Mit Stand 31.07.2024 sind laut dem Sozialministerium in Schleswig-Holstein 9.263 Personen ausreisepflichtig, davon verfügen 8.007 Personen über eine Duldung.
Eine Duldung ist die Aussetzung einer Abschiebung. Eine Duldung bedeutet unter anderem, dass der Asylantrag abgelehnt wurde, aber die Ausreise nicht möglich ist. Mögliche Gründe: Die Identität der Person ist unklar, es bestehen keine Flugverbindungen, wegen Krankheit, einer allgemeinen Gefährdungslage im Zielland, aber auch bei Ausbildung, Beschäftigung und Familientrennung.
Von den 8.007 Personen in Schleswig-Holstein mit einer Duldung haben 1.987 keinen Pass oder es ist noch nicht gelungen, ihre Identität zu klären und beim Heimatland Passersatzdokumente zu besorgen.
Ein weiterer erheblicher Anteil kann nicht abgeschoben werden, weil er aus einem Land stammt, in das derzeit Abschiebungen nur in Ausnahmefällen möglich sind: So kommen 710 Personen aus Afghanistan, 664 Personen aus der Russischen Föderation, aus Syrien 613 Personen und dem Iran 588 Personen.
Weitere 1.725 Personen stammen in Schleswig-Holstein derzeit aus dem Irak. Dorthin war jahrelang - mit Ausnahme von Straftätern - keine Abschiebung möglich.
Im Jahr 2023 sind nach Angaben des Sozialministeriums 797 Personen freiwillig aus Schleswig-Holstein ausgereist (2022: 664 Personen). Die Anzahl der zwangsweisen Rückführungen einschließlich der Dublin-Überstellungen betrug im Jahr 2023 403 Personen (2022: 369 Personen).
Lehnt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Asylantrag ab, ist die Person zunächst zu einer freiwilligen Ausreise verpflichtet. Wer das Land freiwillig verlässt, kann bei den Reisekosten finanziell unterstützt werden und bekommt keine Wiedereinreisesperre.
Lässt die betroffene Person die Frist hingegen verstreichen, wird sie zwangsweise abgeschoben. In Schleswig-Holstein ist das Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge (LaZuF) mit Hauptsitz in Neumünster für die Koordination der Abschiebung zuständig, unter anderem auch für Reisedokumente und Flugtickets. Durchgeführt wird die Abschiebung dann von der örtlichen Ausländerbehörde in Zusammenarbeit mit dem LaZuF und der Polizei. Die betroffenen Personen müssen mittlerweile nicht mehr über das Datum der Abschiebung informiert werden.
Eine Vielzahl von Faktoren führt dazu, dass die Verfahren oft scheitern. Einer der von den Kommunen in Schleswig-Holstein am häufigsten genannten Gründe: Die Personen haben keine Reisedokumente, ihre Identität ist nicht geklärt oder sie leisten Widerstand - sind also zum Beispiel nicht auffindbar.
Passersatzpapiere zu organisieren und eine Identität zu überprüfen, scheitert oft an der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Behörden im Zielland. Nahezu unmöglich ist es offenbar Passersatzpapiere in einem Herkunftsland zu beschaffen, zu dem die Bundesrepublik keine oder schlechte diplomatische Beziehungen hat. Auch Staaten, mit denen Deutschland gute diplomatische Beziehungen pflegt, sind nicht immer bereit bzw. verfügen nicht immer über die Kapazitäten, die Betroffenen aufzunehmen (siehe auch "Probleme mit dem Dublin-Verfahren").
Aber auch die praktische Umsetzung der Abschiebung stellt große Hürden dar: Ob ein Rückführungsflug für den Betroffenen gebucht werden kann, hängt von den Kapazitäten der zur Verfügung stehenden Flüge auf Linienfliegern oder Charterflügen ab. Teilweise fehlen direkte Flugverbindungen. Und selbst wenn ein entsprechender Flug gebucht werden konnte, weigern sich viele Fluggesellschaften, einen abzuschiebenden Migranten zu transportieren, der sich mit der Abschiebung nicht einverstanden zeigt oder Widerstand leistet. Nach Angaben der Kommunen in Schleswig-Holstein hat sich dieser Vorbehalt der Fluggesellschaften rumgesprochen und viele Betroffenen würden sich dementsprechend verhalten. Zusätzlich muss die Bundespolizei Personal für die Sicherheitsbegleitung zur Verfügung stellen können und hier fehlt es oft an dem entsprechenden Personal.
Die Dublin-Verordnung regelt, welcher Staat in Europa für das Asylverfahren zuständig ist. Es gibt eine ganze Reihe von Kriterien. Am häufigsten wird jedoch das Kriterium angewandt, wonach der Staat zuständig ist, in dem der Flüchtling als Erstes EU-Territorium betreten hat. Aufgrund der geografischen Bedingungen sind das oft die Länder an den Außengrenzen der EU wie Italien oder Ungarn.
In Schleswig-Holstein droht nach Angaben von Pro Asyl 20 bis 25 Prozent der Asylsuchenden eine Abschiebung nach Dublin-Kriterien. Doch nahezu jede Zweite dieser Abschiebungen in eines der europäischen Länder scheitert. Zum Einen zeigen sich viele der betroffenen Länder nicht bereit, die Migranten aufzunehmen. Zum Anderen ist das Zeitfenster, in dem diese Rückführungen möglich sind, mit sechs Monaten relativ eng. Diese Frist kann auf 18 Monate verlängert werden, falls die betroffene Person untergetaucht ist. In der Praxis schildern die Kommunen in Schleswig-Holstein aber, dass dieses enge Zeitfenster es den Betroffenen leichter macht, sich der Abschiebung zu entziehen.
Viele Kommunen schildern zudem Fälle, in denen die Betroffenen unmittelbar nach der Rückführung über die offenen Grenzen zurück nach Deutschland reisen.
Eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems haben die EU-Länder bereits beschlossen. Dann sollen bereits an den Außengrenzen Asylverfahren geprüft werden. Nach Einschätzung von Experten wird es jedoch noch dauern, bis die entsprechenden Strukturen und Prozesse vorhanden sind.
Die Kommunen in Schleswig-Holstein fordern, der Bund müsse sich für Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern stark machen. Zudem müsse die Zusammenarbeit unter den EU-Staaten im Sinne des Dublin-Verfahrens verbessert werden.
Viele Kommunen sprechen sich auch dafür aus, die Verfahren zentral zu prüfen, um Personal und Zeit zu sparen.
Helfen könnte auch, die entsprechenden Mittel bei der Bundespolizei zu erhöhen, damit mehr Kräfte die Zusatzausbildung für eine Sicherheitsbegleitung absolvieren können. Die ist vor allem bei Straftätern oder sonstigen Gefährdern notwendig.