Erdbeben in Türkei und Syrien: Aus Neumünster kommt Hilfe
Nach aktuellem Stand haben fast 5.000 Menschen das Erdbeben in der Türkei und in Syrien nicht überlebt. Eine Spedition aus Neumünster macht sich auf den Weg, um schnell zu helfen. Semra Ates arbeitet dort mit ihrem Mann. Sie hat im Katastrophengebiet Verwandte.
Semra, Du hast selbst Familie in der türkischen Stadt Gaziantep, und die liegt ganz nah am Epizentrum des Bebens. Was hast Du von deinen Verwandten und Freunden gehört?
Semra Ates: Ich weiß, dass es momentan sehr viele Opfer gibt. Dass sehr viele ihre Familienmitglieder verloren haben. Und auch unsere Familie ist betroffen. Verwandte sind gestorben, aber nicht ersten Grades. Also Mutter, Schwester und Bruder sind noch heil, die Häuser sind weg. Momentan geht es da in erster Linie um Leben und Tod. Es ist komischerweise sehr kalt momentan da, was eigentlich gar nicht üblich ist in Gaziantep und in der Umgebung. Und die Leute sind jetzt gerade auf den Straßen und haben auch Angst, in ihre Häuser reinzugehen, wo es noch ein bisschen ungefährlicher ist. Aber sie können nicht schlafen. Sie haben Angst.
Es gibt ständig Nachbeben. Wie hast du es geschafft, so schnell einen Hilfstransport auf die Beine zu stellen?
Ates: Mit Hilfe vieler türkischer Gemeinden. Ich habe Facebook, Instagram genutzt, Social Media. Es hat sich auch sehr schnell entwickelt. Mit so viel Hilfe habe ich gar nicht gerechnet. Erstmal habe ich mit meinem Mann darüber geredet, ob wir vielleicht erstmal einen Lkw schicken. Jetzt sind es zwei Lkw, die schon voll sind. Ganz Schleswig-Holstein hat sich beteiligt. Das Handy hat gestern bis um 23 Uhr noch geklingelt und alle wollten noch was vorbeibringen. Mir kamen gestern die Tränen. Ich war echt gerührt.
Was habt ihr jetzt alles dabei? Womit könnt ihr helfen in der Region?
Ates: Ich habe mit dem Katastrophenschutz dort gesprochen. Es werden Jacken, Hosen, Schuhe, Bekleidung, also überwiegend Wintersachen gebraucht. Hygieneartikel, Pampers, Windeln für Jung und Alt, Damen-Monatsbinden, Shampoo, Zahnbürsten. Vielleicht eine Bürste - egal was. Und Übernachtungshilfen. Zelte, Wolldecken, Schlafsäcke. Powerbanks, Heizpilzstrahler. Babynahrung - das ist das Wichtigste. Trockennahrungsmittel, Konserven. Für die Kinder ganz wichtig: Spielzeug, Teddys, Malsachen, weil sie auch psychologisch behandelt werden. Viele haben ihre Eltern verloren, was ganz, ganz schlimm ist. Sie brauchen etwas, womit sie sich irgendwie ablenken können.
Sammelt ihr noch weiter? Oder sind diese Transporte jetzt erst einmal fertig und fahren jetzt los?
Ates: Wir sammeln immer noch weiter (Kontakt über ATS Transport und Logistik, Anm. d. Red.). Ich bin dafür, dass wir vielleicht noch Unterstützung von anderen Speditionen bekommen, eventuell Lagerfläche und Rampen, weil ich komme mit dem Ganzen nicht mehr hinterher. Es ist so viel, was noch kommt. Aber ich kann ja nur - das ist ein Doppelstock-Lkw - 60 Paletten draufmachen. Ich habe viel mehr.
Da wird jetzt noch lange Hilfe gebraucht werden.
Ates: Ich habe schon mit dem Konsulat gesprochen und mit der Grenze in der Türkei. Da ist freie Fahrt. Den ersten Lkw fährt mein Mann, der Chef selber. Das macht mich auch glücklich, dass er dann vielleicht noch seine Familie mal sieht und alle da unterstützen kann.
Das Interview führten Mandy Schmidt und Horst Hoof, NDR 1 Welle Nord.