Haushaltssperre in Schleswig-Holstein in der Kritik
Eine Haushaltssperre ist aus Sicht des Landesrechnungshofes derzeit nicht das richtige Mittel. Der Ministerpräsident dagegen verteidigt sie. Verbände und Gewerkschaften fürchten Einschnitte.
Am Tag danach meldet die Innenministerin schon mal Bedarf an. Gerade hat Sabine Sütterlin-Waack (CDU) den Verfassungsschutzbericht 2022 vorgestellt. Dann erwähnt sie noch, dass die Sicherheitsbehörden ja gerade mit zusätzlichen Stellen versorgt wurden. Mit Blick auf die Ereignisse der letzten Tage - gemeint ist die am Dienstag verkündete vorläufige Haushaltssperre - stellt sie fest, dass in diesem Bereich "weiter Schwerpunkte gesetzt werden müssen."
Die schwarz-grüne Koalition muss jetzt um Prioritäten ringen und Einsparmöglichkeiten finden. Alle Ministerien sind gefragt. Und die Staatskanzlei. Ein Beispiel: Dienstreisen kommen auf den Prüfstand. Das betrifft etwa die geplanten Delegationsreisen des Ministerpräsidenten in die USA und nach Japan. 400 Millionen Euro müssen in diesem Jahr eingespart werden - so hatte es Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) gesagt.
Landesrechnungshof: Haushaltssperre "unverhältnismäßig"
Gaby Schäfer, die Präsidentin des Landesrechnungshofes, geht von anderen Zahlen aus. Sie zieht noch die von Heinold eingeplante Vorsorge ab - und sieht noch eine Lücke von 120 Millionen Euro in diesem Jahr. Bei einem Gesamthaushalt von 16 Milliarden. "Wir reden hier über ein Problem von weniger als einem Prozent der Haushaltsmittel", so Schäfer.
Die Haushaltssperre ist deshalb aus ihrer Sicht unverhältnismäßig. Denn sie werde "in der Regel nur verhängt, wenn ein besonders krasses und nicht nur vorübergehendes Missverhältnis besteht zwischen Einnahmen und Ausgaben. Und das - das kommt hinzu - auf andere Weise nicht behebbar ist. Und das liegt hier offenkundig nicht vor."
Opposition verärgert über den vorläufigen Ausgabestopp
Bei der Opposition ist der Ärger seit dem Vortag nicht verflogen: SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller hält die Haushaltssperre für "absolut übertrieben." FDP-Fraktionschef Christopher Vogt sieht die Maßnahme als Folge einer "sehr, sehr schlechten Planung" - sie schüre Verunsicherung im Land. Lars Harms vom SSW fordert, die Koalition müsse vor der Sommerpause noch entscheiden, wie es weitergeht.
Lösung soll "schnellstmöglich" kommen
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagt, dass die Landesregierung "schnellstmöglich" die Frage beantworten will, wo Einschnitte vonnöten seien. Auch in den kommenden Jahren seien Lücken zu schließen. Die vorläufige Haushaltssperre verteidigt er: "Wir mussten reagieren, weil die regionalisierte Steuerschätzung jetzt vorliegt."
Über inhaltliche Schwerpunktsetzungen will er nicht spekulieren. Nur so viel: "Alles ist auf dem Prüfstand." Auf mögliche Streitthemen zwischen CDU und Grünen angesprochen sagt Günther: "Wir ziehen in allen Bereichen an einem Strang." Man werde die Entscheidungen gemeinsam treffen - so wie die vom Dienstag auch.
Bündnis aus Verbänden und Gewerkschaft ist besorgt
Bei Verbänden und Gewerkschaften werden angesichts der Haushaltssperre unangenehme Erinnerungen wach: 2009 - als es schon einmal eine gab - seien die Einschnitte und Kürzungen "nur schwer zu überstehen gewesen", heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Verbänden wie DGB, AWO und Kinderschutzbund. Auch Mieterbund und Wohnungsunternehmen sind im Bündnis vertreten.
Sorge vor Einsparungen bei Beratungsangeboten
Heute seien die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aber komplett verändert: Die Gesellschaft stehe nach diversen Krisen unter ernormem Druck. "Die Regelsysteme sind ausgelaugt und die Beschäftigten oftmals an und über ihren Belastungsgrenzen." Die Verbände und Gewerkschaften fordern die Landesregierung daher auf, "von Einsparungen im Bereich der sozialen Daseinsfürsorge – von Beratungsangeboten, Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe, der Ehrenamtsunterstützung, über Migrations- und Integrationsprojekten bis hin zur Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus – Abstand zu nehmen."
Gewerkschaft der Polizei: "Es kann ungemütlich werden"
Von der Gewerkschaft der Polizei kam die Warnung, dass die Haushaltssperre für große Unruhe in der Mitarbeiterschaft sorgen könnte. "Wer jetzt oder demnächst in der Landesregierung daran denken sollte, als erstes gerade bei denjenigen zu sparen, die sich unablässig für diesen Staat einsetzen, wird sich auf deutliche Reaktionen der Gewerkschaft der Polizei einstellen müssen", so deren Landesvize Sven Neumann. Seine Prognose: "Es kann ungemütlich werden."
Möglicherweise gilt das auch für die Beratungen in der Koalition.