Klimaschutzstiftung MV: Opposition kritisiert Schwesig scharf
Der ehemalige Geschäftsführer der Klimaschutzstiftung, Steffen Petersen, widerspricht im Untersuchungsausschuss des Landtags Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Die Stiftung habe vor allem dem Schutz der Nord Stream 2 AG gedient. Die Opposition wirft Schwesig vor, die Unwahrheit gesagt zu haben.
Es war in den vergangenen Monaten ziemlich ruhig geworden um den Untersuchungsausschuss zur Kimaschutzstiftung Mecklenburg-Vorpommern. Die Abgeordneten sollen klären, wieviel Einfluss die mit russischem Geld finanzierte Nord Stream 2 AG auf die Landesregierung beim Bau der Gaspipeline nahm. Aber selbst hartgesottene politische Beobachter blickten zuletzt kaum noch durch, wenn es um die endlosen Reihen an Akten und stundenlangen Zeugenvernehmungen ging. Zumal sich Opposition und Regierungsfraktionen zunehmend in Details verhakten, die meisten Bürger waren von dem Thema einfach nur noch genervt.
Petersen: Stiftung war "Quasi-Regierungsorganisation"
Doch am Freitag kam wieder Spannung in die Debatte. Immerhin war der ehemalige Geschäftsführer der Stiftung, Steffen Petersen, als Zeuge geladen. Und dessen Aussagen hatten es in sich: So bezeichnete er die Klimaschutzstiftung als "Quasi-Regierungsorganisation". Ministerpräsidentin Schwesig hatte bis dato immer die völlige Eigenständigkeit der Stiftung betont, gerade nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Das Thema wurde danach zunehmend zur Belastung für die Regierungschefin. Tatsächlich habe sich die Landesregierung nie in den laufenden Geschäftsbetrieb eingemischt, so Petersen im Ausschuss. Aber die Stiftung sei ja vom Land gegründet worden, deshalb sei sie für ihn immer eine "Quasi-Regierungsorganisation" gewesen.
Debatte um Sinn und Zweck der Stiftung
Die nächste Überraschung kam prompt - die Klimaschutzstiftung sei laut Petersen nicht gegründet worden, um kleine einheimische Unternehmen zu schützen, wie es die Landesregierung bisher immer behauptet hatte. Tatsächlich hatten US-Senatoren 2020 damit gedroht, Firmen, die sich am Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 beteiligten, mit Sanktionen zu belegen. Eine Stiftung wäre davon aber nicht betroffen gewesen. Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern sollten statt von Nord Stream 2 ihre Aufträge von der Stiftung erhalten und so vor den Sanktionen geschützt werden, so beschrieb Manuela Schwesig im Landtag im Januar 2021 die Grundidee.
Petersen: Stiftung sollte Nord Stream 2 AG schützen
Der ehemalige Geschäftsführer sieht das anders: Die Stiftung sollte nicht die Zulieferer, sondern die Nord Stream 2 AG selbst schützen. Denn schon 2020 hatte das Unternehmen laut Petersen massive Probleme mit den Banken. Diese weigerten sich teilweise Geld an die an dem Bau der Pipeline beteiligten Firmen zu überweisen - Rechnungen blieben unbezahlt, das Projekt war gefährdet. Deshalb wurde die Stiftung unbedingt gebraucht: über sie konnte das Geld wieder sicher fließen, die Firmen waren beruhigt. Und auch die Aussage Schwesigs, dass vor allem Firmen aus Mecklenburg-Vorpommern durch das Konstrukt Stiftung profitieren würden, relativierte Petersen in seiner Aussage: vom gesamten Auftragsvolumen hätten Unternehmen aus dem Nordosten nur etwa vierzig Prozent abbekommen.
Unterschiedliche Wertungen im Ausschuss
Petersens Aussagen überraschten sichtbar alle Ausschussmitglieder, auch die der rot-roten Koalition. Doch die SPD bleibt dabei: es sei klar geworden, dass es keinerlei Einflussnahme der Landesregierung auf die Geschäftsentscheidungen der Stiftung gegeben habe. "Es gab auch keine Kontakte mit Regierungsmitgliedern zum operativen Geschäft", meint Thomas Krüger, der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss. Die Opposition stochere weiter im Nebel. Von wegen, sagt die Union: Schwesig habe 2021 versprochen, dass die Stiftung nur im Notfall tätig werden sollte, wenn die heimische Wirtschaft konkret von Sanktionen bedroht worden wäre, so der Ausschuss-Vorsitzende, der CDU-Politiker Sebastian Ehlers: "Es ist davon auszugehen, dass ihr damals bewusst war, die Unwahrheit zu sagen."
CDU und Grüne: Schwesig sagt nicht die Wahrheit zur Stiftung
Auch für den Grünen-Politiker Hannes Damm hat Petersen bestätigt, dass Manuela Schwesig dem Parlament und der Öffentlichkeit nicht die Wahrheit gesagt hat. Der einzige Zweck der Stiftung sei gewesen "die Nord Stream 2 AG vor Sanktionen zu bewahren und den Geldfluss aufrecht zu erhalten". Außerdem hat sich für Damm gezeigt, dass die Pipeline-Bauer noch stärker in die Stiftungsgründung involviert gewesen seien als bisher angenommen. Petersen hatte im Ausschuss ausgesagt, dass er für Nord Stream 2 das Konzept für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Stiftung entwickelt hatte. "Die Klimastiftung war in Wirklichkeit eine Art ausgelagerte Abteilung der Nord Stream 2 AG, die nur deren Geschäftszweck diente", fasst Damm seine Eindrücke zusammen.
Ex-Rokai Geschäftsführer macht widersprüchliche Aussagen
Auch ein weiterer Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss sorgte für Überraschungen: Der Zeuge Peter Cipra machte aus seiner schlechten Laune keinen Hehl, der Ausschuss "raube" ihm seine Zeit. Auch seine Abneigung gegenüber Politikern brachte der Unternehmer sehr klar und deutlich zum Ausdruck. Cipra war Geschäftsführer der Rokai GmbH, einer Firma, die kurz vor der Stiftung gegründet wurde und von ihr später den größten Auftrag erhielt: "maritime Dienstleistungen" in Höhe von sechsunddreißig Millionen Euro. Rokai hatte bereits eine Kaianlage von der Hansestadt Rostock gepachtet und versorgte nach Vertragsabschluss Schiffe für die Pipeline-Baustelle in der Ostsee. Auch Unmengen von Schüttgut wurden dort gelagert. Ein lukratives Geschäft also. Die Opposition vermutet, dass Cipra schon Monate zuvor einen Tipp von Nord Stream 2 oder aus der Landespolitik erhalten haben muss, bevor er Rokai gründete.
Cipra mit Erinnerungslücken
Doch das verneinte Peter Cipra, er sei einfach ein guter Unternehmer mit vielen Ideen. Und die zu Rokai sei ihm einfach so über Nacht gekommen. Ministerpräsidentin Schwesig habe er nur einmal kurz bei einer Wirtschaftsveranstaltung in Rostock getroffen, ein oberflächliches Gespräch sei das gewesen, nichts weiter, betonte Cipra. Sonst habe es keine Kontakte zur Politik gegeben. Dieser Aussage steht allerdings ein Schreiben entgegen, das er selbst im Sommer 2021 an den SPD-Landtagsabgeordneten Thilo Gundlack schickte und um Vermittlung bei einem Konflikt mit der Klimaschutzstiftung bat. Und das blieb nicht der einzige Punkt, bei dem der Unternehmer ein akutes Glaubwürdigkeitsproblem bekam.
Zeugen widersprechen sich im Ausschuss
Denn Cipra bestand darauf, dass ihn niemand auf die bevorstehende Gründung der Stiftung hingewiesen habe - er habe diesbezüglich auch keinerlei Kontakt zu Nord Stream 2 gehabt. Er sei von sich aus auf die Klimaschutzstiftung zugegangen, um an Aufträge zu kommen, das sei relativ schwer gewesen, meinte er sich zu erinnern. Das passt allerdings nicht zur Zeugenaussage von Steffen Petersen. Der ehemalige Geschäftsführer der Stiftung sagte in seiner Befragung als Zeuge, dass die Nord Stream 2 AG ihm Cipra als Geschäftspartner vorgeschlagen habe. Rokai und Nord Stream 2 hätten sogar zuvor einen Vorvertrag abgeschlossen.
Ein Hauch von "Käpt´n Blaubär" im Untersuchungsausschuss
Für den AfD-Abgeordneten Michael Meister passen die Aussagen Cipras vor dem Untersuchungsausschuss vorn und hinten nicht zusammen. Und auch der FDP-Fraktionschef René Domke ist skeptisch, was Rokai angeht. Er verglich den Auftritt des ehemaligen Firmenchefs mit einer "Käpt’n Blaubär-Folge". "Nach den heutigen Vernehmungen wird noch einiges zu untersuchen sein", so Domke. Wirkliche Klarheit werde man wohl erst haben, wenn die Klimaschutzstiftung dem Untersuchungsausschuss endlich alle Geschäftsunterlagen aushändige. Die verweigere das allerdings immer noch.