Klaas Röhr, Landwirt aus Reinfeld im Kreis Stormarn. © NDR Foto: Ines Burckhardt
Klaas Röhr, Landwirt aus Reinfeld im Kreis Stormarn. © NDR Foto: Ines Burckhardt
Klaas Röhr, Landwirt aus Reinfeld im Kreis Stormarn. © NDR Foto: Ines Burckhardt
AUDIO: Wirtschaft: Bauernproteste vor einem Jahr - Was hat sich getan? (9 Min)

Nach Bauernprotesten vor einem Jahr: Warten auf Bürokratieabbau

Stand: 18.11.2024 06:00 Uhr

Vor rund einem Jahr begannen große Bauernproteste in Deutschland. Fast alle Landwirte beklagten "zu viele unsinnige Regeln, Kontrollen, Formulare und Nachweispflichten". Was hat sich seit den Protesten beim Thema Bürokratie getan?

von Ines Burckhardt

Klaas Röhr parkt sein Auto am Rande eines großen Felds. Hund "Packo" wartet hinten im Kofferraum, während der 42-jährige Landwirt über das Feld mit Winterraps stapft und sich gegen den Wind stemmt. "Das ist im August gesät. Jetzt bin ich auf diesem Bestand noch einmal wöchentlich. Am Anfang war ich fast täglich zur Kontrolle da." Immer dabei: Ein Spaten - um zu gucken, "wie es da unten aussieht". Vor 14 Jahren hat Röhr den Ackerbaubetrieb seiner Eltern im Kreis Stormarn übernommen.

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Düngemittelverordnung verbietet Stickstoff-Einsatz ab Oktober

Auf insgesamt 800 Hektar bauen seine Mitarbeiter und er übers Jahr neben Winterraps unter anderem auch Weizen, Hafer und Zuckerrüben an. Röhr sagt: "Jetzt haben wir hier die Wurzel mal ausgegraben. Und können sehen, dass dieser Raps eine ganz gerade Wurzelentwicklung hat." Hier wachse derzeit alles so, wie es soll.

Anders sehe es auf dem Nachbarfeld aus. Die Rapspflanzen dort sind kleiner, viele Blätter lila verfärbt. Diese Pflanzen bräuchten Stickstoff-Dünger, um sich gut zu entwickeln, erklärt Röhr. Aber: "Dürfen wir nicht - machen wir nicht. Also geht die Pflanze hier suboptimal ins Frühjahr. Und damit werden wir Ertrag einbüßen." Denn ab Oktober darf kein Stickstoff mehr aufs Feld gebracht werden - das besagt die Düngemittelverordnung. Eine von vielen Vorgaben, die Röhr ärgern.

Weniger Dünger und Herbizid im Frühjahr, wenn jetzt doch noch Stickstoff käme?

Aus Sicht des Bundeslandwirtschaftsministeriums und vieler Umweltschützer aber ist die Verordnung sinnvoll, schließlich ist die Nitratbelastung des Grundwassers, die durch zu viel Dünger entsteht, vielerorts viel zu hoch. Röhr sagt, ihm seien Klima- und Umweltschutz sehr wichtig. Die Düngemittelverordnung sei aber nicht zu Ende gedacht, wie sich am Beispiel des Winterrapses zeige: "Wenn wir dem jetzt noch zehn Kilo Stickstoff geben würden, könnten wir das im Frühjahr einsparen - und zwar in dreifacher Menge. Wenn wir eine gute Pflanzenentwicklung haben, dann brauche ich natürlich auch weniger Einsatz von Herbiziden, um Unkräuter zu regulieren." Eine Düngung jetzt im Herbst könnte also aus Röhrs Sicht eine stärkere Düngung im Frühjahr vermeiden.

Abgesehen davon verschlinge die Dünge-Dokumentation sehr viel Zeit, sagt Röhr - und wer ihm länger zuhört, dem schwirrt tatsächlich irgendwann der Kopf: "Düngebedarfsermittlung", "Ackerschlagdatei", "elektronische Nährstoffmeldung"... Röhr meint: "Ich glaube, niemand macht Verordnungen, um irgendwen zu quälen, sondern jeder sieht eine Sinnhaftigkeit dahinter. Unsere Aufgabe als Unternehmer oder Unternehmerin ist es dann aber zu sagen: An dieser Stelle ist das Thema überreizt, das können wir nicht mehr leisten."

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Politik hat bereits reagiert

An einigen Punkten hat die Politik bereits reagiert, zum Beispiel bei der sogenannten Stoffstrombilanz, die die das Düngegesetz umsetzt und mit der Landwirte ihre Nährstoffflüsse dokumentieren - viele Betriebsinhaber beschreiben die Stoffstrombilanz als überflüssig und als “Dokumentation von der Dokumentation”. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) kündigte zuletzt Änderungen an und sprach sich für eine Abschaffung aus. 

Özdemir: "Wir sind da jetzt dran"

In einem Video, veröffentlicht auf YouTube vor etwa zwei Monaten, verspricht der Minister: "Wir bauen massiv Bürokratie ab" - zum Beispiel müsse ein Landwirt in Zukunft nicht jedes Jahr aufs Neue belegen, dass er noch Betriebsinhaber ist.  

Und weiter: "Es ist teilweise hanebüchen, was beim Bürokratieabbau alles angegangen werden muss, weil es einfach über Jahrzehnte liegen geblieben ist. Bürokratie, die immer wieder aufs Neue aufgebaut wurde. Aber wir sind da jetzt dran."

Landwirt: "Brauchen noch ein bisschen Geduld"

Auch in anderen Punkten wurde den Landwirten entgegengekommen, teils zum Entsetzen von Umweltschützern. Das Entgegenkommen erkennt auch der Ackerbauer Röhr an - und verbucht es als Erfolg der Proteste vor rund einem Jahr. "Es ist auf jeden Fall bei der Politik angekommen, dass was gemacht werden muss. Es werden ja erste Themen diskutiert. Die sind noch in der Umsetzung und da brauchen wir noch ein bisschen Geduld."

Bis zur Neuwahl Stillstand beim Bürokratie-Abbau?

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Röhr ist für heute fertig mit seinem Raps und er fährt nach Hause. Unterwegs klingelt sein Handy. Er spricht mit dem Anrufer - und kann anschließend einen Seufzer nicht unterdrücken. Das Landesamt für Landwirtschaft hatte sich am Vortag mit zwei Mitarbeiterinnen zur Kontrolle bei ihm angemeldet - sie stehen nun vor der Tür. Randstreifen und Stilllegungsflächen, für die Röhr Ausgleichzahlungen von der EU bekommt, sollen überprüft werden. "Das Gleiche wird ja auch per Satellit überflogen. Dann frage ich mich schon, ob das sinnvoll ist. Ich glaube, Aufwand und Nutzen steht da nicht im Verhältnis. Natürlich müssen wir auch irgendwie gucken, dass jeder auch die Flächen so hat wie er sie beantragt. Aber alles mit Augenmaß."

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Interesse am Thema Landwirtschaft durch Proteste gestiegen

Viel Zeit gehe für Kontrollen und Papierkrams drauf, erzählt Röhr. Seine Eltern, die früher den Betrieb geführt haben, würden über vieles nur noch den Kopf schütteln. Er hofft, dass sich das bald ändert - mit einer handlungsfähigen Regierung, wie er sagt. Den Rückhalt vieler in der Bevölkerung spüre er zumindest mehr als noch vor einigen Jahren - auch dank der Proteste, wie er meint. "Jetzt merke ich wieder - Landwirtschaft ist total präsent, die Leute interessieren sich dafür. Das war vor fünf bis zehn Jahren nicht so zu transportieren."

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