Einfach losziehen, die Welt erobern
Keyboard, Gitarre, Schlagzeug - und das ist noch nicht alles. Hagen Schulz-Zachow singt und produziert auch. Bei NDR 1 Radio MV sorgt er jeden Freitag für einen tollen Wettersong. Musik ist seine Leidenschaft. Sie hat ihn auch dazu gebracht, 1989 aus der DDR zu fliehen. 2.500 Kilometer fuhr er von Schwerin nach Hamburg - in einem knallgelben Moskwitsch.
In Schwerin geboren, in der DDR Musik studiert und 1989 Solo-Pauker am Theater in Stendal. Das klingt nach sicherem Job. Warum wollten Sie weg?
Hagen Schulz-Zachow: Dazu muss ich sagen, dass ich in der DDR nicht angeeckt bin. Ich bin nicht aus politischen Gründen abgehauen, sondern weil ich einfach losziehen wollte in die Welt. Die Arbeit hat zwar Spaß gemacht, das fetzt schon klassische Musik zu machen, und das als Pauker. Aber ich hing in Stendal mit den alten Leuten im Orchester fest. Ich bin da ein bisschen versauert. Ich dachte, dass ich zu jung bin für den Laden. Und deswegen hat sich ein bisschen Frust aufgebaut und ich wollte weg.
In welcher Situation haben Sie dann entschieden, dass Sie den Schritt wirklich wagen wollen?
Schulz-Zachow: Ich habe zu der Zeit auch in Schwerin eine Band gehabt. Mit einem Musiker-Kollegen habe ich abends Bier getrunken, und der meinte: "Ich halte das hier nicht mehr aus, ich haue ab! Das geht ja jetzt über Ungarn". Und da habe ich zu ihm gesagt: "Weißt du was, da komme ich mit!" Und so kam das dann, dass wir quasi in Bierlaune gesagt haben: "Wir machen rüber!" (lacht). Am nächsten Tag haben wir dann noch mal besprochen, ob wir das wirklich wollen und dann haben wir das Visum beantragt.
Vor den Eltern haben Sie beide das Fluchtvorhaben geheim gehalten. Wie war die Verabschiedung?
Schulz-Zachow: Ich glaube, das war ein Samstag. Da war ich am Vormittag bei meiner Familie in Schwerin zum Mittagessen. Danach bin ich zum Zug, um nach Stendal zu fahren. Ich wusste ja, dass ich auf ungewisse Zeit abhaue, meine Eltern nicht. Ich konnte mir nichts anmerken lassen und habe gesagt: "Bis dann" oder "Tschüss". Aber es war eigentlich schon mehr ein "Lebewohl". Nicht so krass, aber man hat echt nicht gewusst, wie das weitergeht.
Wann ging die Fahrt in Richtung Ungarn dann los?
Schulz-Zachow: Ich habe noch die erste Premiere in Stendal gespielt, weil ich meine Kollegen nicht im Stich lassen wollte. Die ging ungefähr bis halb elf Uhr abends. Dann hat mein Kumpel mich mit dem Auto eingesammelt und wir sind direkt von der Premierenfeier in Richtung Tschechoslowakei zur Grenze gefahren. Das war der zittrigste Moment überhaupt, weil dort die DDR-Grenzer standen. Das war brenzlig. Die hatten uns zwar ein Visum gegeben, aber wir dachten: Ist das jetzt vielleicht ein Test? Wenn die es drauf anlegen, dann sind wir fällig. Wir mussten auch den Kofferraum aufmachen. Da haben die Grenzer dann ein Zelt gefunden und alles, was man so dabei hat, wenn man so tut als ob man in den Urlaub fährt. Aber das ging gut und wir haben uns zum ersten Mal an diesem Abend gefreut.
Und von dort aus wollten Sie eigentlich durch die Tschechoslowakei nach Ungarn und in Budapest in die Botschaft?
Schulz-Zachow: Wir waren auf der Autobahn und haben im Radio gehört, dass Ungarn seine Grenze zu Österreich öffnet. Da dachten wir: Das passt ja gut! Und so sind wir nach der tschechisch-ungarischen Grenze direkt rechts in Richtung Österreich abgebogen. Die Grenze von der Tschechoslowakei nach Ungarn war ganz easy. Die Grenzer haben sich eher amüsiert darüber, als wir meinten, dass wir am Balaton Urlaub machen wollten. Die meinten nur: "Ja, fahrt mal, schon klar, was ihr vorhabt". Und dann sind wir gleich zum Grenzübergang Ungarn-Österreich.
- Teil 1: Beim Bier entschieden: "Ich haue ab."
- Teil 2: Knallgelber Moskwitsch auf hanseatischem Campingplatz