Rekordjahr bei den Windkraft-Genehmigungen
Noch nie sind in Deutschland so viele neue Windkraftanlagen an Land genehmigt worden wie in diesem Jahr. Bis 2030 könnten der Rückstand im Windenergie-Ausbau aufgeholt und die gesetzlichen Ziele erfüllt werden.
2024 ist in Deutschland so viel Windkraft-Leistung genehmigt worden wie nie zuvor. Allein bis Mitte Dezember wurden Genehmigungen für fast 2.000 Windkraftanlagen registriert, mit einer Gesamtleistung von rund 11,3 Gigawatt. Das zeigen Daten der Fachagentur Wind und Solar, einem Verein, in dem Bund, Länder, Naturschutzverbände und Unternehmen Mitglied sind. Bis die in diesem Jahr genehmigten Kraftwerke tatsächlich gebaut sind und Strom ins Netz einspeisen, dauert es allerdings laut Fachagentur noch etwa zwei Jahre.
Eine grundsätzliche Trendwende sieht Jürgen Quentin von der Fachagentur Wind und Solar in dieser Entwicklung: Das Mehr an Genehmigungen sei ein Resultat der gesetzlichen Änderungen durch die Ampel-Regierung. Tatsächlich fällt der Vergleich mit 2023 deutlich aus: Bundesweit wurden 48 Prozent mehr Windkraft-Leistung genehmigt. In Mecklenburg-Vorpommern waren es 22 Prozent mehr als im Vorjahr, in Niedersachsen sogar 49 Prozent. Nur Schleswig-Holstein liegt bisher etwa 18 Prozent unter dem Vorjahresniveau.
Neue Windräder vor allem in NRW und in Norddeutschland
In Norddeutschland stehen bisher schon die meisten Windkraftanlagen, und auch die nun genehmigten sollen vorwiegend in den norddeutschen Bundesländern entstehen: An der Spitze steht jedoch Nordrhein-Westfalen mit mehr als 3,4 Gigawatt genehmigter Leistung im Jahr 2024. Niedersachsen liegt mit 1,6 Gigawatt auf Platz 2, Schleswig-Holstein auf Platz 4 und Mecklenburg-Vorpommern auf Platz 5. In Hamburg wurde lediglich ein neues Windrad genehmigt.
Experte hält Ausbau-Ziele für 2030 wieder für möglich
Der tatsächliche Ausbau von Windkraftanlagen bleibt bisher allerdings noch deutlich hinter den Zielen der Bundesregierung zurück. Die gesetzliche Zielvorgabe wurde 2024 sogar noch weniger erfüllt als im Vorjahr: bislang nur zu 44 Prozent. Dennoch ist Jürgen Quentin von der Fachagentur Wind und Solar im Gespräch mit NDR Data optimistisch: "Mit dem Umfang an Genehmigungen in diesem Jahr ist Deutschland erstmals auf dem Klimaschutzpfad." Wenn weiterhin so viele Windenergieanlagen genehmigt und auch gebaut würden, dann seien die Ausbauziele der amtierenden Bundesregierung für 2028 und 2030 "durchaus im Bereich des Möglichen", so Quentin.
Schnellere Genehmigungsverfahren
Quentin führt das Plus bei den Genehmigungen darauf zurück, dass die Ampel-Regierung die Zulassungsverfahren durch Gesetzesänderungen leichter und schneller gemacht habe. Tatsächlich waren die Verfahren im bundesweiten Durchschnitt zwei Monate schneller als im vergangenen Jahr, so eine Auswertung der Fachagentur.
Stellenwert der Windenergie gestärkt
Hinzu kommt, dass alle Bundesländer bis 2032 etwa zwei Prozent ihrer Fläche als "für die Windenergienutzung geeignet" ausweisen müssen. In diesen Gebieten werde die Zulassung von Windenergieanlagen einfacher, weil keine weitere Artenschutzprüfung mehr nötig sei.
Und da die Bundesregierung den erneuerbaren Energien ein "überragendes öffentliches Interesse" zugeschrieben hat, stärkt das die Windenergie in der Abwägung gegen andere schützenswerte Belange. So kann einer Windkraftanlage zum Beispiel nicht mehr allein deshalb die Genehmigung verweigert werden, weil sie die Sicht auf ein denkmalgeschütztes Gebäude verstellt. Auch deshalb ist die Anzahl an Genehmigungen in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten beiden Jahren deutlich gestiegen: von höchstens 40 Anlagen pro Jahr zwischen 2018 und 2022 auf 134 im vergangenen Jahr und 163 Anlagen bis Mitte Dezember diesen Jahres.
Marode Straßen bremsen schnelleren Bau zuweilen aus
Die Anlagen sind nun zwar genehmigt, aber der Bau wird laut Quentin teilweise gebremst, weil die Schwerlasttransporte mit den nötigen großen Bauteilen auf maroden Straßen oft Schwierigkeiten haben. Auch Lieferengpässe seien ein Hemmnis, beispielsweise bei Umspannwerken, die für Windparks benötigt werden. Zudem müssten Hersteller von Windenergieanlagen kurzfristig auf den Anstieg an Genehmigungen reagieren. Jetzt müsse alles dafür getan werden, dass aus den Genehmigungen stromerzeugende Anlagen würden, meint Jürgen Quentin: "Denn die bloße Genehmigung von Windenergieanlagen gewährleistet noch keinen Klimaschutz und auch keine Versorgungssicherheit für den Wirtschaftsstandort Deutschland."