Smulders-Ansiedlung in Rostock: Warum schweigt Schwesig?
Seit Wochen ist unklar, ob sich das belgische Unternehmen Smulders auf dem Gelände des Marinearsenals in Warnemünde ansiedeln kann. Zur feierlichen Einweihung des Bundeswehrstandorts mit Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) machen Gewerkschaft, Linke, Grüne und Windkraft-Lobbyverbände neuen Druck.
Der Chef der IG-Metall Küste, Daniel Friedrich, ist mittlerweile richtig sauer: "Das Bundesverteidigungsministerium verhindert, dass die Energiewende in Deutschland zu mehr Arbeitsplätzen und Wertschöpfung führt", erklärte der Gewerkschaftschef mit Blick auf den Festakt zur Einweihung des Marinearsenals. Friedrich und viele andere trommeln seit Wochen für die Ansiedlung des belgischen Unternehmens Smulders.
Smulders will in Warnemünde Umspannplattformen für Windkraft auf See bauen
Die Belgier wollen den Südteil des Arsenalgeländes pachten und dort riesige Umspannplattformen für Windkraft auf See bauen. Das Schweriner Wirtschaftsministerium spricht von bis zu 1.000 Jobs, die entstehen könnten. Minister Reinhard Meyer und sein Staatssekretär Jochen Schulte (SPD) werben besonders ebenso wie die Gewerkschaft für dieses Projekt - und stellen auch Landeshilfen in Aussicht, um das Gelände zu ertüchtigen.
Energiewende wichtig für nationale Sicherheit
Alle Befürworter machen deutlich: Die Smulders-Ansiedlung sei wichtig für das Gelingen der Energiewende - in Deutschland könnten diese riesigen Anlagen nur in Rostock gebaut werden. Eine stabile Energieversorgung sei außerdem die Grundlage für die nationale Sicherheit - und die müsse auch die Verteidigungsministerin im Blick haben. In Rostock jedenfalls könne ein großer Beitrag für eine eigenständige Energieversorgung geleistet werden.
"Bundesregierung darf Chance nicht endgültig verspielen"
Eine jetzt erfolgte Auftragsvergabe sehen die Smulders-Befürworter als Rückschlag und Bestätigung: Zwei Energieriesen - Siemens und Amprion - lassen zwei Konverterplattformen für Windgebiete auf der Nordsee jetzt auf der Dragados-Werft in Spanien bauen - die Vergabe des Milliardenauftrags haben sie am Dienstagabend verkündet - kurz vor dem Lambrecht-Besuch. IG-Metall-Chef Friedrich macht die Ministerin dafür verantwortlich, dass der Deal an Rostock vorbeigegangen ist. Die Gewerkschaft meint, ohne die Blockade-Haltung aus Berlin hätte der Auftrag auch in Rostock umgesetzt werden können. Friedrich warnt: "Die Bundesregierung darf die Chance nicht endgültig verspielen, mit Smulders einen wichtigen Produzenten für die Offshore-Industrie in Rostock anzusiedeln."
Linke erwartet Signal von Lambrecht
Auch die Regierungspartei Die Linke springt der Gewerkschaft bei. Der Landesvorsitzende Peter Ritter erklärte, Lambrecht müsse beim Festakt das klare Signal für die Freigabe der zweiten Investition am Standort Rostock geben. Es könne nicht sein, dass Berlin einseitig auf die militärische Seite setze. Für Rostock gehe es um hunderte Jobs.
Auch die Grünen reihen sich ein: Die Landesvorsitzende Katharina Horn meinte: "Energieautonomie dient genauso der Sicherheitspolitik wie militärische Verteidigungsmöglichkeiten." Ähnlich äußerte sich ihr Co-Vorsitzender Ole Kröger: "Rostock hat den Platz und die Kompetenz für beides: das Marinearsenal und die Nutzung des Warnowwerft-Geländes für die Offshore-Industrie." Lambrecht müsse "gemeinsam mit Smulders ein Lösungskonzept" erarbeiten.
Bremsen Sicherheitsbedenken der NATO?
Das Unternehmen hatte in der Vergangenheit schon etliche Fragen aus Berlin beantwortet - zu einer "Daumen-Hoch-Entscheidung" des Verteidigungsministeriums hat das nicht geführt. Offenbar gibt es vor allem massive Sicherheitsbedenken. NATO-Anforderungen könnten durch eine private Ansiedlung in der Nähe unterlaufen werden, heißt es. Ein Problem sind wohl auch zu geringe Abstände. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Arlt aus Neustrelitz erklärte, er hätte sich eine Investition gewünscht, sehe aber durchaus die Einwände mehrerer Bundesbehörden. Sozialdemokrat Arlt ist Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestags.
Schwesig offenbar skeptisch
Auffällig ist, dass sich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) trotz mehrfacher Anfrage zuletzt nicht mehr zu der Ansiedlung geäußert hat und auch ihren Wirtschaftsminister in der Frage nicht den Rücken stärkt. Möglicherweise gibt sie dem Projekt keine Chance mehr. Schwesig richtet öffentliche Forderungen in Richtung Bund oft nur dann, wenn sie davon ausgehen kann, dass die auch erfüllt werden.
Lob von Schwesig und Lambrecht
Zur Einweihung des Marinearsenals kam die Regierungschefin gemeinsam mit ihrer Parteifreundin Lambrecht. Schwesig lobte per Pressemitteilung die Bundeswehr. Ein traditionsreicher Standort bleibe für den Schiffbau erhalten, freute sie sich. Zu Smulders steht in Schwesigs Mitteilung nichts. Auf Journalisten-Nachfrage blieb sie vage: "Da sind wir in guten Gesprächen, aber da gibt es auch noch nichts zu verkünden." Ein Regierungssprecher legte im Nachgang Wert auf die Feststellung, "dass die Ministerpräsidentin das Projekt nicht abgeschrieben hat". Es gebe "ernstzunehmende Gespräche zwischen Bund und Land". Lambrecht bestätigte in ihrem kurzen Pressestatement bei der Einweihung des Arsenals, dass offene Fragen "in nächster Zeit intensiv miteinander besprochen" werden sollen.
CDU: Kein ernsthaftes Bemühen
Allerdings laufen diese Gespräche bereits seit Monaten. Der CDU-Abgeordnete Daniel Peters quittierte die Aussagen der beiden SPD-Spitzenpolitikerinnen mit Spott. Lambecht und Schwesig hätten nur deutlich gemacht, dass es "in der Angelegenheit weder ernsthaftes Bemühen noch aufrichtigen politischen Willen" gebe. Die Befürworter hoffen dennoch weiter auf ein "gutes Ende". Zu ihnen gehört auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Hagen Reinhold aus Barth - seine Partei sitzt in Berlin gemeinsam mit SPD und Grünen am Regierungstisch. Reinhold forderte Lambrecht auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben. "Smulders und die heimische Neptun-Werft können die für die Energiewende dringend nötigen Konverterplattformen vor Ort fertigen", erklärte der Liberale.
Neue Runde bei Kanzler Scholz Ende Januar
Ende Januar soll es noch einmal eine Runde im Bundeskanzleramt geben. Das von den Grünen geführte Bundeswirtschaftsministerium hat den Standort nicht aus den Augen verloren. Smulders bestätigte inzwischen, dass es weiter Interesse an dem Standort gibt, um dort Konverterplattformen zu bauen. Ein Sprecher sagte, es gehe um konstruktive Lösungen, die beide Seiten anstreben müssten.