Haushaltskürzungen in SH: Von Gänsefraß und Gerätehäusern
Schleswig-Holstein muss sparen. Nach der Aufhebung der umstrittenen Haushaltssperre läuft die Diskussion über die geplanten Kürzungen - ohne großen Aufschrei, aber mit deutlich wahrnehmbarer Kritik.
Einen Tag nachdem Schleswig-Holsteins Landesregierung ihre umstrittene Haushaltssperre aufgehoben hat, wird an vielen Stellen im nördlichsten Bundesland über die Folgen der angekündigten Einsparungen diskutiert. Als schlicht "nicht hinnehmbar" empfindet zum Beispiel Klaus-Peter Lucht die geplanten Kürzungen bei den Ausgleichszahlungen für Landwirte, denen Gänse die Felder leer fressen. Der Präsident des schleswig-holsteinischen Bauernverbandes meint, dass die Entschädigungen für Gänsefraß schon heute nicht ausreichen. Wenn die Zahlungen gekürzt würden, sagt Lucht, dann gehe das zulasten einer wettbewerbsfähigen Landwirtschaft: "Das geht nicht."
Statt 600.000 Euro soll es in diesem Jahr 400.000 Euro für besagte Ausgleichszahlungen geben. Das ist nur ein Punkt in der langen Sparliste des Kabinetts, die Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) am Dienstag vorgestellt hat. Die Ministerien haben dafür ihre Haushaltsposten durchforstet und nach Einsparmöglichkeiten gesucht.
Verbände: Sorge um Soziale Arbeit
Konkret abschätzbar sind die Folgen der beschlossenen Maßnahmen bisher nicht überall. Die Wohlfahrtsverbände, die im Vorfeld vor Streichungen im sozialen Bereich gewarnt hatten, wollen die Liste erst in Ruhe bewerten. Michael Saitner, dem Vorsitzenden des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Schleswig-Holstein, fallen aber bereits einige Punkte ins Auge: "In den Bereichen Ganztagsschulen, DaZ-Maßnahmen, Extremismus- und Rassismusforschung in der Polizei sowie Altenpflegehilfe-Ausbildungsunterstützung soll nun ordentlich gekürzt werden."
Das seien Bereiche, "in denen wir als Gesellschaft keine Streichungen verkraften können, insbesondere in Anbetracht der ohnehin prekären Finanzierungsstrukturen innerhalb der Sozialen Arbeit", so Saitner. Er beklagt außerdem mangelnde Planungssicherheit für soziale Organisationen.
Bildungsministerium: Keine Einschränkungen bei DaZ-Kursen
Auch bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stoßen die Kürzungen auf Kritik: Man brauche Investitionen, keine Kürzungen, so die Landesvorsitzende Astrid Henke. Auch sie kritisiert Kürzungen bei Ganztagsbetreuung und DaZ (Deutsch als Zweitsprache).
Das Bildungsministerium stellt dazu allerdings klar: Es sei für diesen Posten weniger Geld abgeflossen als vorhergesehen. "Umfang und Qualität des DaZ-Unterrichts werden daher in keiner Weise eingeschränkt", so das Ministerium. Und bei den Altenpflegeschulen habe es eine geringere Zahl von Bewerberinnen und Bewerbern gegeben. "Dadurch ergab sich für uns die Möglichkeit, eingeplante Mittel zu kürzen", so ein Ministeriumssprecher.
Sozialministerium: Keine aktiven Kürzungen im Sozialbereich
Nicht alles, was auf der Kürzungsliste steht, ist also per se eine Kürzung. "Es finden keine aktiven Kürzungen im Sozialbereich statt", heißt es aus dem Sozialministerium. "Kein Verband oder Verein muss damit rechnen, weniger Geld zu bekommen", so ein Sprecher. Das Ministerium bringt nach eigenen Angaben zehn Millionen Euro aus internen Rücklagen auf, um eine Tarifanpassung bei den Kitas umzusetzen. Aber: "Die Herausforderungen bestehen für 2024. Dort wird die gesamte Landesregierung hohe Einsparungen vornehmen müssen."
Sparbedarf steigt in den kommenden Jahren
Leichter wird das Sparen in den kommenden Jahren also nicht: Bis 2027 sinkt die Einnahmeerwartung des Landes laut Mai-Steuerschätzung um rund 2,8 Milliarden Euro. Die Lücke, die die Ministerien in diesem Land schließen mussten, lag bei 144 Millionen Euro. Fürs kommende Jahr hatte die Finanzministerin bei ihrer Pressekonferenz vor zwei Wochen schon ein Minus von 600 Millionen Euro im Vergleich zur jüngsten Steuerschätzung in Aussicht gestellt.
Michael Saitner vom Paritätischen Wohlfahrtsverband blickt mit großer Sorge auf die Haushaltsplanung der kommenden Jahre. Auch AWO-Landeschef Michael Selck sagt zwar, die beschlossenen Maßnahmen seien "nicht der befürchtete Kahlschlag". Dass die Ministerin aber eine weitere Haushaltssperre in diesem Jahr nicht ausgeschlossen habe, ließe "das Schlimmste befürchten", so Selck.
Ministerien berichten in den Ausschüssen
Im Landtag ist die Sparliste der Landesregierung in dieser Woche täglich Thema. Nachdem Finanzministerin Heinold am Dienstag dem Finanzausschuss die Pläne präsentiert hat, standen am Mittwoch die Innen- und Justizministerin im Innen- und Rechtsausschuss Rede und Antwort.
Die Frage des SSW-Fraktionsvorsitzenden Lars Harms, wie sich die Einsparungen etwa beim Landessportverband auswirken werden, konnte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) noch nicht beantworten. 250.000 Euro sollte der Verband eigentlich im Zuge der Nachschiebeliste bekommen - nun wurde der Posten komplett gestrichen. Hauptgeschäftsführer Manfred Konitzer-Haars wundert das - denn man habe die Summe gerade erst vor acht Wochen zugesichert bekommen. "Schwer nachvollziehbar" nennt Konitzer-Haars die Entscheidung. Auch die Gemeinden bekommen weniger Geld für die Sportförderung.
Niclas Dürbrook von der SPD kritisierte, das Land spare an der Sicherheit. Er meint damit etwa die Halbierung der Mittel für die sogenannten Präventionsambulanzen. Das Projekt habe die Koalition vor wenigen Wochen "als eine der zentralen Lehren aus der Brokstedt-Tat dargestellt", so Dürbrook. Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU) erklärt, es handle sich um ein Projekt, das noch nicht gestartet sei. Aber auch bei der Einbruchsprävention sieht Dürbrook die Pläne des Landes kritisch. Der FDP-Abgeordnete Bernd Buchholz erkundigt sich nach den Kürzungen bei Einbruchschutzprogrammen - und Feuerwehrgerätehäusern.
Feuerwehr kommt glimpflich davon
Innenministerin Sütterlin-Waack berichtet, dass die Mittel für den Einbruchschutz - trotz Werbung - in den vergangenen Jahren nicht in voller Höhe abgerufen wurden. Mit Blick auf die Feuerwehrgerätehäuser sagt sie, 8,5 Millionen Euro seien "immer noch eine Summe, über die sich die Kommunen freuen". Ursprünglich sollten es zehn Millionen Euro sein. Die Kürzungen seien zwar "nicht gut", sagt der Geschäftsführer des Landesfeuerwehrverbandes, Volker Arp. Er hält sie aber für verkraftbar.
Im Ausschuss sagte Lars Harms vom SSW, dass die Haushaltssperre nicht nötig gewesen sei. Tim Brockmann von der CDU dagegen verwies auf den starken Rückgang der Einnahmen. Er verlangt, die Opposition möge doch "die Realitäten wahrnehmen".
Sondersitzung des Landtags am Freitag
Sowohl Sütterlin-Waack als auch von der Decken verteidigen die Haushaltssperre. Zwar habe sie gerade bei der Polizei auch für "praktische Schwierigkeiten" gesorgt, sagt Innenministerin Sütterlin-Waack. Doch mit Blick auf die großen Lücken im Haushalt sei die Maßnahme nötig gewesen. Gleichzeitig sagte Sütterlin-Waack aber auch: Sie wolle die Verantwortung nicht wegschieben - aber die Haushaltssperre sei eine Entscheidung der Finanzministerin.
Während die Verbände die Liste weiter durchforsten werden, wird auch die Detailarbeit im Landtag weitergehen. Am Donnerstag im Sozialausschuss etwa. Und am Freitag kommt der Landtag dann auf Antrag der Opposition zu einer Sondersitzung zusammen.