Haushaltssperre in SH: Landesregierung will Ausgabenstopp aufheben
Weil die Einnahmen in Schleswig-Holstein einbrechen und die Ausgaben steigen, hatte das Finanzministerium eine vorläufige Haushaltssperre verhängt. Nach heftiger Kritik hebt die schwarz-grüne Landesregierung die Sperre nun schnell wieder auf.
Schleswig-Holsteins Landesregierung aus CDU und Grünen will ihre umstrittene Haushaltssperre aufheben. Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) sagte, man arbeite mit Hochdruck daran, die Sperre wieder aufzuheben und sich auf ein vernünftiges Konzept im Kabinett zu verständigen. Bis Freitagmittag (26.5.) hatten Ministerien und Staatskanzlei Zeit, Einsparvorschläge zumachen, um wegbrechende Steuereinnahmen auszugleichen.
Die Ressorts sollten in drei Varianten jeweils Einsparvorschläge für 10, 15 und 20 Prozent des erwarteten Fehlbetrags vorlegen. "Ziel ist es, die Sperre Ende nächster Woche aufzuheben. Wie angekündigt, ist sie nur ein vorläufiges Instrument", sagte Heinold am Mittwoch. Die Haushaltssperre sei nie als Dauerlösung angedacht gewesen, so die Ministerin.
Heinold hofft auf verträgliche Lösungen
Darüber, wo gekürzt werden könnte, wurde Vertraulichkeit vereinbart bis es beschlossen ist. Heinold unterstrich, man habe gesagt, Daseinsvorsorge und soziale Sicherheit seien wichtig. Sie hoffe auf eine Lösung, die für alle Beteiligten gut verträglich sei. In diesem Jahr sei die Aufgabe noch einfacher, in den kommenden beiden Jahren seien die Lücken deutlich größer. Am Wochenende will Heinold gemeinsam mit ihrem Staatssekretär die Sparlisten durchgehen und die weiteren Schritte vorbereiten.
Opposition spricht von Panik-Aktion und Kurzschlussreaktion
Exakt eine Woche ist es her, dass Heinold nach einer Kabinettssitzung die vorläufige Haushaltssperre verkündet hatte - es folgte massive Kritik von Gewerkschaften, Sozialverbänden, der Opposition und dem Landesrechnungshof. Seitens der Opposition gab es am Mittwoch erneut heftige Kritik: SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller hält die Sperre für "absolut übertrieben" und forderte, sie sofort aufzuheben. Das Land brauche eine Landesregierung, die überlegt handelt. "Der Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit der Landesregierung ist überall spürbar", sagte Losse-Müller. Es stünden viele wichtige Investitionen an.
FDP-Fraktionschef Christopher Vogt sieht die Haushaltssperre als Folge einer "sehr, sehr schlechten Planung" an. Er sprach von einer "merkwürdigen Panik-Aktion" und einem "schwarz-grünen Dilettantenstadl", der für völlige Verunsicherung im Land sorge. Lars Harms, der für den SSW seit 23 Jahren im Landtag sitzt, urteilte: "Was die Landesregierung hier abliefert, ist nicht weniger als die chaotischste Haushaltspolitik, die ich bisher erlebt habe."
Landesrechnungshof: Haushaltssperre ist unverhältnismäßig
Tadel gab es auch vom Landesrechnungshof. "Wir reden hier über ein Problem von weniger als einem Prozent der Haushaltsmittel", sagte Präsidentin Gaby Schäfer. Eine Haushaltssperre sei deshalb aus ihrer Sicht unverhältnismäßig. Es sei viel Unsicherheit entstanden. Eine Haushaltssperre sei für gewöhnlich nur bei dauerhaft besonders krassem Missverhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben das Mittel der Wahl, so Schäfer.
Der Präsident des Bundes der Steuerzahler im Land, Aloys Altmann, bezeichnete das Vorgehen der Regierung als höchst irritierend, es lasse sich rational kaum erklären: "Offenbar hat sich erst jetzt bei Monika Heinold und Daniel Günther die Erkenntnis durchgesetzt, dass die großzügigen Versprechen des schwarz-grünen Koalitionsvertrages auf Sand gebaut waren." In der Euphorie des Wahlerfolgs sei die Koalition von viel zu optimistischen Einnahmeerwartungen ausgegangen.
Haushaltssperre trifft zum Beispiel Vereine und Verbände hart
Mit einer Haushaltssperre dürfen im Grundsatz keine Ausgaben geleistet oder Verpflichtungen eingegangen werden, für die keine gesetzliche oder vertragliche Bindung besteht. So hätte das Land zum Beispiel keine Zuschüsse mehr an Vereine und Verbände zahlen können.
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) beispielsweise stehe vor der Herausforderung, dass man viele Projekte bereits begonnen habe, ohne Förderbescheide zu haben, so Anette Langner, Vorstandsmitglied des DRK Schleswig-Holstein. Sie hätten sich auf die Zusage der Ministerien verlassen und bereits Personal eingestellt und Infrastruktur bereitgestellt. " Wir hoffen auf jeden Fall sehr, dass wir uns auf diese Zusagen verlassen können", so Langner im Interview mit NDR Schleswig-Holstein. Auch Julia Bousboa vom Paritätischen SH hofft, dass wichtige soziale Anlaufstellen weiter finanziert werden. "Die ganze Gesellschaft ist ja durch unsere Krisen, durch die wir seit Jahren gehen, wirklich stark gebeutelt und die soziale Arbeit kann das auffangen", so Bousboa.
Nach der sogenannten Mai-Steuerschätzung hatte Heinold am 16. Mai skizziert, dass die Einnahmeerwartung für den Zeitraum 2023 bis 2027 um insgesamt 2,8 Milliarden Euro im Vergleich zur Oktober-Steuerschätzung sinke. Nach ihrer Berechnung gibt es für 2024 eine Lücke von 450 Millionen Euro.
Sondersitzung für den 2. Juni geplant
Die Oppositions-Fraktionen von SPD, FDP und SSW stellten am Mittwoch einen Antrag auf eine Sondersitzung des Landtages mit einer Regierungserklärung des Ministerpräsidenten für die kommende Woche. Die Haushaltssperre habe "zu großer Verunsicherung in der Bevölkerung und bei Vereinen und Verbänden geführt", hieß es in einem gemeinsamen Schreiben.
Für kommenden Dienstag ist nun zunächst eine Sondersitzung des Finanzausschusses angesetzt, in deren Rahmen die Finanzministerin der Opposition vermutlich viele Fragen wird beantworten müssen. Unter anderem wird Heinold wohl auch begründen müssen, warum es keinen anderen Weg gab, ihre Kabinettskollegen auf einen Sparkurs einzustellen. Die Sondersitzung des Parlamentes soll dann am Freitag nächster Woche um 14 Uhr stattfinden. Das bestätigte ein Sprecher des Landtages NDR Schleswig-Holstein am Donnerstag.
Heinold: War richtiges Instrument zum richtigen Zeitpunkt
Heinold verteidigte die Entscheidung der Landesregierung für eine vorübergehende Haushaltsbremse am Mittwoch. Sie sei "das richtige Instrument zum richtigen Zeitpunkt nach der Steuerschätzung, um einmal deutlich zu machen: Wir brauchen jetzt Maßnahmen, damit uns das Jahr 2023 nicht aus dem Ruder läuft", sagte Heinold in Kiel. Die Haushaltslage des Landes habe sich zugespitzt. Die Grünen-Politikerin verwies auf den zu tilgenden Notkredit aus der Corona-Pandemie sowie das Inflationsausgleichsgesetz und ein Steuergesetz der Bundesregierung.
Letztere bedeuteten 400 Millionen Euro weniger Einnahmen für Schleswig-Holstein, sagte Heinold. Sie wisse um die Verunsicherung von Vereinen und Verbänden wegen der Haushaltsbremse, weil diese auf Zuschüsse angewiesen seien. Die Kritik am Vorgehen der Regierung habe sie deshalb nicht überrascht.
Wo den Rotstift ansetzen?
Den Vorwurf, im Bezug auf die Haushaltsbremse zurückzurudern, verneinte die Finanzministerin: "Natürlich wissen die Häuser seit letztem Dienstag, seit der Sperre, dass es eine Einsparnotwendigkeit gibt." Sie sei täglich mit den anderen Ministern der Koalition im Gespräch. Außerdem habe man schon in den vergangenen Jahren "Handlungsbedarfe in der Finanzplanung" gehabt. "Ich habe es immer wieder deutlich gesagt, in Pressemitteilungen, in Landtagsdebatten auch, dass uns bis zu einer halben Milliarde in der Finanzplanung fehlt", sagte Heinold am Mittwoch. Sie habe manchmal den Eindruck gehabt, dass sei nicht so richtig ernst genommen worden, so Heinold.
Sie verwies erneut auf die Einnahme- und Ausgabensituation des Landes: "Und wenn ich sehe, dass die Dinge in diesem Jahr und in den kommenden Jahren deutlich auseinanderlaufen, dann ist Handlungsbedarf." Eine Botschaft, die sich vor allem an die Ministerien und die Staatskanzlei richtet, die nun bis Ende der Woche überlegen müssen, wo sie den Rotstift ansetzen.