Zensus: Wie leben die Schleswig-Holsteiner?
Einwohnerzahlen, Mietpreise, Familiengrößen: Die Zensus-Ergebnisse aus Schleswig-Holstein verraten so einiges über den Lebensalltag der Menschen im Land. So gibt es auf Helgoland besonders viele Singles und in Kiel viele Abiturienten.
Die statistischen Ämter des Bundes und der Länder haben die Ergebnisse des Zensus veröffentlicht. Die Volkszählung findet alle zehn Jahre statt und soll verlässliche Bevölkerungs- und Wohnungsdaten liefern. 2022 wurden dafür deutschlandweit Daten aus Verwaltungsregistern digital gesammelt und eine Stichprobe von zwölf Prozent der Bevölkerung persönlich gefragt. Allein in Schleswig-Holstein machten über eine Millionen Menschen Angaben zu sich, ihrer Wohnsituation und ihrer Berufstätigkeit.
Die wichtigsten Zensus-Ergebnisse für Schleswig-Holstein im Überblick:
20.000 Schleswig-Holsteiner weniger als gedacht
Insgesamt leben in Schleswig-Holstein etwas weniger Menschen als bisher angenommen: Laut den Zensus-Zahlen gab es im Mai 2022 2,93 Millionen Einwohner in Schleswig-Holstein - 20.000 (0,6 Prozent) weniger als bisher gedacht.
Der Unterschied lässt sich so erklären: Bei einem Zensus wird relativ genau durchgezählt, wer in einer Gemeinde, einem Kreis und Bundesland lebt. Das passierte zuletzt 2011. In der Zwischenzeit arbeiten die Statistikbehörden mit sogenannten Fortschreibungen: Jeder Mensch, der in der Zwischenzeit wegzieht oder verstirbt, wird abgezogen und jeder Neugeborene und Zuziehende hinzugerechnet. Doch die Melderegister sind nicht perfekt. Wer sich nicht abmeldet und wegzieht, lebt für die Behörden noch in seinem früheren Wohnort. Mit dem neuen Zensus sollen die staatlichen Daten wieder näher an die Realität kommen - und eine genauere Grundlage für Debatten und Planungen bieten.
Anteil von SH an der Gesamtbevölkerung größer als angenommen
Unterm Strich ist die Bevölkerungszahl in Schleswig-Holstein jedoch weniger stark gestiegen als von amtlichen Statistikern errechnet. Noch höher klaffen Erwartungen und Wirklichkeit bei der Entwicklung der Gesamtbevölkerung auseinander. So leben in Deutschland nur 82,7 statt 84,1 Millionen Menschen. Das wiederum bedeutet: Der Anteil von Schleswig-Holstein an der Gesamtbevölkerung ist größer als gedacht. Das Land könnte deshalb mehr Geld aus dem Länderfinanzausgleich bekommen.
Die Landeshauptstadt Kiel hat mit 249.132 etwa 5,6 Prozent mehr Einwohner als beim letzten Zensus vor zehn Jahren. Das sind sogar 2.700 Menschen mehr, als die Stadt durch die Bevölkerungsfortschreibung erwartet hatte. Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) bewertet das Wachstum der Stadt positiv: "Das freut uns sehr, zumal diese Zahlen die Berechnungsgrundlage für den kommunalen Finanzausgleich sind. Die Ergebnisse aus dem Zensus haben so positive Effekte für den Kieler Haushalt."
Kreis Segeberg hat 5.700 Einwohner weniger
Auch die Zahlen in den Gemeinden, Städten und Kreisen haben sich verändert. Von den Kreisen und kreisfreien Städten haben nur Kiel und Flensburg mehr Einwohnerinnen und Einwohner als erwartet. In den meisten Kreisen und kreisfreien Städten in Schleswig-Holstein wurden durch diese Fortschreibung von mehr Einwohnenden ausgegangen, als durch den neuen Zensus letzendlich ermittelt wurde. Im Kreis Segeberg sind es ganze 5.700 Menschen weniger als gedacht.
Jörg Bülow vom schleswig-holsteinischen Gemeindetag vermutet, dass das mit der Landesunterkunft für Geflüchtete in Boostedt zusammenhängt. "Es kann zu Fällen kommen, dass die aufgenommenen Personen im Melderegister als Einwohner angemeldet werden und dann beim Wechsel aus der Einrichtung heraus nicht wieder abgemeldet werden." Und tatsächlich leben allein in der Gemeinde Boostedt laut Zensus mehr als 1.600 Menschen weniger als vorher angenommen.
Nach dem Zensus 2011 gab es viele Klagen
Für die Kommunen sind diese Zahlen nicht trivial, denn wie viel Geld sie vom Land bekommen, hängt auch von ihrer Einwohnerzahl ab. Beim letzten Zensus 2011 hatten deutschlandweit 350 Kommunen geklagt. Das wohl prominenteste Beispiel: Flensburg. Hier zählte das Ergebnis des Zensus rund 6.500 Einwohnerinnen und Einwohner weniger als im Melderegister der Stadt standen. Laut Zensus 2022 leben nun 3.000 Menschen mehr in der Stadt als angenommen. Und auch in Elmshorn (Kreis Pinneberg) leben rund 650 Menschen mehr als erwartet.
Nur Dithmarschen schrumpfte zwischen 2011 und 2022
Der einzige Kreis in Schleswig-Holstein, der laut Zensus zwischen 2011 und 2022 nicht gewachsen ist, ist Dithmarschen. Die Zahl ist um 1.190 Einwohner gesunken - auf knapp 133.000. Nach Angaben einer Sprecherin des Kreises ziehen vor allem junge Menschen aus Dithmarschen weg, wegen der beruflichen Perspektive. Dieser Trend hält nach wie vor an, dadurch werde die Bevölkerung in Dithmarschen auch immer älter. Ein Drittel der Dithmarscher ist älter als 60 Jahre alt. Im Kreis Steinburg hingegen konnte die Bevölkerung um 117 zulegen, auf 131.000 Einwohner. Glückstadt kam sogar auf ein Plus von 3,8 Prozent. Deutlicher fiel das Wachstum in Nordfriesland aus - mit 5.000 Einwohnern mehr.
Ausländeranteil wächst
Seit dem letzten Zensus 2011 ist der Anteil an der schleswig-holsteinischen Bevölkerung ohne deutsche Staatsangehörigkeit von 4,2 Prozent auf 8,8 Prozent angestiegen. Das ist ein etwas geringerer Anstieg als im gesamten Bundesgebiet.
Der Anteil der Menschen, die selbst nach Deutschland zugewandert sind - auch diejenigen, die inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft haben - wurde im Zensus 2022 erstmalig erhoben. In Schleswig-Holstein ist der Anteil der Eingewanderten im Hamburger Speckgürtel und in den Städten Kiel, Rendsburg (Kreis Rendsburg-Eckernförde) und Flensburg aber auch in den Tourismusorten Sylt und Sankt Peter-Ording (Kreis Nordfriesland) am höchsten.
Neubau und Leerstand
Für mehr Einwohner muss auch mehr Wohnraum her: Rund neun Prozent der Wohnhäuser in Schleswig-Holstein wurden im letzten Jahrzehnt erbaut. Damit liegt das Land über dem Bundesdurchschnitt von knapp über sieben Prozent. Nur Brandenburg und Bayern haben prozentual mehr Neubauten. Spitzenreiter ist die Gemeinde Wesenberg im Kreis Stormarn. Von 564 Gebäuden mit Wohnraum wurden 152 zwischen 2010 und 2022 erbaut. Somit sind hier ganze 27 Prozent der Gebäude Neubauten.
Knapp drei Prozent der Wohnungen in Schleswig-Holstein stehen leer. Das ist deutlich weniger als im Bundesdurchschnitt. Nur in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg gibt es weniger Leerstand. Am höchsten ist die Leerstandsquote in der Gemeinde Kronsgaard im Kreis Schleswig-Flensburg. Hier gibt es gibt es 228 Wohnungen von denen rund 15 Prozent leer stehen. Am knappsten steht es um den Wohnraum in der Gemeinde Dänischenhagen nörlich von Kiel. Hier steht weniger als ein Prozent der 1.700 Wohnungen leer.
Eigentum und Größe der Wohnungen
Fast die Hälfte (47,6 Prozent) aller Schleswig-Holsteiner lebt im Eigenheim. Schleswig-Holstein liegt damit über dem Bundesdurchschnitt von rund 44 Prozent. In den Städten Kiel und Flensburg leben mit jeweils einem Viertel der Einwohner prozentual die wenigsten im Eigentum.
Im Schnitt sind Wohnungen in Schleswig-Holstein rund 95 Quadratmeter groß. Das ist knapp ein Quadratmeter mehr als im Bundesdurchschnitt. Auf besonders großem Fuß leben die 311 Bewohner der Gemeinde Reußenköge im Kreis Nordfriesland. Der Wohnraum hier ist durchschnittlich 159 Quadratmeter groß.
Teures Pflaster für Mieterinnen und Mieter
Wer in Schleswig-Holstein mietet, zahlt laut Zensus durchschnittlich eine Nettokaltmiete von 7,41 Euro pro Quadratmeter. Damit liegt Schleswig-Holstein leicht über dem Bundesdurchschnitt von 7,28 Euro pro Quadratmeter. Im Kreis Dithmarschen sind die Bestandsmieten mit 6,12 Euro pro Quadratmeter im Durchschnitt landesweit am niedrigsten, im Kreis Stormarn mit 8,65 Euro pro Quadratmeter am höchsten. Hier macht sich die Nähe zu Hamburg, dem Bundesland mit den höchsten Mietpreisen (9,20 Euro pro Quadratmeter), bemerkbar. Die vier teuersten Gemeinden Norddeutschlands liegen alle auf der Insel Sylt mit durchschnittlich bis zu 12,80 Euro pro Quadratmeter. Die günstigsten Bestandsmieten bietet mit 4,80 Euro pro Quadratmeter die kleine Gemeinde Eddelak im Süden von Dithmarschen.
Schleswig-Holstein heizt fossil
Rund 80 Prozent der Wohnungen in Schleswig-Holstein werden mit Gas oder Öl beheizt. Im Bundesdurchschnitt sind es 75 Prozent. Fernwärmeheizungen machen 12,4 Prozent aus, Solar und Geothermie nur 3,3 Prozent. Vorreiter unter den Kreisen und kreisfreien Städten ist bei der Abkehr von fossilen Energieträgern Flensburg. Hier werden über 90 Prozent der Wohnungen mit Fernwärme beheizt.
Immer mehr Schleswig-Holsteiner haben Abitur
In Schleswig-Holstein leben überdurchschnittlich viele Abiturienten. Etwa 33 Prozent der über 15-Jährigen Schleswig-Holsteiner haben eine (Fach-)Hochschulreife. Der Bundesdurchschnitt liegt bei rund 29 Prozent. Und es sind immer mehr Menschen, die in Schleswig-Holstein den höchsten schulischen Abschluss erreichen. Beim Zensus im Jahr 2011 lag der Anteil der Menschen mit Abitur im Land noch bei rund 26 Prozent. In Kiel hat laut Zensus 2022 sogar fast jeder Zweite das Abitur.
Wo die meisten Singles leben
Die meisten Single-Haushalte gibt es laut den neuen Zensus-Daten auf der Insel Helgoland. Hier sind 61% der Haushalte Single-Haushalte. Aber auch Sylt ist eine Single-Hochburg. Bundesweit sind es im Durchschnitt rund 43 Prozent. Am geringsten sind die Erfolgsaussichten bei der Partnersuche in der kleinen Gemeinde Hadenfeld im Kreis Steinburg. Hier sind nur 15 Prozent Singlehaushalte.
Die meisten Ehepaare gibt es in prozentual in der Gemeinde Auufer im Kreis Steinburg. In 71 Prozent der Haushalte leben hier verheiratete Paare. Die wenigsten Ehepaare hat Flensburg mit rund 26 Prozent.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrages hieß es, dass 200.000 Menschen weniger als gedacht in Schleswig-Holstein leben. Korrekt sind 20.000 Menschen weniger.