Bauhaus-Architektur in der Fachwerk-Stadt Celle
Celle hat mehr zu bieten als prächtige Fachwerkhäuser: Der Architekt Otto Haesler schuf dort in den 1920er-Jahren Gebäude im Bauhaus-Stil, darunter farbenfrohe Wohnhäuser und die Altstädter Schule.
Bei den Stichworten Celle und Architektur denkt fast jeder an Fachwerkhäuser. Tatsächlich stehen in der Südheide-Stadt Hunderte gut erhaltene Fachwerkgebäude aus mehreren Jahrhunderten. Weniger bekannt ist dagegen, dass Celle auch eine Verbindung zur Bauhaus-Architektur hat. Sie geht auf Otto Haesler zurück, der in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts dort lebte und arbeitete. Neben mehreren Gebäuden im Bauhaus-Stil erinnert ein kleines Museum an Haesler.
Siedlungen gegen die Wohnungsnot
Der Architekt und Städtebauer Haesler, 1880 in München geboren, ließ sich 1906 als Selbstständiger in Celle nieder. Nach dem Ersten Weltkrieg verschrieb er sich der Idee, mit einem neuen Baustil die große Wohnungsnot lindern zu helfen. Für die Siedlungen "Italienischer Garten", "Georgsgarten" und "Blumläger Feld" entwarf Haesler helle, funktionale Gebäude mit zunächst geräumigen, später vielfach kleinen Wohnungen. Dabei orientierte er sich nicht am Fachwerkstil in der Stadt, sondern an den klaren, kubischen Formen der aufkommenden Bauhaus-Architektur. Gemeinschaftsflächen, Gärten und Einrichtungen wie Kindergarten und Cafeteria sollten das soziale Leben in den neuen Siedlungen fördern. Die Häuser setzten neue Maßstäbe in der Architektur.
Museum mit original Musterwohnungen
Teile der noch heute modern anmutenden Gebäude sind weitgehend im Originalzustand erhalten. Manche Grundrisse wurden allerdings in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Kleinstwohnungen mit manchmal nur sechs Quadratmeter großen Zimmern waren nicht mehr zu vermieten. In der Siedlung "Blumläger Feld", südöstlich der Celler Altstadt, zeigt das Haesler-Museum, wie Menschen in den 1930er-Jahren lebten. In einem Wohnhaus blieben zwei Wohnungen aus jener Zeit unverändert erhalten und wurden mit originalen Einrichtungsgegenständen möbliert und ausgestattet. Vom Klappbett über Geschirr bis zum Zeitungspapier in der Toilette können Besucher nachvollziehen, wie bescheiden wenig begüterte Familien damals lebten.
Wasch- und Badehaus für die Siedlung
Im Keller des Gebäudes sehen Besucher eine Notwohnung für Kriegsheimkehrer aus dem Jahr 1945 - kaum mehr als ein karg möblierter Verschlag. Eine weitere Wohnung wurde im Stil der 1950er-Jahre mit Nierentisch und Plattenspieler dekoriert. Geduscht und Wäsche gewaschen wurde im gemeinsamen Wasch- und Badehaus der Siedlung, das ebenfalls besichtigt werden kann. Außerdem zeigt das Museum zahlreiche Fotos vom Leben in der Arbeitersiedlung.
Altstädter Schule: Bedeutende Bauhaus-Architektur
Neben den Wohnsiedlungen schuf Haesler die Altstädter Volksschule, auch Glasschule genannt. Die kubischen, mit farbigen Akzenten strukturierten Gebäude aus den Jahren 1927/28 unterschieden sich deutlich von den bis dahin üblichen Schulgebäuden im üppigen Gründerzeit-Stil. Das gilt auch für das angrenzende Rektorenhaus sowie das einstige Wohnhaus des Direktors des Gymnasiums. Die Schule wird noch immer als Grundschule genutzt und gilt als einer der bedeutendsten Bauten des Bauhaus-Stils. Otto Haesler löste 1934 sein Büro in Celle auf und zog nach Eutin. 1962 starb er in Wilhelmshorst bei Potsdam.