arndt: "Versuch in vergleichender Völkergeschichte"

In einem seiner Briefe schrieb er, deutsches und jüdisches Blut dürften sich nicht vermischen:

"[Wir] würden am Ende mit unseren Israeliten wohl fertig, da so viele durch den Übergang zum Christentum sich allmählich in unserem Volke verlieren; aber die Tausende, welche die russische Tyrannei uns nun noch wimmelnder jährlich aus Polen auf den Hals jagen wird, das ist eine sehr ernste Frage und unsere Regierung müßte gegen solche Eindränge und Einschliche viel strengere und härtere Maßregeln ergreifen, als sie thut." Ernst Moritz Arndt

Liederdichter und Vordenker der Demokratie

Aber auch skeptische Töne gegen das Deutsche sind in Arndts Texten zu finden. In seinen spannenden Reiseberichten, aus Schweden, Frankreich, Ungarn schilderte er begeistert den Blick in fremde Kulturen. Bekannt ist Ernst Moritz Arndt auch als Liederdichter, von denen einige im Evangelischen Gesangbuch zu finden sind.

Im Jahr 1800 wurde Arndt Privatdozent für Geschichte in Greifswald, verfasste Schriften über Demokratie, Bildungswesen und zahlreiche Gedichte. 1841 wurde er zum Rektor der Bonner Universität berufen, sieben Jahre später zog er als Abgeordneter der Nationalversammlung in die Frankfurter Paulskirche ein.

"Donald Trump des deutschen frühen Nationalismus"

Im Laufe seines Lebens und in seinen Schriften offenbarte Arndt also mehrere Gesichter. Nationalist, demokratischer Vordenker, Gegner der Leibeigenschaft - was davon stimmt nun eigentlich? "Er war von allem ein bisschen", so der Politikwissenschaftler und Historiker Niels Hegewisch. "Wenn man es überspitzt ausdrücken möchte, ist Arndt der Donald Trump des deutschen frühen Nationalismus gewesen. Er hat lange gelebt und viel gesagt - und jeder kann sich bei ihm herauspicken, was ihm passt." Genau deswegen könne man sich über den historischen Arndt lange streiten. "Es gibt gute Gründe, ihn positiv zu bewerten. Und es gibt gute Gründe, ihn negativ zu bewerten."

Von zwei deutschen Diktaturen instrumentalisiert

Interessant sei, dass Arndt sowohl von den Nationalsozialisten als auch von der DDR instrumentalisiert wurde. "Zwei deutsche Diktaturen haben dieselbe Person und teilweise dieselben Werke, dieselben Zitate und Ansatzpunkte verwendet, um ihre Ideologie zu rechtfertigen", so Hegewisch.

Gerade deshalb gebe es auch Stimmen, die Arndt gewissermaßen als "Stolperstein in der deutschen Geschichte" sehen und die Frage aufwerfen, ob man sich nicht systematischer mit ihm beschäftigen sollte.

Uni Greifswald ändert nach Debatte ihren Namen

Diese Einordnung gab Hegewisch, als die Frage nach Arndts Gesinnung erneut zu einer folgenreichen Debatte unter Wissenschaftlern, Studenten und Bürgern in Greifswald führte. Die Nationalsozialisten hatten die Universität in Greifswald 1933 nach Arndt benannt. Er habe "als Student und Hochschulprofessor stets für die Freiheit, die Ehre und die Macht des Deutschen Vaterlandes an erster Front gekämpft", hieß es damals vom Regime. 2017 protestierten unter anderem Studierende in Greifswald und forderten eine Umbenennung der Universität. 2018 hat sich die Universität Greifswald nach langen Verfahren schließlich entschlossen, den Namen "Ernst Moritz Arndt" - weitgehend - abzulegen.

Ernst Moritz Arndt starb am 29. Januar 1860, wenige Wochen nach seinem 90. Geburtstag, in Bonn. Ob die Debatte um die Auslegung seiner Schriften an anderer Stelle noch einmal neu entflammt, bleibt abzuwarten.

Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 24.02.2019 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Neuzeit

Mehr Geschichte

Gründungsfeier der FDJ im Berliner Friedrichstadtpalast am 8. November 1947 © picture-alliance / dpa Foto: rf

Vor 35 Jahren: "Abgesang" auf die DDR-Jugendbewegung FDJ

Am 4. November 1989 singen Schauspieler im Schweriner Staatstheater noch einmal die alten FDJ-Lieder. Fünf Tage später fällt die Mauer. mehr

Norddeutsche Geschichte