Sinkende Steuereinnahmen: Land verhängt vorläufige Haushaltssperre
Dass die Steuereinnahmen sinken und die Ausgaben steigen dürften, hatte sich zuletzt schon angekündigt. Nun ist die regionalisierte Mai-Steuerschätzung da. Und das Land zieht die Notbremse.
Das Finanzministerium verhängt eine vorläufige Haushaltssperre. Diesen Plan hat das Kabinett heute abgesegnet. Das Land erwartet geringere Steuereinnahmen: "Wir stehen vor großen Herausforderungen. In diesem Jahr fehlen uns fast 400 Millionen Euro und im kommenden Jahr über 600 Millionen Euro im Vergleich zur letzten Steuerschätzung", sagte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) heute anlässlich der Vorstellung der regionalisierten Steuerschätzung.
Gleichzeitig stehen fürs Land höhere Ausgaben an, etwa durch Steuerentlastungspakete des Bundes. "Hinzu kommen inflationsbedingte Kostensteigerungen, Tariferhöhungen und steigende Zinsen", so Heinold. All das wirkt sich schon in diesem Jahr auf den Haushalt aus. Und in den nächsten Jahren geht der Trend weiter. Bis 2027 rechnet Heinold mit rund 2,8 Milliarden Euro weniger an Einnahmen.
Fürs erste keine neuen Förderbescheide
Die Haushaltssperre gilt ab heute. Für wie lang, ist noch offen. Sie sei aber keine "Dauerlösung", so Heinold. Es dürften damit "bis auf Weiteres keine Ausgaben geleistet oder Verpflichtungen eingegangen werden, für die zum jetzigen Zeitpunkt keine gesetzliche oder vertragliche Bindung besteht."
Das gilt etwa für Zuwendungen oder Zuschüsse an Institutionen, Verbände und Vereine - es sei denn, es gibt dafür eine rechtliche Verpflichtung, sei es durch gesetzliche Regelungen oder schon verteilte Förderbescheide.
Heißt auch: Wer derzeit noch auf einen Förderbescheid hofft, wird ihn momentan nicht bekommen, weil es eine Sperre für solche "freiwilligen Leistungen" des Landes gibt.
Eingestellt und gebaut wird trotzdem
Auch Neuanmietungen oder die Beauftragung von Gutachtern, bis hin zur Beschaffung von Bürobedarf sind von der Haushaltssperre betroffen. Ausnahmen muss das Finanzministerium absegnen. Die Ministerien müssen in dem Fall aber sagen, wo sie stattdessen sparen wollen.
Ausgenommen von der vorläufigen Haushaltssperre sind dagegen Investitionen und Personalausgaben: Laufende Bauprojekte etwa sollen weiterlaufen, Förderungen weitergehen - und Personal soll weiter eingestellt oder befördert werden. Man wolle das "Land trotz allem weiter voranbringen", so Heinold. Zuletzt gab es eine Haushaltssperre der Finanzministerin zufolge im Jahr 2009.
Spielraum wird enger
Jetzt muss die Regierung sich auf Sparmaßnahmen verständigen. "Wir setzen uns in den nächsten Wochen zusammen, um zu schauen, wie wir Einsparungen für dieses Jahr, aber insbesondere auch für 2024 und folgende miteinander vereinbaren können." Laut Heinold ist noch offen, welche Projekte priorisiert werden.
Freude ausgelöst habe ihr Plan im Kabinett natürlich nicht, so die Finanzministerin. Aber der Blick auf die Zahlen habe alle überzeugt. Heinold stellt sich auf anstrengende Wochen und Monate ein, gibt sich aber optimistisch.
"Die Ergebnisse der heutigen Mai-Steuerschätzung zeigen, dass die finanziellen Möglichkeiten des Landes weniger und der politische Spielraum spürbar enger werden", sagt Ole Plambeck, der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Er betont, dass die Schuldenbremse eingehalten werden - und gleichzeitig notwendige Investitionen getätigt werden sollten. "Wir müssen daher bereits in diesem Jahr den Gürtel enger schnallen und uns zügig auf erste Einsparungen bereits im laufenden Haushalt verständigen", so Plambeck.
Die Haushaltssperre kann erst dann aufgehoben werden, wenn sich die schwarz-grüne Koalition auf ein Sparpaket verständigt hat, das in diesem Jahr rund 400 Millionen Euro einsparen kann.
Opposition kritisiert Ausgabe-Verhalten der Landesregierung
Das Land hätte es besser wissen müssen, findet Lars Harms vom SSW. "Denn genau davor wurde massiv gewarnt, als Schwarz-Grün das Geld noch mit beiden Händen ausgegeben hat." Inflation und steigende Zinsen seien keine neuen Phänomene. "Und auch Tariferhöhungen dürften die Finanzministerin kaum eiskalt erwischen", sagt Harms. Auf keinen Fall, sagt er, dürfe die Landesregierung von der Umsetzung der Tarifabschlüsse abrücken.
Annabell Krämer von der FDP meint, die vorläufige Haushaltssperre könne nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein, um die Finanzlage zu stabilisieren. Die Landesregierung müsse ihre langfristigen Prioritäten festlegen. "Es wird für die Finanzministerin sehr schwierig werden, die verschiedenen Wünsche von CDU und Grünen geräuschlos zusammenzubringen. Die Zeit für große Ausgabenwünsche ist jedenfalls erstmal vorbei", sagt Krämer.
"Jetzt gilt es, zügig die Herausforderungen zu sortieren und Lösungen zu ermitteln. Wir stellen uns als Koalition dieser Aufgabe", sagt Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter.
SPD will Sondersitzung des Finanzausschusses
Bei der SPD sorgt die Ankündigung der vorläufigen Haushaltssperre für Verwunderung: Vor fünf Monaten habe die Finanzministerin erst einen unerwarteten Haushaltsüberschuss von einer Milliarde verkündet - und heute eine Haushaltssperre. "Die bekannten Fakten rechtfertigen diesen drastischen Schritt nicht", sagen Fraktionschef Thomas Losse-Müller und die finanzpolitische Sprecherin Beate Raudies. Sie fragen sich: "Was verschweigt uns Finanzministerin Heinold?" Auch habe der Ministerpräsident kurz vor der Kommunalwahl noch zwei Milliarden Euro für Wärmenetze versprochen.
Ihre Fragen will die SPD in einer Sondersitzung des Finanzausschusses und bei der nächsten Landtagssitzung von der Ministerin beantworten lassen.