Northvolt im Land der veralteten Schienen- und Straßennetze

Stand: 23.03.2024 18:05 Uhr

Weder der Zustand der Schienennetze im Güter-, noch im Personenverkehr ist für Northvolt hinnehmbar. Kann das Land das marode Bahnnetz überhaupt rechtzeitig in Stand setzen lassen? Am Montag ist der offizielle Baustart für das Werk.

von Jonas Salto

Eine Million Elektroauto-Batterien pro Jahr sollen spätestens ab 2029 das neue Northvolt-Werk bei Heide (Kreis Dithmarschen) verlassen. Die meisten Kunden vom schwedischen Unternehmen sitzen aber weit weg - zum Teil in Skandinavien oder anderen Teilen von Deutschland. Northvolt wirbt damit, die "grünste Batterie der Welt" zu produzieren. Um dem gerecht zu werden, müssen die Produkte möglichst per Bahn zu den Kunden gebracht werden. Auch die bis 3.000 Mitarbeitenden sollen möglichst mit der Bahn zur Arbeit kommen können - auch wenn sie eher am Hamburger Rand wohnen werden als in Heide. Doch so schön der Traum des schwedischen Start-Ups von einer solchen Infrastruktur in Schleswig-Holstein ist, die Realität gleicht eher einem Albtraum.

Schienen für Güterverkehr marode oder nicht ausreichend

Die Grünentaler Hochbrücke bei Sonnenuntergang. © Ralf Horstmann Foto: Ralf Horstmann
Die Grünentaler Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal ist eine kombinierte Straßen- und Eisenbahn-Brücke.

Als Northvolt sich entschieden hat, in der Nähe der Kreisstadt Heide zu bauen, hat das Unternehmen von Bund und Land einen eigenen Gleisanschluss für den Güterverkehr gefordert. Inzwischen prüft Northvolt gemeinsam mit der Politik ergebnisoffen verschiedene Trassenverläufe. Die geeignete Infrastruktur über den Gleisanschluss hinaus hat für Northvolt nach wie vor höchste Priorität. Nur so könnten die Produkte direkt aus der Produktionshalle auf die Züge geladen werden und dann losrollen in Richtung Hamburg beziehungsweise Skandinavien. Das Unternehmen geht davon aus, dass täglich zwölf Güterzüge zum Werk fahren und es auch wieder verlassen werden.

Um nach Hamburg zu kommen, müssten die Züge allerdings über den Nord-Ostsee-Kanal. Die Hochbrücke Hochdonn auf der Hauptroute, der sogenannten Marschbahnstrecke, ist für solche Lasten gar nicht ausgelegt. Das Land lässt im Moment nach eigenen Angaben prüfen, ob die Brücke so verstärkt werden könnte, dass die Northvolt-Züge sie nutzen können. Eine Alternativroute wäre die Strecke über die Grünentaler Hochbrücke zwischen Heide und Neumünster. Doch die Regionalbahn-Strecke über die Dörfer hat nur ein Gleis und ist nur für maximal 80 Stundenkilometer zugelassen - zu wenig für die 24 Northvolt-Züge. Beide Strecken sind nicht elektrifiziert. So oder so können also - wie bisher auch - nur Loks mit alter Diesel-Technik zum Hightech-Unternehmen fahren.

Pendeln entlang der Strecke Hamburg-Heide unattraktiv

Nicht nur Güter müssen das Northvolt-Werk erreichen und verlassen können, sondern auch die 3.000 Mitarbeitenden. Nicht alle werden direkt in der Region wohnen. Es wird zum Beispiel auch Pendlerinnen und Pendler geben, die aus Hamburg, dem Kreis Pinneberg und dem Kreis Steinburg zur Fabrik fahren. Wer heutzutage in Hamburg-Altona in die Bahn steigt und nach Heide fährt, braucht eine Stunde und 30 Minuten. Das sei zu lang, sagt Northvolt. Eine Voraussetzung für die Schweden, sich hier anzusiedeln, war damals auch, dass Menschen aus Hamburg in weniger als einer Stunde mit der Bahn in Heide sind. Damit das funktioniert, müsste ein neues Gleis zwischen Horst im Kreis Steinburg und Itzehoe gebaut werden. Ein neuer Abschnitt entlang der Marschbahnstrecke, eine verstärkte oder neue Hochbrücke in Hochdonn oder eine ausgebaute Strecke zwischen Neumünster und Heide - all diese Vorhaben würden in normalen Verfahren Jahrzehnte dauern. Doch Northvolt will nach eigenen Angaben schon 2026 anfangen zu produzieren.

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Opposition: Land mache zu wenig Druck in Berlin

Scharfe Kritik an der Landesregierung kommt von der Opposition: "Ich glaube, dass man schon im letzten Jahr sehr viel stärker mit dem Bundesverkehrsministerium und mit der DB AG hätte in den Ring gehen müssen", kritisiert Bernd Buchholz (FDP).

"Wir müssen wie so ein Terrier ständig hinterher sein, damit sich da auch was bewegt", sagt Lars Harms vom SSW in Bezug auf den Schienenausbau. Der Fraktionsvorsitzende sieht die Landesregierung am Zug, Druck in Berlin aufzubauen. Sollte es normale Planungsverfahren geben, würden wir hier in Schleswig-Holstein ein Problem bekommen, sagt Harms in einem Interview mit NDR Schleswig-Holstein.

Dass es schnell gehen muss, sieht auch Verkehrsminister Claus-Ruhe Madsen (CDU) so. Es reiche von Seiten des Bundes nicht aus zu sagen, dass Geld komme. "Wir wollen noch beim Bundeskanzler ein bisschen Druck machen, dass auch er erkennt, was Northvolt für unser Land bedeutet", sagt Madsen gegenüber NDR Schleswig-Holstein.

Montag offizieller Baustart der Fabrik

Beste Gelegenheit dazu hat Ministerpräsident Daniel Günther am Montag, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) zur Northvolt-Baustelle kommen, um mit dem Northvolt-Chef Peter Carlsson den offiziellen Baustart zu feiern. Es müsse Druck auf Scholz und Habeck gemacht werden, bekräftigt auch nochmal der ehemalige Landesverkehrsminister Bernd Buchholz. Denn aus seiner Sicht würde Northvolt den jetzigen Zeitplan nicht akzeptieren. Unabhängig davon ist auch klar: Wenn die Schieneninfrastruktur nicht schnell genug ausgebaut werden, verlagert sich der Verkehr auf die Straßen. Aber auch die Bundesstraße entlang des Werkes und die A 23 sind für so viel mehr an Verkehr nicht ausgelegt.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 24.03.2024 | 12:00 Uhr

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