Gewalt gegen Ärzte in SH: Fast die Hälfte erlebt Übergriffe
Aggressionen und Gewalt im Arbeitsalltag: Laut einer Umfrage der Ärztekammer Schleswig-Holstein haben fast die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte bereits Gewalt erfahren.
Ärztinnen und Ärzte in Schleswig-Holstein machen laut einer aktuellen Umfrage der Ärztekammer zunehmend Erfahrungen mit Gewalt. 49 Prozent der etwa 1.700 Teilnehmenden gab an, in den letzten drei Jahren persönlich bedroht oder angegriffen worden zu sein. Etwa jeder Zweite der teilnehmenden Ärzte arbeitet im Krankenhaus. Dort berichten etwas mehr Mediziner (54 Prozent) von Gewalterfahrungen als die Kollegen in den Praxen (45 Prozent).
Umfrage der Ärztekammer: 1.700 Teilnehmende aus SH
Die Verbreitung von Gewalt gegen Kolleginnen und Kollegen ist auch ein Thema, über das sich die Ärzte austauschen: 46 Prozent der Befragten kennen demnach ein bis drei Kollegen, denen bereits Gewalt widerfahren ist. Der Präsident der Ärztekammer, Prof. Henrik Herrmann, reagiert betroffen.
"Diese Ergebnisse sind gravierend. Neben den Betroffenen selbst leidet auch das Verhältnis zu den Patienten." Prof. Henrik Herrmann, Präsident der Ärztekammer SH
Er fordert, dass Arbeitgeber im Gesundheitswesen die Beschäftigten besser schützen müssen.
Meist verbale Gewalt, aber auch körperliche Angriffe
In etwas mehr als der Hälfte der Fälle ist verbale Gewalt im Spiel: Ärztinnen und Ärzte werden beispielsweise von Patienten oder deren Angehörigen verbal attackiert oder bedroht. In rund jedem dritten Fall würden körperliche Angriffe verübt. Als Reaktion hat laut Umfrage fast die Hälfte der Praxen und Krankenhäuser Notfallknöpfe installiert. Auch Sicherheitsdienste sollen Beschäftigte vor Übergriffen schützen.
Gewalt beeinflusst Vertrauensverhältnis zu den Patienten
Die Angriffe wirken sich laut der Umfrage auch auf das Verhalten der behandelnden Ärztinnen und Ärzte aus: 38 Prozent gaben an, dass sie nach der Gewalterfahrung im Umgang mit Patienten distanzierter seien und weniger Empathie empfänden. Außerdem leiden 15 Prozent unter Schlafstörungen, Panikattacken oder Depressionen. Fünf Prozent der Betroffenen benötigen eine Therapie, um das Erlebte zu verarbeiten.
Gründe für den Anstieg laut Ärztekammer vielfältig
Einen möglichen Grund für das aggressive Verhalten der Patienten sehen Ärzte im gestiegen Anspruchsdenken: Patientinnen und Patienten würden demnach eine zu hohe Erwartungshaltung an die Behandlung stellen. Hinzu kämen eine erhöhte Gewaltbereitschaft, allgemeine Respektlosigkeit und Unzufriedenheit mit der Gesundheitspolitik.
Umfrage des Marburger Bund mit ähnlichen Ergebnissen
Auch im am Donnerstag veröffentlichten Monitor des Marburger Bundes berichtet ärztliches Personal über eine Zunahme von Gewalt in Krankenhäusern. Demnach geben 41 Prozent der Befragten Medizinerinnen und Mediziner an, dass es eine Gewaltzunahme in den vergangenen fünf Jahren gegeben hat. An der Befragung beteiligten sich laut Marburger Bund in der Zeit vom 27. September 2024 bis zum 27. Oktober 2024 bundesweit 9.649 angestellte Ärztinnen und Ärzte.