Haushaltssperre in SH wird nach nur zwei Wochen aufgehoben
Schleswig-Holsteins Landesregierung hebt die erst vor zwei Wochen verhängte Haushaltssperre wieder auf - trotz 144-Millionen-Euro-Lücke. Die Opposition wirft der Finanzministerin einen "offensichtlichen Fehler" vor.
Nach der massiven Kritik an der vorläufigen Haushaltssperre hat Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) angekündigt, diese noch am Dienstag (30.5.) aufzuheben. Zuvor hatte das Landeskabinett Sparmaßnahmen beschlossen. "Am Ende muss die Kasse stimmen", sagte Heinold im Finanzausschuss des Landtags, der auf Antrag der Opposition zu einer Sondersitzung zusammengekommen war. "Wir richten den Haushalt bei sinkenden Einnahmen und steigenden Kosten neu aus", erklärte Heinold.
Losse-Müller: Haushaltssperre war "offensichtlicher Fehler"
Oppositionsführer Thomas Losse-Müller (SPD) mutmaßte, die Sperre habe eine Disziplinierung der Minister zum Ziel gehabt. Gleich mehrfach fragte er während der Ausschusssitzung nach konkreten Einsparungen durch die zweiwöchige Haushaltssperre, bekam aber keine präzise Antwort. Die Sperre sei ein offensichtlicher Fehler, so der SPD-Politiker.
Viel Kritik an Haushaltssperre in zwei Wochen
Mitte Mai hatte das Land nach einer neuen, regionalisierten Steuerschätzung eine vorläufige Haushaltssperre verhängt. Damit dürfen im Grundsatz keine Ausgaben geleistet oder Verpflichtungen eingegangen werden, für die keine gesetzliche oder vertragliche Bindung besteht - dazu zählen zum Beispiel Zuschüsse an Vereine und Verbände.
Von der Opposition, aber unter anderem auch von Gewerkschaften, Sozialverbänden und dem Landesrechnungshof gab es massive Kritik an der Haushaltssperre. Nach nur einer Woche kündigte Heinold dann an, die Sperre wieder aufheben zu wollen - es brauche aber ein vernünftiges Konzept, um die finanzielle Lücke zu schließen.
Dafür hatten alle Ministerien und die Staatskanzlei bis Ende vergangener Woche Zeit, Sparlisten einzureichen. Am Wochenende wurden diese zusammengeführt, am Dienstagvormittag im Kabinett darüber beraten.
Lücke von 144 Millionen Euro muss geschlossen werden
Gemeinsam und konstruktiv habe man in der angespannten Haushaltslage Lösungen für das laufende Jahr gefunden, so Heinold im Finanzausschuss. Den Handlungsbedarf für 2023 bezifferte sie angesichts von Steuermindereinnahmen und erwarteten tarifbedingten Kostensteigerungen auf 144 Millionen Euro.
Ziel: Verbindliche Personalbudgets und Kürzungen
Für Einsparungen sollen zum Beispiel feste Budgets für die Personalkosten der Ressorts erstellt werden. Dafür werden laut Heinold zunächst die Personalkosten aktualisiert. Grundlage für die Berechnung sei der beschlossene Stellenbestand im Haushalt. Die Finanzministerin betonte, dass es sich bei diesem Schritt nicht um eine Wiederbesetzungssperre handle. Nichtsdestotrotz sei mehr Verbindlichkeit in den Personalbudgets notwendig. Durch die festen Budgets können laut Heinold 50 Millionen Euro zusätzlich für den kommenden Tarifabschluss reserviert werden.
Millionen-Einsparungen in den Ressorts
Außerdem müssen alle Ressorts sparen - beispielsweise bei Dienstreisen, bei Repräsentationsausgaben oder bei Zuwendungen und Förderungen. So will das Innenministerium 2023 insgesamt 8,5 Millionen Euro einsparen - davon rund 1,7 Millionen Euro bei der Polizei und 1,5 Millionen bei Feuerwehr und Katastrophenschutz, im Bereich Sportförderung sollen 990.000 Euro weniger ausgegeben werden.
Das Bildungsministerium will 9,7 Millionen Euro einsparen, das Justizministerium 5 Millionen. Das Sozialministerium will 13 Millionen weniger ausgeben. Beim Umweltministerium sind es rund 4,5 Millionen weniger, beim Wirtschaftsministerium 3,2 Millionen und beim Finanzministerium 1,6 Millionen.
Heinold wehrt sich gegen Intransparenz-Vorwürfe
Mit diesen Maßnahmen könne die Haushaltssperre aufgehoben werden, sagte Heinold. Dennoch betonte die Ministerin, dass die finanzielle Situation angespannt sei. Dabei wehrte sie sich im Ausschuss auch gegen die Vorwürfe, die Haushaltslage des Landes im Vorfeld der Sperre nicht transparent gemacht zu haben. "Die Haushaltssperre war richtig, es war der richtige Zeitpunkt, die richtige Maßnahme", sagte die Finanzministerin.
Zum Vorwurf, die Haushaltssperre sei bereits länger als öffentlich kommuniziert geplant gewesen, sagte Heinold, sie habe bereits im Vorfeld auf die angespannte finanzielle Situation hingewiesen. Die Entscheidung für die Haushaltssperre sei aber erst nach der Kommunalwahl gefallen.
CDU verteidigt Haushaltssperre
Die CDU verteidigte die Haushaltssperre sowie das gesamte Vorgehen ebenfalls. Die Steuerschätzung habe den Landeshaushalt vor eine völlig neue Herausforderung gestellt, sagte CDU-Finanzpolitiker Ole-Christopher Plambeck: "Solide Haushaltspolitik bedeutet, umgehend auf neue Situationen zu reagieren. Daher war es richtig, dass die
Landesregierung mit der vorläufigen Haushaltssperre die Situation umgehend transparent gemacht hat und schnell innerhalb von zwei Wochen die richtigen Antworten gefunden hat."
SPD fordert Regierungserklärung
Mehrere Abgeordnete im Finanzausschuss stellten dagegen erneut die Sinnhaftigkeit der umstrittenen Haushaltssperre in Frage. Oppositionsführer Losse-Müller meinte nach der Ausschusssitzung, es sei deutlich geworden, dass die Haushaltssperre unnötig gewesen sei. "Die Finanzministerin konnte keinen einzigen guten Grund nennen, warum die Haushaltssperre nötig war, außer dass sie das letzte Instrument ist, damit sie anderen Ministern zeigen kann, was geht und was geht nicht." Er forderte eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, in der er den weiteren Kurs der Finanzpolitik erklären soll.
SSW sorgt sich um Vereine und Verbände
Lars Harms vom SSW bezeichnete die Haushaltssperre als "völligen Blödsinn". Der Schritt habe unnötig Panik bei Verbänden und Vereinen verursacht. So etwas verbreite Unsicherheit. Harms kritisierte die geplanten Sparmaßnahmen bei Sportverbänden, beim E-Sport, bei Tierheimen und im sozialen Bereich: "Es ist schon so, dass man weiß, dass es immer schwieriger wird mit dem Haushalt", sagte Harms. "Aber ich finde, es bedarf eines gewissen Vorlaufes, dass Vereine und Verbände sich auch darauf vorbereiten können." Wer nun von den Einsparungen betroffen sei, könne das nicht. "Das ist falsche Politik in meinen Augen", sagte Harms.
Paritätischer Wohlfahrtsverband: Einschnitte schaden massiv
Um die geplanten Kürzungen sorgt sich auch der Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Michael Saitner. "Wir müssen natürlich sehr genau schauen, in welchen Bereichen werden jetzt Einschnitte vorgenommen werden. Und ich kann sagen, dass jeder Einschnitt in jedem auch noch so kleinen Projekt natürlich massiven Schaden hervorruft", erklärte Saitner: "Die Strukturen, die wir jetzt möglicherweise kurzfristig kaputt sparen, kriegen wir nicht wieder aufgebaut."
FDP: Sparmaßnahmen auch anders erreichbar
Auch FDP-Finanzpolitikerin Annabell Krämer beklagte, es werde nun symbolhaft bei den Schwächsten gestrichen, wie bei Vereinen, Verbänden oder der Feuerwehr. Das sei das falsche Signal. Man hätte die Sparmaßnahmen auch auf anderem Weg beschließen können, so der Vorwurf von Krämer. Die Ministerin habe nicht erklären können, warum es die Haushaltssperre gebraucht habe. "Aus meiner Sicht ging es nur darum, das Kabinett zu disziplinieren", sagte die FDP-Politikerin.
Landesrechnungshof kritisiert Vorgehen
Die Präsidentin des Landesrechnungshofes, Gaby Schäfer, hätte sich ebenfalls ein anderes Vorgehen der Landesregierung gewünscht. "Ganz kameradschaftlich im Kabinett hätte man sich zusammen gesetzt und hätte von vornherein entweder einen etwas weniger aufgeblähten Haushalt verabschiedet oder aber man hätte sich auf Kürzungen im laufenden Jahr bis Ende des Jahres verständigt. Das wäre sehr viel unaufgeregter möglich gewesen", sagte Schäfer.