Nach Haushaltsurteil: Notstand soll Finanzierungen in SH sichern
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts trifft nicht nur den Bundeshaushalt hart. Es hat auch Konsequenzen für das Bundesland Schleswig-Holstein. CDU und Grüne wollen noch diese Woche im Landtag den Haushaltsnotstand festellen, um die Finanzplanung zu sichern.
Das Beben, das das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im politischen Berlin auslöste, ist auch in Schleswig-Holstein deutlich zu spüren. Denn die Praxis, mithilfe von Notkrediten und Sondervermögen die Schuldenbremse zu umgehen, machte sich auch die schwarz-grüne Landesregierung zunutze. Entsprechend diffus ist nun die Lage im Land. Alle Zahlungen aus Notkrediten wurden laut Finanzministerium vorerst gestoppt. Es herrscht Unsicherheit, wie rechtssicher der aktuelle Finanzkurs der Landesregierung ist und wie mit den Auswirkungen des Urteils weiter zu verfahren ist.
Günther: Notlage wichtig, um multiple Krisen zu bewältigen
Es braucht Lösungen. Deshalb sind die Auswirkungen des Karlsruher Urteils zentrales Thema im Schleswig-Holsteinischen Landtag. CDU und Grüne wollen noch in dieser Woche die Haushaltsnotlage für 2023 feststellen. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte NDR Schleswig-Holstein dazu, dass es richtig sei für 2023 die Notsituation festzustellen. Auch für 2024 soll das der Fall sein, "um die multiplen Krisen, mit denen wir zu kämpfen haben, wirksam begegnen zu können." Für Schleswig-Holstein sei vor allem das "Prinzip der Jährigkeit und Jährlichkeit" eine Herausforderung, die aus dem Urteil hervorgeht. Es bedeutet, dass Kredite, die für eine Notsituation aufgenommen wurden, auch nur im Jahr der Notsituation ausgegeben werden dürfen.
Mit dem Beschluss einer Notlage können im Anschluss Notkredite aufgenommen und ein Nachtragshaushalt gebildet werden, der die fehlenden Mittel bereitstellt. Dieser Vorgang sei notwendig, sagt der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Lasse Petersdotter, "damit auch in den nächsten Wochen noch Ausgaben aus den Notkrediten finanziert werden können."
FDP wirft Landesregierung Trickserei vor
Kritik kommt von der FDP. Der Fraktionsvorsitzende, Christopher Vogt, wirft der Landesregierung Trickserei vor. Es müsse ein Ende haben, eine Art Dauerkrise zu suggerieren, um die Schuldenbremse auszuhebeln. Finanzministerin Monika Heinold (Grünen) hält den Vorwurf von Seiten der FDP für unangebracht, schließlich sei es der FDP-Bundesfinanzminister gewesen, dessen Nachtragshaushalt für nichtig erklärt wurde. Im Schleswig-Holstein Magazin sagte sie: "Wir sind weiter als der Bund, weil wir erste Antworten gefunden haben. Wir haben geschlossen als Koalition gesagt, in 2023 werden wir erneut eine Notlage erklären." Auch für 2024 wolle man das tun, so Heinold.
Nachtragshaushalt des Bundes Auslöser für angespannte Lage
Auslöser für das Beben, das Haushalte auf Bund- und Länderebene betrifft, ist eine rückwirkende Haushaltsänderung des Bundestages Anfang 2022. 60 Milliarden Euro, die vorgesehen waren, um die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern, wurden per Nachtragshaushalt auf den heutigen Klima- und Transformationsfonds übertragen.
Das Vorgehen der Ampelkoalition sei verfassungswidrig gewesen, kritisierte die CDU/CSU-Fraktion und klagte.Das Bundesverfassungsgericht gab ihnen recht. Mit dem Nachtragshaushalt habe die Berliner Ampelkoalition gegen die Schuldenbremse verstoßen, urteilten die Richter vergangenen Mittwoch in Karlsruhe. Von der strengen Regelung und bei Krediten dieser Größenordnung darf laut Grundgesetz nur in "außergewöhnlichen Notsituationen" abgewichen werden. Änderungen müssten ausreichend begründet werden, so das Bundesverfassungsgericht.
Die Corona-Pandemie war eine solche Notsituation. Allerdings konnte nicht ausreichend belegt werden, dass die Klimaschutz-Maßnahmen konkret mit den Folgen der Corona-Pandemie zusammenhängen. Somit fehlte zum einen die Zweckgebundenheit. Zum anderen brach die Praxis der Bundesregierung mit dem Prinzip der Jährlichkeit von Notkrediten.
Auch in Schleswig-Holstein Auswirkungen spürbar
Nicht nur in Berlin, auch in Schleswig-Holstein wurde mit Sondervermögen und Notkrediten der Haushalt und damit die Schuldenbremse umgangen. Während der Corona-Pandemie und in der Folge des Ukraine-Kriegs wurden Kredite in Milliardenhöhe aufgenommen. Ein Beispiel dafür ist der 2022 aufgenommene Ukraine-Notkredit in Höhe von insgesamt 1,4 Milliarden Euro. Ursprünglich war das Geld dafür gedacht, Herausforderungen infolge des Ukraine-Kriegs abzufedern. Eingesetzt wurde es erst 2023.
Konkret sollten 137 Millionen Euro dieses Notkredits in ein Sondervermögen überführt und damit die Ansiedlung einer Batteriezellenfabrik im Kreis Dithmarschen subventioniert werden. CDU, Grüne und SPD hatten sich im September dafür ausgesprochen. Dieser Schritt soll nun rückgängig gemacht werden, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch. Nach dem Gerichtsurteil sei das kein gangbarer Weg mehr. Für den Fall, dass in diesem Jahr schon Zahlungen zu leisten seien, würden diese direkt aus dem Notkredit erfolgen.
Auch der Bund hatte Millionen zugesagt. Die Gelder sollten aus dem Klima- und Transformationsfond kommen, den Karlsruhe jetzt kassiert hat. Koch: "Wir wollen diese Ansiedlung auf jeden Fall sicherstellen. Das gleiche verlangen wir vom Bund und erwarten, dass dieser einen Lösungsweg aufzeigt."
Klimaschutzprojekte liegen vorerst auf Eis
Ein weiteres Projekt, das direkt vom Haushaltsstopp der Landesregierung betroffen ist, ist das Klimaschutzprogramm für Bürgerinnen und Bürger. Es wurde vorläufig auf Eis gelegt. Mit dem Programm des Umweltministeriums sollten Solaranlagen für den Balkon, Batteriespeicher oder Ladesäulen bezuschusst werden. Außerdem verzögert der Haushaltsstopp den Ausbau von Landesunterkünften für Geflüchtete - zum Beispiel in Neumünster. Wie lange die Projekte auf Eis liegen, ist nicht klar. Sollte der Landtag den Haushaltsnotstand in dieser Woche beschließen, entfällt der Stopp.