60 Porträts auf leeren Stühlen: Initiative macht Leiden von Long-Covid-Erkrankten sichtbar
Fünf Jahre ist es her, dass die Corona-Pandemie sich weltweit ausgebreitet hat. Das Leben verläuft mittlerweile für die meisten von uns wieder in geregelten Bahnen. Die Patientenorganisation "Nicht Genesen" rückt am heutigen internationalen "Long Covid Awareness Day" das Schicksal von Menschen in den Fokus, die unter den Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung leiden.
Auf dem Bertha-Klingberg-Platz in Schwerin hat die Patientenorganisation "Nicht Genesen" mehr als 60 Porträts auf leeren Stühlen aufgestellt. Sie sollen das Schicksal von Betroffenen aus Mecklenburg-Vorpommern visualisieren, die fünf Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie noch immer unter den Langzeitfolgen einer Corona-Infektion leiden. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden etwa drei Prozent der Menschen, die eine Corona-Erkrankung durchgemacht haben, unter Langzeitfolgen.
Für Mecklenburg-Vorpommern gehen Experten von 40.000 bis 60.000 Langzeiterkrankten aus. Das Ergebnis einer Überblicksstudie geht sogar von rund zehn Prozent aller Infizierten aus, heißt es in der Fachzeitschrift "Natur Reviews Microbiology". Die Zahl der bundesweit Betroffenen reicht Schätzungen zufolge von einer Million bis zu 2,5 Millionen Menschen, ein Teil von ihnen erfüllt die Kriterien für die schwere Multisystemerkrankung ME/CFS.
Von "moderat" bis zum "schwersten Pflegefall"
Laut Ricarda Piepenhagen aus Torgelow, Gründerin der Patientenorganisation "Nicht Genesen", gibt es Menschen, die "moderat betroffen" sind. Diese seien "hausgebunden", das heißt, sie können das Haus in der Regeln nicht verlassen. Dem gegenüber stehen "schwerste Pflegefälle", darunter Kinder, die mitunter seit etwa drei Jahren die Schule nicht mehr besuchen können, oder Ehepartner, die Pflegegrad 5 erhalten haben, so Piepenhagen. Das schlimmste Symptom sei die sogenannte Post-Exertionelle Malaise, die sich als Belastungsintoleranz nach jeglicher Art von Anstrengung, auch kognitiver Art, äußert.
"Viele sind so geräusch- und lichtempfindlich, dass sie auf unseren Bildern viele Menschen mit Geräusch- und Lichtschutz, also einer Sonnenbrille sehen, weil sie nicht in der Lage sind, das Tageslicht zu ertragen oder eine WhatsApp-Nachricht abzuhören" Ricarda Piepenhagen, Gründerin von "Nicht Genesen"
Mangel an Anlaufstellen, Medikamentenversorgung, Therapien
Sichtbarkeit für LongCovid- und ME/CFS-Erkrankten zu schaffen und auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zumachen, das ist das Ziel der Initiative. Als erste Anlaufstelle sollte den Hausarzt aufsuchen, erklärt Piepenhagen, "aber viele können ja gar nicht laufen" oder seien nicht mehr in der Lage dazu, auch nur den Kopf aus dem Kissen heben. Vor allem fehle es aber auch an eine Medikamentenversorgung und Therapien, die den Patienten "tatsächlich Linderung verschaffen" würden, so die Gründerin.
"Es gibt Patienten, die liegen einfach perspektivlos in ihren Betten." Ricarda Piepenhagen, Gründerin von "Nicht Genesen"
Die Initiative ist mittlerweile gut vernetzt und in allen Bundesländern vertreten. Die Organisation sei mit den Landesregierungen und den Organen der Gesundheitsversorgung gut vernetzt und biete auf Länderebene auch Ärzte-Fortbildungen für das Myalgische Enzephalomyelitis und Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) an, "das Kardinalsymptom, das 70 Prozent der Long-Covid-Patienten erfüllen", so Piepenhagen. Leider werde es in der medizinischen Ausbildung nicht mitvermittelt.
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