Aufarbeitung der Klimastiftung: Viele Akten, wenig Belastbares
Warum hatte sich Deutschland so abhängig von russischer Energie gemacht? Welche Rolle spielte eine Stiftung des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bau von Nord Stream 2? Seit Juni 2022 arbeitet ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss diese Fragen auf. Das Zwischenfazit fällt unterschiedlich aus.
Insgesamt hat der Ausschuss bisher mehr als 60 Zeugen vernommen, Sachverständige gehört, Akten gesichtet und ist dabei der Frage nachgegangen, warum die Klimaschutzstiftung gegründet wurde, wie groß Russlands Einfluss war und was die Stiftung eigentlich gemacht hat. Vieles, schon vorher Bekanntes hat sich bestätigt: Die Stiftung entstand, um die Ostseepipeline Nord Stream 2 trotz US-Sanktionen fertig bauen zu können. Sie fungierte als juristischer Schutzschild und ihr wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vergab rund 60 Aufträge im Volumen von mehr als 160 Millionen Euro.
Chronologische Aufarbeitung
Mehr als 230 Beweisanträge hat der Ausschuss bisher beraten. Bei der Aufarbeitung ist man chronologisch vorgegangen. Zunächst ging es um die Frage, ob überhaupt eine zweite Ostsee-Pipeline gebraucht wurde und wie die Genehmigungsverfahren liefen. Mitarbeiter des Bergamtes Stralsund und des Umweltministeriums wurden gehört, Sachverständige, Bürgermeister, aber zum Beispiel auch der Geschäftsführer des Hafens Mukran, der über dieUS-Sanktionsdrohungen von drei US-Senatoren berichtete. Eine Steuerbeamtin erklärte im Ausschuss, dass sie aus Angst und Panik Akten der Klimaschutzstiftung verbrannt hatte. Der ehemalige Geschäftsführer der Stiftung bezeichnete sie im Ausschuss als "Quasi-Regierungsorganisation" und widersprach damit Behauptungen der Landesregierung, die Stiftung habe eigenständig gearbeitet.
Muno: Lobbyismus durch Russland in MV nachgewiesen
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Muno von der Universität Rostock beobachtet den Ausschuss und kommt zu einem zweigeteilten Zwischenfazit. Hinweise auf persönliche Vorteilsnahme von Erwin Sellering (SPD), Manuela Schwesig (SPD) oder dem damaligen Energieminister Christian Pegel (SPD) habe der Ausschuss nicht erbracht. Aber Lobbyismus durch den russischen Staatskonzern Gazprom sei nachgewiesen worden. Die Landesregierung habe eng mit Vertretern von Nord Stream 2 und deren Beratern zusammengearbeitet. Mit den vermeintlich günstigen Ressourcen aus Russland habe man sich in die Abhängigkeit eines autoritären Regimes, einer Diktatur, begeben und das habe man in Schwerin gerne verdrängt.
Engmaschige Kontakte nach Russland
Auch der CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss, Sebastian Ehlers, spricht von engmaschigen Kontakten, die Nord Stream in die Staatskanzlei gehabt habe: "Spannend ist zu sehen, wie dieses Netzwerk funktioniert hat, dass dort fertige Sprechzettel rübergegeben worden sind, für Argumentationen der Ministerpräsidentin, dass man sich da wirklich sehr, sehr eng abgestimmt hat." Für René Domke, FDP-Obmann im Ausschuss, stellt sich die Frage, wie autonom, die Landesregierung gewesen ist: "Hat sie wirklich zum Wohl entschieden oder möglicherweise eben auch zum Wohl anderer?"
Ausschuss kostet Millionen
Mit Unverständnis reagiert der SPD-Obmann im Ausschuss Thomas Krüger. Alle hätten das gleiche Interesse an billiger Energie gehabt, man habe nichts im Geheimen gemacht: "Wir haben ganz viel Zustimmung erfahren. Vor dem Hintergrund bin ich etwas verwundert, dass wir diesen Untersuchungsausschuss haben." Krüger verweist auf die hohen Kosten, spricht von sieben Millionen Euro, die in den insgesamt fünf Jahren Ausschussarbeit anfallen würden. Die Landtagsverwaltung teilte dem NDR mit, dass bisher, nach der Hälfte der Zeit, Kosten in Höhe von 2,5 Millionen Euro angefallen seien, in erster Linie für Personal, für Referenten und Bürosacharbeiter zum Beispiel.
Weitere Zeugen werden geladen
Bis Ende des Jahres wird der Ausschuss noch weitere Zeuge vernehmen, politische Prominenz wird geladen. Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) sollte bereits heute aussagen, hat aber gestern Abend krankheitsbedingt abgesagt. Seine Befragung soll nachgeholt werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Peter Altmaier (CDU), Landesministerinnen und -minister und als vorläufig letzte Zeugin Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Der Abschlussbericht soll Mitte 2026 vorgestellt werden.
Kein Interesse an Ergebnissen des Ausschusses
Auch wenn der Veröffentlichungstermin des Abschlussberichtes zeitnah zur nächsten Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern im Herbst 2026 liegen wird, erwartet der Politikwissenschaftler Muno keine negativen Auswirkungen für die Regierungspartei SPD. Er hat den Eindruck, dass es die Bevölkerung wenig interessiert: "Man hat ja im Moment wirklich andere Probleme, wirtschaftliche Probleme, Inflation, Energie, sodass jetzt die Frage, wie ist das gelaufen mit der Klimastiftungs-Gründung für die meisten Menschen hier in Mecklenburg-Vorpommern relativ uninteressant ist."
Aufklärung im Ausschuss reicht nicht
Stefan Creuzberger, Historiker für deutsche und osteuropäische Zeitgeschichte an der Universität Rostock, wünscht sich noch mehr Aufklärung, als sie der Untersuchungsausschuss des Landtages leisten kann. Er schlägt eine unabhängige Kommission mit Historikern vor, die vollen Zugang zu allen Dokumenten erhält und diese aufarbeiten und Handlungsempfehlungen erarbeiten kann: "Es besteht eine Chance, dass wir Glaubwürdigkeit auf diese Art und Weise zurückgewinnen, indem wir bereit sind, kritisch aufzuarbeiten." Dem erteilte Ministerpräsidentin Schwesig (SPD) allerdings schon eine Absage. Ihre Russlandpolitik sei immer transparent gewesen.