"Wendelstein 7-X": Experiment zur Kernfusion startet in "heiße" Phase

Stand: 10.09.2024 17:00 Uhr

Energie erzeugen analog zur Sonne: Das ist Ziel der Kernfusionsforschung. Am "Wendelstein 7-X" ist eine neue Experimentierphase gestartet. Dabei soll die Maschine an ihre Leistungsgrenze gebracht werden und bis zu 40 Millionen Grad heißes Plasma erzeugen.

von Martina Rathke

Fusionsforscher aus Europa, Japan und den USA zieht es seit heute nach Greifswald. Am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik startet die neue Betriebsphase des Kernfusionsexperiments "Wendelstein 7-X". In der nunmehr vierten Betriebsphase seit 2015 wollen die Forscher Plasmatemperaturen von 35 bis 40 Millionen Grad Celsius erzeugen und die Dichte des Plasmas deutlich erhöhen, um dem Fusionspunkt ein Stück näher zu kommen. Das Ziel der Kernfusionsforschung: Aus der Verschmelzung von Atomkernen - analog zu den Prozessen in der Sonne - Energie erzeugen.

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Vortasten bis zur Leistungsgrenze

"Wir werden uns langsam zur Leistungsgrenze der Maschine vortasten", sagt Institutschef Thomas Klinger. "Es geht uns darum, das Verhalten von Wasserstoff unter diesen Bedingungen zu verstehen." Zuletzt waren in Greifswald Plasmen von acht Minuten Dauer erzeugt worden. In der neuen Phase liegt der Schwerpunkt auf der Leistung der Anlage.

Korrektur des Zeitplans am ITER: "Kein Rückschlag"

Während in Greifswald eine Forschungsanlage steht, soll im französischen Cadarache beim großen Forschungsprojekt ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) der erste funktionsfähige Demonstrationsreaktor entstehen. Dort waren zuletzt erneut Verzögerungen bekannt geworden. Der Betrieb mit dem relevanten Fusionsbrennstoff Deuterium-Tritium soll erst 2039 beginnen, das ist eine Verspätung von vier Jahren. Der Chef des Greifswalder Instituts Klinger nannte die Verzögerungen "bedauerlich". Sie seien aber kein Rückschlag. Die Korrekturen des Zeitplans seien notwendig gewesen: "Der Plan ist jetzt viel robuster." Viele Forschungsfragen können nach Angaben der Wissenschaftler auch in anderen Fusionstestanlagen geklärt werden. Allerdings habe der ITER eine Schlüsselfunktion, so Klinger. In ihm soll erstmals demonstriert werden, dass die Fusion als Energiequelle kraftwerkstauglich ist.

Fusionsforscher aus 30 Nationen in Greifswald

In Greifswald werden zu den 100 Wissenschaftlern des eigenen Instituts in den kommenden Monaten rund 50 weitere Fusions-Experten aus anderen Ländern forschen. Mehr als 700 Projektanträge für Arbeiten an der Anlage, die als weltgrößte Fusionstestanlage vom Typ Stellarator gilt, wurden eingereicht. Etwa die Hälfte der Projekte wurden von einer Fachjury ausgewählt, davon hätten rund 200 die höchste Priorität.

Anlage aufgerüstet mit Plasma-Injektor

Für die neuen Experimente war die Anlage "Wendelstein 7-X" in den vergangenen Monaten aufwendig vorbereitet worden. Die Mikrowellenheizung wurde aufgerüstet. Zudem erhielt die Anlage einen sogenannten Plasma-Injektor, eine Art "Einspritzdüse". Über den Injektor werden kontinuierlich kleine gefrorene Wasserstoffkügelchen in das Plasma geblasen, um dessen Dichte zu erhöhen. Das Plasma sei damit zwar noch immer 100.000 mal dünner als Luft, aber in Weltalldimensionen sei das eine sehr hohe Dichte, so Klinger. So wolle man den tatsächlichen Fusionsbedingungen stückweise näher kommen.

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Blick in das Plasmagefäß von Wendelstein 7-X (November 2021) © MPI für Plasmaphysik, Jan Michael Hosan Foto: MPI für Plasmaphysik, Jan Michael Hosan

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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 10.09.2024 | 06:30 Uhr

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