Umfrage zu Northvolt: Was halten die Menschen in SH von der Fabrik?

Stand: 24.03.2024 08:10 Uhr

Bei einer #NDRfragt-Umfrage bewerteten 79 Prozent der Teilnehmenden die Ansiedlung positiv. Knapp neun von zehn Befragten rechnen mit mehr Arbeitsplätzen, viele befürchten dadurch aber auch knapperen Wohnraum.

von Friederike Schneider

Am Montag ist der offizielle Startschuss für den Bau die Batteriefabrik des schwedischen Unternehmens Northvolt gefallen. Wie bewerten die Menschen im nördlichsten Bundesland die Chancen und Risiken der Ansiedlung? Das wollte die Umfrageplattform #NDRfragt von der Community wissen. Rund 2.700 Menschen beantworteten die Fragen zur Fabrik. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, aber aussagekräftig für Schleswig-Holstein. Der NDR gewichtet die Antworten, um Verzerrungen weitgehend herauszurechnen.

Zustimmung in Steinburg und Nordfriesland am geringsten

Von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bewerteten 79 Prozent die Ansiedlung von Northvolt als sehr gut oder eher gut. 19 Prozent finden sie dagegen eher oder gar nicht gut. Am größten ist die Zustimmung in Kiel, von den 277 Befragten aus der Landeshauptstadt finden 86 Prozent den Bau der Batteriefabrik gut oder sehr gut. Im Kreis Dithmarschen, wo die Fabrik entsteht, finden 80 Prozent der 216 Befragten den Bau gut oder sehr gut. Am geringsten sind die Zustimmungswerte in Nordfriesland und Steinburg. In den direkten Nachbarkreisen sehen jeweils 74 Prozent die Ansiedlung als positiv.

Kritik an Subventionen

Dass die Batteriefabrik an diesem Standort mit staatlichen Subventionen in Millionenhöhe gefördert wird, finden 57 Prozent der Befragten gerechtfertigt, 37 Prozent sehen das nicht so.

Das wird auch in den individuellen Antworten deutlich, die einige der Befragten abgegeben haben. In 13 der 287 ausgewerteten Aussagen wurden Zweifel an den Subventionen geäußert - häufig verbunden mit der Sorge, dass Northvolt seine Versprechen nicht einhalten und den Standort wieder schließen könnte.

"Ich sehe die Förderung der Ansiedlung mit mehreren Hundert Millionen Euro kritisch. Denn die Erfahrungen mit Motorola in Flensburg sollten uns gezeigt haben, dass Firmen nur kommen, das Geld abgreifen und dann wieder verschwinden. Was bleibt sind Industrie-Brachen." #NDRfragt-Teilnehmer (50) aus Schleswig-Flensburg

"Ich bin sehr skeptisch, wenn durch Subvention Produktion angesiedelt wird. Sobald die Fa. es woanders günstiger bekommt, und die Investition sich hier amortisiert hat bzw. zu kostspielig wird, wird die Produktion hier stillgelegt und das einstige 'Feuerwerk' hier (medial etc.) ist auch vergessen." #NDRfragt-Teilnehmer (73) aus Kiel

In der Umfrage halten es dennoch 62 Prozent für wahrscheinlich, dass Northvolt dauerhaft in Dithmarschen bleibt.

86 Prozent hoffen auf mehr Arbeitsplätze

Die Teilnehmenden der Umfrage wurden auch gefragt, welche positiven und negativen Auswirkungen sie für wahrscheinlich halten. Dabei gaben 86 Prozent an, dass es mehr Arbeitsplätze in der Region geben könnte. 62 Prozent gehen davon aus, dass durch die Industrie mehr Steuern eingenommen werden. Am dritthäufigsten wurde mit 38 Prozent die Verbesserung des Nahverkehrs als wahrscheinlich angesehen.

Mehr als die Hälfte sorgt sich um Wohnraum

Demgegenüber befürchten aber auch 46 Prozent Lärmbelästigung und Schäden durch mehr Verkehr und 19 Prozent den Ausbau von Autobahnen auf Kosten der Steuerzahler. Am meisten sorgen sich die Befragten aber darum, dass der Wohnraum in der Region knapper wird: 58 Prozent halten das für wahrscheinlich. Die Hälfte der Befragten befürchtet, dass sich das Landschaftsbild stark verändern wird. 46 Prozent erwarten eine starke Lärmbelästigung und Straßenschäden durch mehr Verkehr.

Einige Auswirkungen der Northvolt-Ansiedlung können sowohl positiv als auch negativ gesehen werden. So sehen 22 Prozent den Zuzug als bereichernd, während auf der anderen Seite 14 Prozent von Herausforderungen ausgehen. 45 Prozent der Befragten befürchten, dass Plätze in Kitas und Schulen knapp werden, weil der Bedarf steigt - gleichzeitig denken aber auch 17 Prozent, dass durch die größere Nachfrage das Ganztagsangebot ausgebaut werden könnte.

Diese Ambivalenz zeigt sich auch in den Freitext-Antworten, die einige der Teilnehmenden formuliert haben. In 16 der 287 ausgewerteten Aussagen wurde zwar die Schaffung von Arbeitsplätzen genannt, was zum Beispiel auch jungen Menschen in der Region halten könnte und von denen auch andere Betriebe in der Region profitieren könnten:

"Junge Leute bekommen jetzt neue Karriere-Möglichkeiten an der SH Westküste und müssen nicht mehr unbedingt in Metropolen wegziehen (Braindrain)." #NDRfragt-Teilnehmer (57) aus Nordfriesland

"Viele örtliche Betriebe werden profitieren, da ja nicht nur die eigentlichen Mitarbeiter kommen, sondern diese auch ihre Familien mitbringen, das sind vielleicht gerade die gesuchten Arbeitskräfte." #NDRfragt-Teilnehmer (60) aus Pinneberg

12 der Befragten befürchten dagegen aber auch, dass Northvolt qualifiziertes Personal abwerben könnte, wodurch sich der Fachkräftemangel in anderen Bereich verstärken würde:

"Wir haben jetzt schon starken Fachkräftemangel, dadurch dass das Bürgergeld so hoch ist und die Arbeitslosenquote steigt. Nur weil sich jetzt eine neue Industrie da ansiedelt, werden nicht die Fachkräfte aus dem Boden sprießen!" #NDRfragt-Teilnehmerin (19) aus Steinburg

"Die Mitarbeiter werden lange Arbeitswege haben, extrem gute Gehälter fordern und dann mit Geld ohne Ende die lokale Bevölkerung aus den Dörfern drängen. So schnell kann gar nicht gebaut werden." #NDRfragt-Teilnehmer (61) aus dem Kreis Pinneberg

 

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Fehlende Kita-Plätze und Wohnungsnot

Insbesondere sorgen sich die Befragten auch um den den bereits bestehenden Fachkräftemangel in der Kinderbetreuung. Die Befürchtung, dass die Plätze noch knapper werden, kommt auch in den Antworten zum Ausdruck:

"Die Notwendigkeit von Bildungseinrichtungen für die Kinder der Beschäftigten verursacht zunächst Kosten. Es kann schwer werden, geeignete pädagogische Fachkräfte an die Westküste zu holen." #NDRfragt-Teilnehmerin (63) aus Dithmarschen

Auch die Themen Wohnraum und Verkehr wurden mehrfach angesprochen:

"Durch die Ansiedlung von Northvolt werden gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen, die wahrscheinlich zu einem Anziehen der Mieten in der Region führen werden. Dem kann man nur entgegenwirken, wenn im Gegenzug auch Wohnraum geschaffen wird. - Nach meinem Wissen ist dieser nicht mitgeplant. Warum eigentlich nicht? In früheren Zeiten haben Arbeitgeber doch auch Werkssiedlungen geschaffen, um ihre Arbeitskräfte angemessen unterzubringen." #NDRfragt-Teilnehmer (52) aus dem Kreis Plön

"Mobilitätskonzepte gibt es so gut wie gar nicht. Wo sollen die Mitarbeiter*innen wohnen und leben? Sollen die von weit her einpendeln? (...) Mit der derzeitig schlechten Infrastruktur ginge das fast nur mit einer enormen Steiegrung des Autoverkehrs." #NDRfragt-Teilnehmer (37) aus Kiel

Von der Politik werden Lösungen gefordert

Diese Themen werden von den Befragten als Herausforderungen wahrgenommen und sie richten in diesem Zusammenhang deutliche Forderungen an Bund, Land und Kommunen. Neben den konkreten Plänen, wie der Ausweisung von Neubaugebieten, wurden darin auch mehrfach der Bürokratieabbau und eine Beschleunigung von Prozessen gefordert.

"...dadurch entstehen neue Anforderungen an die Kommunen, den Kreis und das Land. (...) Nicht, dass dann Alles wieder durch elend lange Verfahren zerredet wird und für jede Sache dann wieder ein Gericht entscheiden muss. Hier muss der Deutsche über seinen Schatten springen und machen!" #NDRfragt-Teilnehmerin (68) aus Nordfriesland

"Ich hoffe sehr, dass diese Chance mit viel Umsicht und ohne bürokratische Hindernisse umgesetzt wird. Ich hoffe, dass dabei nicht am falschen Ende gespart wird und moderne und kreative Lösungen für die Umsetzung dieses Projektes benutzt werden." #NDRfragt-Teilnehmerin (55) aus Schleswig-Flensburg

"Mit anderen Worten, es müssen noch nie da gewesene Ausdünnungen bei unnötigen Gesetzen geschaffen, alle aufeinander harmonisiert werden. Effizient gesteigert und pragmatisch, zeitnah, jetzt Erneuerung und Instandhaltung der Infrastruktur erfolgen." #NDRfragt-Teilnehmer (29) aus Flensburg

Frage nach der Nachhaltigkeit von E-Autos

Neben den Bedenken hinsichtlich Wohnraum, Verkehr und sonstiger Infrastruktur äußerten mehrere Teilnehmende auch Sorgen hinsichtlich Umweltfolgen und stellten den Ausbau der E-Mobilität in Frage:

"Ich bin mir nicht sicher, ob E-Autos wirklich umweltfreundlich sind. Die Ausbeutung in der dritten Welt bleibt, die Zerstörung der Natur bleibt. Und wo bleiben ausrangierte E-Autos?" #NDRfragt-Teilnehmerin (52) aus Stormarn

"Das E-Auto hat meiner Auffassung nach keine Zukunft. Ich mag nicht an den Müll der Akkus denken und wo soll der ganze Strom herkommen? Und ich bekomme einen dicken Hals wenn ich an die Strompreise denke." #NDRfragt-Teilnehmerin (67) aus dem Kreis Segeberg

Insgesamt halten jedoch 74 Prozent der Befragten die Herstellung von Batteriezellen für zukunftsfähig, wenn sie wie von Northvolt versprochen mit Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt werden.

Weitere Informationen
Robert Habeck (l-r, Bündnis 90/Die Grünen), Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Peter Carlsson, CEO von Northvolt, Christoph Vogler, 1. Vorsitzender des Boßelvereins Heid - Rüsdörp, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Veronika Wand-Danielsson, Schwedische Botschafterin in Deutschland, und Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, boßeln auf der Baustelle. Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck nehmen am offizieller Baubeginn der Northvolt-Fabrik teil, in der ab 2026 Batteriezellen für Elektroautos produziert werden sollen. © picture alliance/dpa Foto: Marcus Brandt

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 24.03.2024 | 19:30 Uhr

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