Zeitreise: Zweitakter aus Pinneberg machen weltweit Furore
Der Gründer der ILO Motorenwerke war ein Fan von Esperanto. Alle Menschen der Erde sollten sich über diese Sprache miteinander verständigen können. Seinem Unternehmen gab er den Namen ILO (Esperanto für "Werkzeug"). Esperanto ist dann zwar nicht Weltsprache geworden. Dafür haben die ILO-Motorenwerke Industriegeschichte geschrieben.
Das, was von den ILO-Motorenwerken übrig geblieben ist, ist überschaubar. Etwa 20 Archiv-Schachteln mit Unterlagen aus fast 80 Jahren Unternehmensgeschichte. Dirk Hilmer pflegt die Motoren-Sammlung des Pinneberg Museums als ehrenamtlicher Mitarbeiter und hat, das wenige, was da ist, sortiert und kategorisiert. Jetzt sucht er sogenannte Expolsionszeichnungen. Darauf ist ein Motor so aufgezeichnet, als sei er explodiert, sodass man fast alle Bauteile eines Motors erkennen könne, erklärt Hilmer. "Es wurde verfügt, dass bei der Schließung der Firma alle technischen Unterlagen vernichtet werden, und das ist für uns heute ein großes Problem."
100 Zweitaktmotoren umfasst die Sammlung
Im Souterrain des Museums befindet sich die ILO-Schau-Sammlung mit mehr als 100 Zweitakt-Motoren. Seit seiner Pensionierung gibt Dirk Hilmer hier Führungen auf Anfrage. Zu jedem Motor kennt er eine Geschichte, so wie die eines Motors, der schon Ende der 1920-er Jahre in Dreiräder der Hamburger Firma Vidal eingebaut wurde, Fabrikat Tempo. Die seien so interessant gewesen, weil sie leistungsstark waren und der Gesetzgeber festgelegt hatte, dass man sie steuerfrei und führerscheinfrei fahren konnte. "Und ILO hat alleine in den Jahren von 1928 bis 1966 278.000 Motoren an die Firma Vidal geliefert."
Mit einer Gleistopfmaschine ging alles los
Heinrich Christiansen hat die ILO-Motorenwerke 1911 gegründet. Erst in Altona und dann - zwei Jahre später - in Pinneberg. Sein erstes Patent war eine Gleisstopfmaschine. Damit verdichteten Arbeiter den Schotter zwischen den Schwellen. Eine enorme Hilfe und ein echter Verkaufsschlager. Die Marke ILO war geboren. Schnell entwickelte die Firma neue Motoren, für Lastenfahrzeuge, Motor betriebene, landwirtschaftliche Geräte und Zweiräder.
ILO schreibt Industriegeschichte
Die Geschichte der ILO-Motorenwerke sei auch eine Industriegeschichte des 20. Jahrhunderts, erzählt Museumsleiterin Caroline Schröder: "Man kann an den Motoren gut ablesen, wie sich fast ein Jahrhundert lang die deutsche Geschichte entwickelt hat." In den zwei Weltkriegen habe die Firma enorm von der Kriegswirtschaft profitiert und nach dem zweiten Weltkrieg dann vom Wirtschaftswunder. Das sei die Blütezeit der Zweiräder gewesen. Jeder habe mobil sein wollen.
Zweirad-Hersteller wie Herkules oder Dürkopp verbauen selbstverständlich ILO-Motoren. Doch bald lösen Pkw die Zweiräder aber ab und ILOs Verkaufszahlen brechen ein.
ILO in US-amerikanischer Hand
Doch als 1957 das amerikanische Unternehmen Rockwell ILO übernimmt, entwickeln sie Motoren für Schneeschlitten. ILO liefert 100-tausende in die USA und nach Skandinavien. Die Firma wird zum größten Zweitaktmotorenhersteller Deutschlands und zum größten Arbeitgeber der Region mit bis zu 1500 Angestellten. In dieser Zeit entwickeln sie einen Motoren für faltbare Mini-Mopeds zum Beispiel, den Aqua-Scooter und Außenbordmotoren, die sogar bis nach Thailand verkauft werden. Ende der 1960er Jahre: eine Blütezeit für ILO.
Das Ende von ILO
Dirk Hilmer beginnt genau in dieser Zeit bei ILO seine Lehre als Maschinenschlosser. "Ein Glück", so empfindet er es noch heute. "Allerdings war es so, dass am Ende der Ausbildung mir nahegelegt wurde, zu kündigen. Oder man wollte mir kündigen, weil es mit den Produktionszahlen zurückging und Personal abgebaut werden musste." Die Konkurrenz aus Japan ist einfach zu stark. ILO wechselt zwar noch einmal der Besitzer. Doch das nützt nichts mehr. Ab 1990 wird die Pinneberger Firma abgewickelt. Ein Jahr später kommt bei einer großen Versteigerung das gesamte Inventar unter den Hammer und die Unterlagen zu den Motoren und Getrieben werden vernichtet, damit sie nicht der Konkurrenz in die Finger kommen.
Die Erinnerung wach halten
Heute ist es an den ILO-Fans, die Erinnerung wach zu halten. Christian Wirkus hilft auch ehrenamtlich im Museum mit. Sein Motorrad - mit einem Motor, Modell ILO-Twin - ist Baujahr 1954. Für ihn ist ILO eine echte Leidenschaft, "weil ich mit ILO aufgewachsen bin.“ Sein Vater arbeitet bei ILO. "Es wurde mir in die Wiege gelegt, und genau das versuche ich so weiterzuleben, wie es die Freizeit zulässt. Und es macht mir eben sehr viel Spaß."
Aber es geht ihnen nicht nur um Spaß, sie wollen die vernichteten Dokumente nach und nach rekonstruieren. Professor Ingwer Ebinger von der HAW Hamburg gibt deswegen seit Jahren Studienarbeiten zu ILO-Motoren und Getrieben in Auftrag. Zum einen, weil er damit die Erinnerung an die Leistungen der ILO-Ingenieure bewahren will und zum anderen hofft er, "dass ich die Studenten und Studentinnen dort mit hineinziehen kann, denn es bietet sich eine unheimlich gute Gelegenheit, erworbenes Grundlagenwissen bei diesen Motoren und den Objekten des ILO-Museums anzuwenden." Sein Student Semir Selmani wird sich den nächsten Monaten mit einem ILO-Getriebe beschäftigen und eine Dokumentation schreiben. Das wird Detektivarbeit werden, aber Christian Wirkus hat ihm eine technische Zeichnung mitgebracht, die ihm bei seinen Berechnungen und der Dokumentation helfen wird.
Der ILO-Park: ein neues Wohn-Quartier
Da, wo die ILO-Motorenwerke einmal gestanden haben, entsteht gerade ein neues Wohnquartier. Der ILO-Park. Das alte Torhaus, Baujahr 1932, steht noch und wird von einem Elmshorner Architekturbüro Denkmalschutzgerecht saniert. In der Eingangshalle des zukünftigen medizinischen Versorgungszentrums soll die ILO-Vergangenheit sichtbar bleiben. Dirk Hilmer und Christian Wirkus haben im technische Zeichnungen von ILO-Motoren mitgebracht. Solche möchte der Architekt in Zukunft in den Treppenhäusern und in den Aufzügen aufhängen. Dirk Hilmer freut sich "Ich find das schon eine tolle Sache. Vor allem, dass wir den folgenden Generationen zeigen können, was hier mal stattgefunden hat." Und so werden die ILO-Motorenwerke, wenn auch nur ein bisschen, weiter existieren.