Ministerium zeigt Tourismusverband an: Opposition fordert Aufklärung
Das Wirtschaftsministerium in Schwerin hat mit einer Anzeige gegen den Landestourismusverband (LTV) teilweise deutliche Reaktionen ausgelöst. Die Opposition im Landtag fordert Aufklärung.
Da scheint der Haussegen mächtig schief zu hängen: Ausgerechnet Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums haben die Schweriner Staatsanwaltschaft gegen den Landes-Tourismusverband eingeschaltet - mit Kenntnis und offenbar auch mit Billigung von Minister Wolfgang Blank (parteilos). Es geht um eine Anzeige wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs bei Fördermitteln. Geld der Steuerzahler ist möglicherweise nicht ordentlich ausgegeben worden.
Staatsanwaltschaft fordert Akten an
Die Ermittler prüfen den Vorgang. Im Visier sind "Verantwortliche des Tourismusverbandes", teilte die Staatsanwaltschaft mit. Man habe bereits umfangreiche Unterlagen angefordert, erst nach Auswertung der Akten werde über ein Ermittlungsverfahren entschieden. Ansonsten geben sich die Ermittler wortkarg. Insbesondere gegen welche Personen sich die Anzeige richtet, wollen sie nicht sagen. Auch das Wirtschaftsministerium wollte sich dazu nicht äußern.
Wirtschaftsministerium bestätigt Anzeige
Ein Sprecher erklärte auf Anfrage lediglich, man habe Abrechnungen des Verbandes geprüft, dabei seien "Unstimmigkeiten" festgestellt worden. Die Anzeige sei aufgrund "gesetzlicher Regelungen" erfolgt. Offenbar sah sich das Ministerium als Aufsichtsbehörde in Zugzwang. Die üppige Landes-Förderung des Tourismusverbandes, der keine GmbH ist, sondern nur ein Verein, steht rechtlich schon seit einiger Zeit auf wackligen Füßen. Knapp sechs Millionen gibt das Wirtschaftsministerium jährlich, der Verband hat ansonsten kaum eigene Einnahmen. Das Landesgeld deckt die Personalkosten für die rund 40 Mitarbeiter ab.
Rechnungshof hat Verband im Visier
Es gibt neben der festen sogenannten institutionellen Förderung aber auch Projektgelder aus der Landeskasse. Daraus wird zum Beispiel die Hauptaufgabe des Verbandes finanziert. Dabei geht es um das Marketing, das heißt die Werbung für das Urlaubsziel Mecklenburg-Vorpommern. Zugleich kann der Verband mit einem pauschalen Verlustausgleich rechnen. Der Landesrechnungshof hatte erst im vergangenen Jahr Unregelmäßigkeiten und Verstöße kritisiert. Offenbar waren Ministerium und Verbandsspitze ziemlich hemdsärmelig bei der Buchung der Mittel. Die Finanzprüfer bemängelten fragwürdige Darlehen und fehlende Prüfung der Ausgaben. Ein Hauptaugenmerk richteten sie auf die Bezahlung des Verbandsgeschäftsführers Tobias Woitendorf. Die Vergütung hielten die Prüfer für zu hoch.
Interessenskonflikte beim Geschäftsführer?
Kritisiert wurde im öffentlichen Finanzbericht 2024 auch, dass Woitendorf zusätzlich zu seinem Geschäftsführer-Posten vom Ministerium zum Landes-Tourismusbeauftragten berufen wurde. Der Rechnungshof hielt einen Interessenkonflikt für zwangsläufig. In ihrem Bericht sprachen die Finanzkontrolleure auch von "Verstößen" bei der Nutzung des Dienstwagen. Völlig offen ist, ob die Prüfungsergebnisse Grundlage oder Anlass für die Anzeige aus dem Wirtschaftsministerium sind.
Weggang von Minister Meyer
Auffällig ist jedoch, dass erst nach dem Weggang von Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) Ende 2024 die Sache ins Rollen kam. Meyer galt als Förderer Woitendorfs. Der Geschäftsführer sitzt beispielsweise im Aufsichtsrat des Deutschen Tourismusverbandes und kontrolliert seinen Ex-Chef, denn Meyer ist auch nach seinem Rückzug als Minister dort Präsident geblieben. Die bereits seit einiger Zeit offen diskutierten Fragen zur Förderung und Finanzierung des Landestourismusverbandes spielten nach NDR Informationen bereits Ende 2024 - also noch in Meyers Amtszeit - eine Rolle. Ein Thema dabei soll die Umstellung von Mitteln der EU auf Landesgelder gewesen sein. Die lange Zeit im Verband gepflegte Praxis, Finanzpuffer anzulegen, sei mit der Neuausrichtung offenbar nicht mehr möglich gewesen.
Vorstand mit dem Ministerium im Gespräch
Die Verbandsspitze um die Vorsitzende, Landtagspräsidentin Birgit Hesse (SPD), hält sich zwar zu den Vorwürfen bedeckt, verwies in einem schriftlichen Statement gegenüber dem NDR aber auf die Prüfung des Landesrechnungshofs. Zu den kritischen Feststellungen der Prüfbehörde habe es verschiedene Beratungen unter Beteiligung des Wirtschaftsministeriums gegeben. "Zur Klärung der Sachverhalte wurden seitens des Verbandes zudem Fakten und Einschätzungen zugearbeitet", teilte der geschäftsführende Vorstand mit. Dem Verband sei außerdem bekannt, dass das Ministerium eine Tiefenprüfung des Verbandes veranlasst habe.
Gemeinsame Termine
Zu dieser Kontrolle habe es noch im Februar einen gemeinsamen Termin des Vorstandes mit der Hausleitung des Ministeriums gegeben, hieß es weiter. Ein Prüfergebnis liege dem Vorstand nicht vor. Offenbar aber erfolgte im Nachgang des Treffens die Anzeige des Ministeriums. Der Verbandsvorstand teilte lediglich mit, das Ministerium habe ihn über eine "Mitteilung" an die Staatsanwaltschaft informiert. Von Ermittlungen wisse man nichts. Der Vorstand um Hesse scheint angesichts der aktuellen Entwicklung alarmiert. Am Donnerstagmorgen informierte Hesse ihre Kolleginnen und Kollegen im übrigen Vorstand. Man werde sich bemühen, "weitere Informationen zu dem Sachverhalt zu bekommen". Hesse warb um Geduld. Gleichzeitig erfolgte der dringende Hinweis an die Vorstandsmitglieder, bei Anfragen von Medien an die Pressestelle des Verbandes zu verweisen. Das Schreiben trägt auch die Unterschrift von Geschäftsführer Woitendorf.
CDU-Fraktion fordert Aufklärung
Aufklärung fordert die CDU-Opposition. Fraktionschef Daniel Peters erklärte, "die Vermengung von Wirtschaftsministerium, Tourismusverband und Regierungsbeauftragter für den Tourismus erweist sich offenkundig als Schwachstelle". Der Tourismus sei ein wesentlicher Wirtschaftszweig in Mecklenburg-Vorpommern. Die Branche verdiene eine starke Interessenvertretung und gute Unterstützung der Politik. Dazu aber, so Peters, müsse der Tourismusverband unabhängig sein. Stattdessen sei er "faktisch in die Verwaltung eingegliedert" worden, das habe wahrscheinlich zu den aktuellen Problemen beigetragen. Der Chef des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Lars Schwarz, vermisst ebenfalls Aufklärung. "Leider war dies unter dem alten Wirtschaftsminister Reinhard Meyer und dem Tourismusbeauftragten offenkundig nicht gewollt", erklärte Schwarz. Tourismusbeauftragter ist Verbandsgeschäftsführer Woitendorf.
Auch Dehoga-Chef sieht Mängel
Schwarz, der im erweiterten Vorstand des Tourismusverbandes sitzt, verwies auf die Kritik des Landesrechnungshofs. Die Reaktion aus dem jetzt von Wolfgang Blank geführten Wirtschaftsministerium sei aus Dehoga-Sicht nur konsequent und nachvollziehbar. Erschwerend komme hinzu, dass diese Verstöße in der Verbandsgeschäftsführung und im Wirtschaftsministerium bekannt gewesen seien. Es gehe jetzt um eine "vollständige umfassende Aufklärung, um Schaden vom Tourismus im Land abzuwenden. Die Aufregung in der Branche ist jedenfalls groß. Der Tenor: Es ist ordentlich Porzellan zerschlagen worden. Es gibt hinter vorgehaltener Hand auch Stimmen, die sich intern ein geräuschloses Abräumen des Themas gewünscht hätten.
