Kostenfalle Archäologie: Das teure Erbe von Ladelund
Wer in Schleswig-Holstein baut, muss in einigen Gebieten zunächst Archäologen bezahlen - so will es das Gesetz. Die hohen Kosten für Ausgrabungen in Ladelund will die Gemeinde nicht länger hinnehmen.
Nahe der dänischen Grenze, auf der Großbaustelle in Ladelund (Kreis Nordfriesland), herrscht geschäftiges Treiben: Menschen in Warnwesten baggern, schaufeln, graben manchmal mit bloßen Händen - und das schon seit April. Doch mit dem Baugebiet, das hier eigentlich schon längst hätte erschlossen sein sollen, haben diese Arbeiten nichts zu tun. Denn hier buddeln keine Baufirmen, sondern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Archäologischen Landesamtes.
Spektakuläre Funde verzögern Häuserbau
In den vergangenen Monaten hat das Team in Ladelund Spektakuläres zu Tage gefördert: "Ein Haus aus der Bronzezeit - ungefähr 1.000 Jahre vor Christus. Häuser aus der römischen Kaiserzeit. Und vor allem reichlich Besiedlungsbefunde aus der Wikingerzeit", sagt Ausgrabungsleiter Dr. Alexander Maaß. Sogar Spuren eines höhlenähnlichen Grubenhauses habe man gefunden, zum ersten Mal überhaupt in Europa.
Verursacherprinzip: Bauherr muss Kosten für Ausgrabungen tragen
Auch Ladelunds Bürgermeister Lutz Martensen (CDU) wäre eigentlich uneingeschränkt begeistert vom reichen historischen Erbe seiner Gemeinde - wenn es sie nur nicht so arm machen würde: "Wir wussten nicht, dass die Wikiniger hier gelebt haben und dass es hier schon Leben vor der Geburt Jesus Christi gab. Da sind wir natürlich stolz drauf", sagt Martensen. Genauso wenig wusste der Bürgermeister bei der Planung des Projekts allerdings von den 500.000 Euro, die die Ausgrabungen auf der 2,8 Hektar großen Fläche kosten würden. Diese Kosten trägt laut Denkmalschutzgesetz allein der Verursacher. In diesem Fall ist das die Gemeinde Ladelund als Bauherrin.
"Wir sind durch die Ausgrabungen Bedarfsgemeinde geworden. Wir wussten erst gar nicht, wie wir damit umgehen sollen. Das kann doch eigentlich nicht sein, dass man uns damit so alleine lässt. Jetzt sind wir aber so weit, dass wir sagen: Wir finden uns nicht damit ab." Lutz Martensen, Bürgermeister
Gemeinde plant Sammelklage
Jetzt möchte sich die Gemeinde einen Rechtsbeistand holen. "Ich bin in Kontakt mit anderen Gemeinden, die auch Ausgrabungen haben. Zum Beispiel sind auf Föhr ganz aktuell neue Ausgrabungen geplant. Schön wäre es, wenn wir eine Sammelklage hinbekommen, wenn es soweit kommt", sagt Martensen. Die Gemeinde plane nämlich weitere Baugebiete, auch dort seien historische Funde wahrscheinlich. Deshalb brauche es eine faire Finanzierungslösung für Ausgrabungen.
Hat die Klage eine Chance?
Doch die Erfolgschancen einer Klage sind ungewiss. Die derzeitige Gesetzeslage nach dem Verursacherprinzip ist eindeutig. Martensen betont, dass sich sein Ärger nicht gegen die Archäologen richte, sondern gegen die Landespolitik. Es brauche politischen Willen, um eine Beteiligung des Landes an den Ausgrabungskosten zu ermöglichen. Vom zuständigen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur heißt es auf NDR Anfrage, dass es derzeit keine Planungen gebe, an der bestehenden Gesetzeslage etwas zu ändern.
Am Ende zahlen die Grundstücksbesitzer
In Ladelund werden die Ausgrabungskosten wohl an die Besitzer der 41 noch zu erschließenden Grundstücke weitergegeben. Mehrkosten laut Martensen: zwischen 11 und 15 Euro pro Quadratmeter. "Einige Grundstücksbesitzer sind auch schon abgesprungen. Wir haben aber das Glück, dass die Nachfrage hier sehr hoch ist", sagt der Bürgermeister. Bis März muss das Landesamt fertig sein mit seinen Untersuchungen, dann soll hier die Erschließung beginnen.
Es kann auch private Bauvorhaben treffen
Das Denkmalschutzgesetz unterscheidet nicht zwischen privaten und öffentlichen Bauvorhaben. Archäologische Ausgrabungen können also auch auf Hausbauer zukommen. Von rund 3.000 Bauanträgen, die pro Jahr auf den Tischen des Archäologischen Landesamtes landen, kommt es aber nur in 100 Fällen zu archäologischen Voruntersuchungen.
Kosten bis zu mehreren Zehntausend Euro
Die Kosten für so eine Voruntersuchung reichen laut Landesamt von wenigen Hundert bis zu mehreren Zehntausend Euro. Hauptuntersuchungen, also tatsächliche Ausgrabungen wie in Ladelund, gab es im vergangenen Jahr in 25 Fällen. Also bei knapp einem Prozent aller genehmigungspflichtigen Bauvorhaben. "Allgemein gilt natürlich: Je größer die Fläche, desto höher das Risiko einer Ausgrabung", sagt Dr. Ingo Lütjens, der stellvertretende Leiter des Archäologischen Landesamtes.
Bestimmte Gebiete in SH sind besonders betroffen
Auf digitalen Karten veröffentlicht das Landesamt seine Schutzflächen. Bürgerinnen und Bürger können sich dort vor ihren Bauvorhaben über betroffene Gebiete informieren. "Allerdings heißt es nicht, dass die restlichen Flächen frei von Archäologie sind. Es zeigt sich immer mehr, dass gerade auf größeren Flächen, auch immer Hinterlassenschaften des Menschen sind", teilt das Landesamt mit. Es gebe aber regionale Unterschiede: "Als sehr betroffen gelten die Nordfriesischen Inseln und auch der Übergang von der Geest zur Marsch."
Fehmarnbelt hält Rekord
Am teuersten waren mit rund 4,5 Millionen Euro bislang übrigens die Ausgrabungen im Zuge der Bauarbeiten für die Fehmarnbeltquerung. Der Batteriehersteller Northvolt musste für seine Ausgrabungen bei Heide (Kreis Dithmarschen) nach eigenen Angaben drei Millionen Euro bezahlen. Und auch auf die kleine Gemeinde Ladelund könnte bei den nächsten Bauvorhaben noch einiges zukommen.