Lübecker Studierende bauen Häuser aus Lehm in Ghana

Stand: 10.03.2023 05:00 Uhr

Häuser baut man meistens aus Stein und Beton - auch in Ghana, obwohl es dort jahrhundertelang Tradition war aus Lehm zu bauen. Marvin Martin und Paul Tschense, zwei Studenten aus Lübeck, wollen mit ihrem Team die Menschen wieder vom Lehmbau überzeugen.

von Naïs Baier

Die populäre Bauweise nach Vorbild des globalen Nordens hat beim Häuserbau in Ghana vor allem ein Problem: Alle Baustoffe müssen importiert werden. Das macht den Bau abhängig von internationalen Händlern und die Kosten schwer kalkulierbar. Weil seine Mutter aus Ghana kommt, kennt Marvin Martin schon länger die Wohnungsprobleme im Land. Beim Solar Decathlon, dem wichtigsten Bau-Wettbewerb für Studierende, lernte Marvin Martin 2019 in Marokko Paul Tschense kennen. Dort beschlossen die beiden, irgendwann auch in Ghana Lehmhäuser zu bauen. Vor gut einem Jahr wurde es dann konkret: Die beiden Studenten gründeten ihr Projekt "ISOPTERRA". Der Name setzt sich aus den lateinischen Begriffen für Termite und Erde zusammen, so Paul Tschense: "Wir bauen mit Erde, und gleichzeitig arbeiten wir aber auch wie Termiten zusammen, gemeinsam mit vielen Leuten und erschaffen ein Gebäude, was angepasst ist an die Umgebung, an die Natur und arbeiten mit lokalen Baustoffen."

Vor der Regenzeit muss das Dach fertig sein

Portrait von Marvin Martin, Mitgründer von ISOPTERRA © ISOPTERRA Foto: ISOPTERRA
Für Marvin Martin ist jeder Tag bei der Arbeit in Ghana eine neue Herausforderung: "Wir müssen uns immer neu darauf einstellen: Jeder Tag kann anders sein."

Insgesamt 18 Studierende aus Deutschland, der Türkei und Ghana unterstützen die beiden in wechselnder Team-Zusammensetzung beim Bau des Lehmhauses. Außerdem bauen Handwerker vor Ort mit und tauschen mit den Studierenden Wissen über Lehmbau aus - der hier jahrhundertelang Tradition war. Gerade bauen sie die Wände, sogenannte Stampflehmwände: Dafür wird eine Schalung aus Holz gebaut, in die dann Lehm geschüttet und festgestampft wird. Eine harte Arbeit vor allem in der Tropenhitze Westafrikas. Und die Zeit drängt: "Wir müssen auf jeden Fall vor der Regenzeit das Dach drauf zu haben, damit der Regen nicht an die Lehmwände kommt und wieder zerstört", sagt Marvin Martin. Zur Abhängigkeit vom Wetter kommen weitere Schwierigkeiten: die Preise für Baumaterialien schwanken sehr stark, fließendes Wasser und Strom sind nicht immer verfügbar, es läuft nicht alles nach Plan, erzählt Marvin Martin: "Es dauert in der Praxis dann doch ein bisschen länger als man in der Theorie denkt. Man lernt viel: Wie man es beim nächsten Mal auch schneller machen kann, aber auch, wie man Leute koordiniert und dass man sich mal eine Pause gönnen muss, weil es schnell sehr viel wird." Gemeinsam versuchen sie die Probleme zu lösen, arbeiten im Team und unterstützen sich gegenseitig. "Wir müssen uns immer neu darauf einstellen: Jeder Tag kann anders sein."

Finanzierung nur über Spenden

Portrait von Paul Tschense, Mitgründer von ISOPTERRA © ISOPTERRA Foto: ISOPTERRA
Vor dem Start des Projektes in Ghana gab es auch "viele Sorgen bei der Familie", erzählt Paul Tschense.

Seit November 2022 sind Marvin Martin und Paul Tschense nun schon in Butre, einem kleinen Küstenort in Ghana, wo sie seit Anfang des Jahres am Rohbau arbeiten. Bevor sie loslegen konnten, mussten sie Überzeugungsarbeit leisten: Bei der Gemeinde vor Ort, aber auch Zuhause. "Es ist natürlich nicht das Normalste jetzt ein Jahr nach Ghana zu gehen und hier ein Haus zu bauen, wo man nicht weiß, wo man genau ist und wie die Infrastruktur ist. Da gab es natürlich viele Sorgen bei der Familie", lächelt Paul Tschense. Mittlerweile bekommen sie von allen Seiten Zuspruch und Unterstützung. Und die brauchen sie auch: Den Bau ihres Musterhauses finanzieren sie nur über Spenden. 27.000 Euro brauchen sie dafür insgesamt. Gerade sammeln sie in einer Crowdfunding-Kampagne wieder Geld für Baumaterialien, Werkzeuge und zur Bezahlung der ghanaischen Arbeitskräfte. "Für uns selbst nehmen wir unsere persönlichen Ersparnisse, um hier vor Ort zu leben. Und die anderen Studierenden sind auch auf eigene Kosten hier, weil bisher das Budget noch nicht reicht", erklärt Paul Tschense.

Projekterfahrung statt Regelstudium

Viele Studierende bauen zeitweise in ihren Semesterferien mit, Marvin Martin und Paul Tschense pausieren gerade für das Ghana-Projekt ihr Studium. Ihr Professor an der TH Lübeck, Heiner Lippe, unterstützt diese Entscheidung: "Für mich ist das eine ganz große Freude, weil Studierende das, was wir hier im Unterricht gemacht haben, direkt und mit einer eigenen Motivation angewandt haben. Es ist also wirklich genau das, was man sich wünscht als Prof." Bei der Umsetzung berät Prof. Heiner Lippe das Team in Ghana auch von Lübeck aus, gibt Tipps und Ratschläge für den Lehmbau. Ende Mai soll das Lehmhaus in Butre dann stehen - dann wollen Marvin Martin und Paul Tschense zum ersten Mal in ihrem Musterhaus für nachhaltiges und günstiges Bauen in Ghana übernachten.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 10.03.2023 | 19:30 Uhr

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