Millionen Steuermittel für Northvolt: Sinnvoll oder nicht?
Das schwedische Unternehmen Northvolt will vor den Toren Heides eine Batteriezellenfabrik mit 3.000 Arbeitsplätzen bauen. Soll der Staat die Ansiedlung mit einer Millionen-Summe fördern? Ein Volkswirt des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel hat Zweifel, ob die Subventionen sinnvoll sind.
4,5 Milliarden Euro soll die Gigafactory von Northvolt kosten. 3.000 Arbeitsplätze könnten in der strukturschwachen Region Dithmarschen entstehen. Allein kann das schwedische Unternehmen Northvolt diese Summe nach eigenen Angaben nicht aufbringen. Bund und Land hatten sich seit der Vorstellung des Projektes im März 2022 für Fördermittel ausgesprochen - allen voran Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Bund und Land wollen die Ansiedlung mit insgesamt 700 Millionen Euro unterstützen. 136 Millionen Euro vom Land Schleswig-Holstein und 564 Millionen Euro vom Bund stehen trotz der aktuellen Haushaltsprobleme bereit. Nur die EU-Kommission muss die Millionen-Subventionen noch endgültig genehmigen. Deren Entscheidung wird im Januar erwartet.
NDR Schleswig-Holstein hat mit Professor Dr. Jens Boysen-Hogrefe vom Kiel Institut für Weltwirtschaft gesprochen. Er ist Volkswirt und forscht unter anderem zu Konjunktur-Prognosen, öffentlichen Finanzen und Steuerpolitik.
Herr Boysen-Hogrefe, 700 Millionen Euro von Bund und Land für ein Unternehmen, ist das verhältnismäßig?
Jens Boysen-Hogrefe: Auf der einen Seite muss man sagen, es hat schon deutlich größere Fördersummen gegeben, und die Investitionssumme ist auch höher als diese besagten 700 Millionen Euro. Doch man muss trotzdem die Frage stellen, ob letztlich die Investitionen von Unternehmen wirklich Subventionen bedürfen und ob es nicht eine falsche Strategie ist, diese dauerhaft durch Subventionen anzureizen. Letztlich gibt es viele Unternehmen, die ohne Subventionen klarkommen müssen und genauso investieren müssen. Und für die ist das sogar ein Nachteil.
Was wäre denn aus ihrer Sicht der gesündere Weg, wenn man jetzt nicht subventioniert als Staat?
Boysen-Hogrefe: Die Standortbedingungen generell sollten gefördert werden. Dazu gehört, dass wir in Bildung investieren, in Infrastruktur, dass der Aufwand bezüglich der Bürokratie, vielleicht auch das Steuersystem entsprechend aufgestellt sind, dass das Umfeld attraktiv ist, in diesem Land wirtschaftlich aktiv zu sein. Und das gilt sowohl für Batteriehersteller als auch für jedes andere Unternehmen und auch für alle Bürgerinnen und Bürger. Und darauf sollte geachtet werden und nicht unbedingt auf einzelne Leuchttürme.
Wie groß wäre denn der wirtschaftliche Einfluss von Northvolt auf Schleswig-Holstein?
Boysen-Hogrefe: Für Schleswig-Holstein wäre es schon nennenswert und für die Region Dithmarschen natürlich ganz besonders. Das heißt, es kann sogar sein, dass es sich für das Land Schleswig-Holstein durchaus rechnet. Denn für das Land Schleswig-Holstein ist es im Länderfinanzausgleich relevant - zum Beispiel, wie viele Einwohner in diesem Land sind. Und wenn jetzt viele Menschen, viele Arbeitskräfte nach Schleswig-Holstein ziehen extra wegen dieser Ansiedlung, kann das durchaus unterm Strich eine gute Sache sein. Und deswegen ist es auch nachvollziehbar, dass sich das Land Schleswig-Holstein für diese Investition und auch für die Subvention einsetzt.
Der Bund steckt jetzt ja auch viele Fördergelder in das Projekt. Wie groß wäre der Einfluss der Ansiedlung auf ganz Deutschland?
Boysen-Hogrefe: Für ganz Deutschland ist das schon eine andere Sache. Man muss dazu sagen, viele Menschen werden sicherlich relativ gut qualifiziert sein, die dort einen Arbeitsplatz finden und die hätten wahrscheinlich auch anders einen Arbeitsplatz gefunden. Und wenn sie jetzt zum Beispiel aus anderen Teilen Deutschlands hierher ziehen, ist das für Schleswig-Holstein ein Gewinn, für andere Teile des Landes kein Gewinn, sondern ein Verlust, und da bleibt unterm Strich nicht viel übrig.
Was würde denn die Ansiedlung von Northvolt für den regionalen Arbeitsmarkt bedeuten?
Boysen-Hogrefe: Für den regionalen Arbeitsmarkt ist damit zu rechnen, dass es zunächst zu deutlichen Knappheiten kommen dürfte. Das heißt, viele Menschen werden jetzt vielleicht auch aus der Region in dem Unternehmen anfangen. Dann wird es einfach andere zusätzliche Bedarfe geben. Das wird eine Bauaktivität geben. Entsprechend wird natürlich dann die Nachfrage nach Bauhandwerkern und vielen anderen Dingen einfach erhöht sein. Bis sich das wieder zurecht pendelt, auch durch Zuzug, wird es eine Weile dauern. Das heißt einige Knappheiten werden für die Leute vor Ort wahrscheinlich jetzt erst einmal größer werden.
Werden dann Handwerkerdienstleistungen voraussichtlich erst mal teurer werden?
Boysen-Hogrefe: Es ist damit zu rechnen, dass zumindest die eine oder andere Handwerkerstunde etwas teurer werden könnte und dass man vielleicht auch länger darauf warten muss, bis geliefert wird. Aber mittel- bis langfristig sollte sich das natürlich wieder zurechtruckeln. Wenn genügend Zeit ins Land gegangen ist, werden auch mehr Handwerker vor Ort sein, die entsprechend der neuen Bevölkerungszahl dazu passen.
Der Bund gibt jetzt Geld aus, dass er eigentlich gar nicht hat. Wie riskant ist aus ihrer Sicht diese Förderung auf Pump?
Boysen-Hogrefe: Das Problem ist vielleicht nicht so sehr, dass hier jetzt ein Kredit aufgenommen wird. Das Problem würde ich eher darin sehen, dass eben in die Wirtschaftsstruktur eingegriffen wird, dass eben ein bestimmtes Unternehmen eine Förderung bekommt. Andere Unternehmen bekommen sie nicht, und die anderen Unternehmen, die zahlen auch Steuern und müssen sozusagen mit dafür geradestehen, müssen Teile jetzt des Risikos dieser Subvention mittragen über den allgemeinen Steuertopf und das ist, glaube ich, keine gute Strategie.
Die 700 Millionen Euro Förderung sind ja das eine, das andere sind die 600 Millionen Euro Kredit in Form einer Wandelanleihe von Bund und Land. Was ist da eigentlich genau der Unterschied?
Boysen-Hogrefe: Bei der Wandelanleihe besteht kein Problem, denn das wäre eine sogenannte finanzielle Transaktion. Dafür darf sich der Bund und auch das Land beliebig verschulden und zum anderen wird durch die Wandelanleihe das Unternehmen dazu verpflichtet, eine Gegenleistung zu erbringen. Und in diesem Sinne ist es also deutlich günstiger, in doppelter Hinsicht eine Wandelanleihe zu begeben, als direkte Förderungen zu leisten.
Sollte Northvolt jetzt Verluste einfahren: Was würde das bedeuten für die Wandelanleihe?
Boysen-Hogrefe: Die Wandelanleihe würde im schlimmsten Fall ausfallen. Also angenommen, das Unternehmen würde untergehen, weil meinetwegen die Nachfrage nach Batterien drastisch einbricht und das Unternehmen einfach überhaupt nicht rentabel wäre. Dann wäre auch das verlorenes Geld. Und das ist natürlich ein unternehmerisches Risiko, was der Staat auch auf sich nimmt.
Wie hoch schätzen Sie das Risiko ein, dass das eintritt?
Boysen-Hogrefe: Das Risiko ist schwer zu quantifizieren und dürfte auch nicht allzu groß sein. Allerdings muss man bedenken, dass natürlich zurzeit an vielen Ländern auf der Welt, aber auch in Europa und in den USA Förderungen für neue Batteriekapazitäten ausgehändigt werden und eventuell eine Überproduktion durch staatliche Subventionen hervorgerufen wird. Und wenn das der Fall ist, könnte es natürlich sein, dass sich auch entsprechend das Risiko für die Wandelanleihe und das Engagement Deutschlands deutlich erhöht.
Abschließend gefragt: Der Bund begründet die Förderung mit Investitionen in den Klimaschutz - wie glaubwürdig ist das?
Boysen-Hogrefe: Dabei ist zu bedenken, dass diese Ansiedlung oder die Investitionen in eine Batteriefabrik vielleicht sowieso erfolgt wären und dass es bei den Subventionsmitteln im Wesentlichen darum geht, diese Subventionen oder diese Ansiedlung nach Schleswig-Holstein und in die Region Heide zu bringen. Und das ist natürlich dann nicht unbedingt das, was den Klimaschutz fördert, sondern was nur die Region fördert. Dem Klimaschutz wäre auch geholfen, wenn generell der Umstieg zur E-Mobilität stattfindet. Ob dieser nun von dieser einen Subvention abhängt, ist sehr zweifelhaft.
Das Gespräch führte Jonas Salto, Reporter im NDR Studio Heide.