Grabenkämpfe in der CDU Neubrandenburg: "Feind, Todfeind, Parteifreund"
Die Spaltung der Neubrandenburger CDU-Fraktion wirkt sich immer stärker auf die Politik des Kreises aus. Die CDU will mit Diana Kukh ihre Neubrandenburger Frontfrau kaltstellen.
Der Kreistag Mecklenburgische Seenplatte wird 2023 einen neuen Jugendhilfeausschuss wählen. Die von der CDU beantragte Neuwahl scheiterte im Dezember, weil die freien Träger so kurzfristig keine Kandidaten benennen konnten. Seit den Kommunalwahlen 2019 wird im kommenden Jahr damit zum dritten Mal ein neuer Vorsitzender des Ausschusses gesucht. Nach der Wahl hatte Peter Ritter (Die Linke) aus Stavenhagen den Vorsitz übernommen und diesen wieder abgegeben, weil er sein Mandat im Kreistag vor seiner Wahl zum Landesvorsitzenden der Linken niedergelegt hatte. Ihm folgte die Neubrandenburger Stadtvertreterin Diana Kukh (CDU).
Austritte aus der CDU
Gegen sie haben die Christdemokraten ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet, weil sie der Neubrandenburger CDU-Fraktion den Rücken gekehrt hatte und maßgeblich an der Gründung der Fraktion "Bürger für Neubrandenburg" beteiligt war. Dass unsere Parteimitglieder in den Kommunen in anderen Fraktionen aktiv sind, das sei mit dem Statut der Partei unvereinbar, erklärte CDU-Kreischef Marc Reinhardt. Das von ihm eingeleitete Mediationsverfahren mit dem Ziel, den Frieden zwischen den gespaltenen Christdemokraten in Neubrandenburg wieder herzustellen, sei nun endgültig gescheitert, bestätigte Reinhardt. Im Gegenteil: Zwei der vier Neubrandenburger Christdemokraten, gegen die Parteiausschlussverfahren laufen, sind aus der Partei ausgetreten.
Auch Linker Tobias Hecht verliert sein Mandat
Mit Diana Kukh soll auch Tobias Hecht (Die Linke) nach eigenen Angaben sein Mandat im Jugendhilfeausschuss verlieren. Er hatte seine Fraktion im Kreistag verlassen, nachdem Kungeleien zwischen CDU, Linken und AfD in der Neubrandenburger Stadtvertretung für ihn unerträglich geworden waren. Hecht war für Ritter in den Kreistag nachgerückt und übt sein Mandat fraktionslos aus. Wer die Plätze von Kukh und Hecht im Jugendhilfeausschuss einnehmen soll, da halten sich CDU und Linke noch bedeckt.
Affäre Benischke hat Neubrandenburger CDU gespalten
Ausgangspunkt aus Sicht der Ausgetretenen für die Spaltung der Neubrandenburger CDU-Fraktion ist eine Intrige gegen den ehemaligen Vorsitzenden des Stadtverbandes, Frank Benischke. Unzufriedene Vorstandsmitglieder hätten ihn bei der Stadtverwaltung angeschwärzt, weil er öffentliche Gelder veruntreuen würde, indem er mietfrei Räume im Neubrandenburger Haus der Kultur und Bildung HKB für Veranstaltungen der CDU bereitstellte. Das hatte zur Folge, dass Oberbürgermeister Silvio Witt (parteilos) Strafanzeige gegen Benischke als Geschäftsführer der Neubrandenburger Wohnungsgesellschaft Neuwoges, die Eigentümerin des HKB ist, gestellt hatte und ihn fristlos entlassen wollte. Dass es zu Letzterem nicht kam, verhinderte die Fraktion der CDU gemeinsam mit den Linken und der AfD in der Neubrandenburger Stadtvertretung, indem sie ablehnten, den Vorschlag des Oberbürgermeisters zu behandeln. Benischke, der als Vize-Fraktionschef im Kreistag der CDU die Treue hält, betrachtet den Vorfall mit den Mieten für so weit zurückliegend, dass er für das aktuelle Zerwürfnis nicht ursächlich sein könne.
Differenzen in der CDU scheinen unüberbrückbar
Dieser Konflikt scheint jedoch Ausgangspunkt der Spaltung im CDU-Stadtvorstand zu sein, der mit dem Rücktritt des Vorsitzenden Peter Modemann, der das Amt von Benischke übernommen hatte, und dem Austritt von vier Christdemokraten aus der eigenen Fraktion der Stadtvertretung seinen Höhepunkt hatte. Das ausgetretene Quartett hält diesen Konflikt für einen zwischen Pragmatisten und Karrieristen, indem darauf verwiesen wird, dass Leute, die bisher kaum etwas für die Partei geleistet hätten, anderen, die schon anspruchsvolle Leistungen abgeliefert hätten, in den Rücken fallen würden. Das halten sie für parteischädigend und nicht akzeptabel. Jedoch hätte genau dieser Fakt zu keinen Konsequenzen im Stadt- und Kreisvorstand geführt. "Wir haben oft darüber diskutiert. Ich halte diesen Grund nur für vorgeschoben", so Reinhardt.
CDU verliert Frontleute der Neubrandenburger Stadtpolitik
Mit Malermeister Hans-Jürgen Schwanke und dem Cheforganisator des über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Tischtennis Turniers der Tausende (TTT), Wilfried Luttkus, sind die beiden dienstältesten Stadtvertreter Neubrandenburgs sowie mit Diana Kukh die ehemalige Fraktionsvorsitzende der CDU, die 2015 die OB-Wahl in Neubrandenburg gegen den parteilosen Silvio Witt nicht für die CDU gewinnen konnte, aus der CDU zu den "Bürgern für Neubrandenburg" gewechselt. Seinen Parteiaustritt hat Hotelier Marco Messner angekündigt. Hinzu kommt mit dem Gastronomen Nico d'Aniello einer der beliebtesten Kandidaten in Neubrandenburg. Vor sieben Jahren errang er bei der Kommunalwahl als Parteiloser so viele Stimmen, dass er zwei Plätze in der Stadtvertretung besetzte. Inzwischen hat er die CDU wieder verlassen und ist parteilos.
Grabenkämpfe in der CDU sind nichts Neues
Witt hatte seine Kandidatur als Oberbürgermeister nach seinem letzten Auftritt im Stadttheater am 23. Oktober 2014 bekanntgegeben. Sein Gast damals: Oberbürgermeister Paul Krüger (CDU). Dieser plauderte über seine Zeit als Stadtoberhaupt (2001 bis 2015) und als Bundesminister für Forschung und Technologie (1993/94). In ihrem Dialog kamen beide auch auf innerparteiliche Grabenkämpfe zu sprechen. Auf die Frage Witts, welche Steigerung Krüger für den Begriff Feind kenne, hatte dieser verschmitzt geantwortet: "Feind, Todfeind, Parteifreund".