Klage gegen Schleswig-Holsteins Landeshaushalt 2024
SPD und FDP im Landtag ziehen vor das Landesverfassungsgericht: Sie halten den Etat für das laufende Jahr für verfassungswidrig. Vor allem geht es um die Verwendung von Mitteln aus Notkrediten. Durch ein Gutachten sehen die beiden Oppositionsfraktionen sich bestätigt.
SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli und FDP-Fraktionschef Christopher Vogt kündigten ihre Klage am Donnerstag bei einem gemeinsamen Pressegespräch in Kiel an. Sie wollen richterlich überprüfen lassen, ob die schwarz-grüne Koalition die Verfassung gebrochen hat oder nicht.
Das gemeinsam in Auftrag gegebene Gutachten, sagt Midyatli, habe diesen Verdacht erhärtet. "Als Opposition haben wir die Pflicht und die Verantwortung, auf die Einhaltung der Verfassung zu pochen", so die SPD-Fraktionschefin. Voraussichtlich im September werden die Fraktionen die Klage einreichen.
Notkredite zweckentfremdet?
Den Haushalt hatte der Landtag Ende März nach kontroverser Diskussionmit den Stimmen von CDU, Grünen und SSW verabschiedet. Die Regierungskoalition plant darin neue Schulden in Höhe von mehr als 1,6 Milliarden Euro - größtenteils aus Notkrediten, etwa dem Corona-Notkredit.
Und genau das ist aus Sicht der Opposition ein Problem: "Viele der Maßnahmen, die die Landesregierung aus Notkrediten finanziert, sind schlichtweg Daueraufgaben des Landes und lassen sich nicht auf die festgestellten Notlagen zurückführen", sagt FDP-Fraktionschef Christopher Vogt.
Klage laut FDP "unumgänglich"
Die Frage, ob ein Gesetz mit der Verfassung vereinbar ist, kann eine Normenkontrollklage klären. Für eine solche Klage braucht es zwei Fraktionen. Vogt moniert, die Landesregierung habe auf die Bedenken von SPD und FDP nicht reagiert - eine Klage sei nun "unumgänglich."
Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) hält die Nutzung von Notkrediten "in diesen herausfordernden Zeiten" für richtig und notwendig. Es sei das gute Recht der Opposition, zu klagen, sagte sie am Mittag in Kiel. Sollte das Landesverfassungsgericht den Klägern recht geben, würde das laut Heinold einen "verschärften Sparkurs" bedeuten. Aus ihrer Sicht hat die Landesregierung aber die Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts eingehalten.
Landesrechnungshof und Steuerzahlerbund mahnen zum Sparen
Der Landesrechnungshof hatte schon länger Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Notkredite geäußert: Präsidentin Gaby Schäfer ist deshalb auch nicht überrascht vom Ergebnis des Gutachtens. Sie fordert einen konsequenten Sparkurs des Landes, Einsparungen beim Personal etwa.
Und Alois Altmann vom Bund der Steuerzahler in Schleswig-Holstein sagt: "Landesregierung und Regierungskoalition müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass man mit Verfassungsbrüchen und der ständigen Diskussion über die Ausgestaltung der Schuldenbremse keine Haushaltsprobleme lösen kann."
Auch auf Bundesebene hat der Umgang mit Mitteln aus Notkrediten schon für Wirbel gesorgt: Ende 2023 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Ampel-Regierung gegen die Verfassung verstoßen hat, als sie Geld aus dem Corona-Kredit in einen Klimafonds umschichtete. Es ging um 60 Milliarden Euro - die dann fehlten.
Zeitplan und Auswirkungen sind offen
Wie es sich in Schleswig-Holstein auswirken würde, wenn die Fraktionen von SPD und FDP Recht bekämen, ist offen: Sie selbst wollten darüber heute nicht spekulieren. Auch nicht darüber, wann eine Entscheidung fallen könnte. Aus Sicht der Finanzministerin ist eine Eilentscheidung des Verfassungsgerichts möglich. Wenn es so käme, dann müsste man sofort die Ausgaben stoppen, sagt sie. Bisher hätten SPD und FDP aber "keine Eile an den Tag gelegt", so Monika Heinold.
Beim Landesverfassungsgericht in Schleswig hält man eine Entscheidung noch in diesem Jahr eher nicht für realistisch.. Auch CDU-Fraktionschef Tobias Koch glaubt nicht, dass so bald ein Urteil fällt. Das würde bedeuten, dass bereits ausgezahlte Kredite erst im Nachhinein als verfassungswidrig festgestellt werden, so Koch. Der CDU-Fraktionschef vermutet, dass es den Fraktionen gar nicht darum geht, den Haushalt wirklich noch zu stoppen - und wirft ihnen deshalb "Doppelmoral" vor.
Der SSW - der den Haushalt mit beschlossen hatte - nennt die Klage "unnötig." Denn gerade im Haushalt 2024 seien die strengen Auslegungen des Bundesverfassungsgerichts zu Notkrediten hinreichend berücksichtigt worden, so Fraktionschef Lars Harms.