Eva-Maria Kröger: Wer ist Rostocks neue Oberbürgermeisterin?
Eva-Maria Kröger (Die Linke) ist neue Oberbürgermeisterin in Rostock. Aufgewachsen im Plattenbaugebiet im Stadtteil Dierkow, will die 40-jährige Politikwissenschaftlerin für frischen Wind im Rostocker Rathaus sorgen.
"Eva, Eva"-Chöre, eine Umarmung jagt die nächste, alle Wahlhelfer, Parteifreundinnen und Unterstützer wollen Eva-Maria Kröger gratulieren, der bald neuen Chefin im Rostocker Rathaus ganz schnell ganz nah sein. Gegen 19.30 Uhr am Stichwahlabend ist klar, Kröger (Die Linke) gewinnt die Stichwahl mit rund 58 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen Michael Ebert (parteilos, unterstützt von CDU, FDP und UFR), der rund 42 Prozent bekommt.
Ein klein wenig ungläubig ob all des Trubels um ihre Tochter stehen Kerstin und Thomas Kröger in der Menge im Rathaus-Foyer. Die Mutter ist Grundschullehrerin, der Vater pensionierter Bundespolizist. Wie geht es ihnen nach dem Wahlausgang? "Unglaublicher Stolz und auch Erleichterung", sagen sie unisono. Seit mittags hatte Kerstin Kröger "Gummibeine", es sei ja wirklich um alles gegangen - Oberbürgermeisterin, so weit habe es aus der Familie noch keiner geschafft. Der Vater drückt der Tochter die Daumen, dass sie jetzt all das, was sie umsetzen will, auch tatsächlich abarbeiten kann.
Nächste Lebensstation: Rostocker Rathaus
"Die neue Chefin", das war einer der Slogans auf den großformatigen Wahlplakaten, die seit Wochen das Rostocker Stadtbild mitprägen. Nach dem Votum der Wählerinnen und Wähler kann die selbstbewusste Ankündigung nun also tatsächlich eintreten. Der Wahlausschuss verkündet dazu am Mittwoch das amtliche Wahlergebnis, dann kann das Innenministerium die Rechtmäßigkeit der Wahl prüfen und der Ernennung zur Wahlbeamtin zustimmen. Anfang des Jahres wird Eva-Maria Kröger dann voraussichtlich auf dem Chef-, oder besser gesagt dem Chefinsessel im OB-Büro im ersten Stock des Rostocker Rathauses Platz nehmen.
Sie, aufgewachsen in Rostock-Dierkow, Einzelkind, Abiturientin am Rostocker Innerstädtischen Gymnasium und Mutter einer mittlerweile erwachsenen Tochter, die Kindergartenerzieherin gelernt hat. Studiert hat sie in Politikwissenschaften und Öffentliches Recht zuerst an der Universität Rostock, dann in Tübingen. 2012 heiratete Eva-Maria Kröger den damaligen Landesgeschäftsführer der MV-Linken, Kay Spieß. Sechs Jahre später starb er nach langer Krankheit. Mittlerweile hat Eva-Maria Kröger einen neuen Partner an ihrer Seite, er arbeitet im Schweriner Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Verbraucherschutz. Kröger ist seit 2009 Rostocker Bürgerschaftsmitglied und seit 2010 auch Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke. Mehrere Jahre arbeitet sie für die damaligen Linken-Bundestagsabgeordneten Steffen Bockhahn und danach für Heidrun Bluhm. In den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern zieht sie 2016 ein.
Oberbürgermeisterin mit Die Linke-Parteibuch
Kommt das Thema auf die DDR, wie im Stichwahl-Talk vom NDR und der Zeitung "NNN", wird Kröger ernst. Die immer weiter gehende Aufarbeitung des Unrechts in dem Staat, in den sie 1982 hineingeboren wurde, sei ihr sehr wichtig. Sie wisse auch, dass genau beäugt wird, welcher Partei sie angehört und dass Die Linke undenkbar ist ohne den Blick auf die Historie, auf die Vorgängerparteien PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) und SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands). Unter dem SED-Regime haben viele Menschen zu DDR-Zeiten gelitten, betont Kröger, allein deshalb sei Aufarbeitung eine fortwährende Verpflichtung. Sie sei 2009 in Die Linke eingetreten, auch deshalb, weil sie davon überzeugt sei, dass die Partei selbstkritisch ihre Vergangenheit aufarbeite.
Als sie in der Talkrunde gefragt wird, ob sie vielleicht als Oberbürgermeisterin ihre Parteimitgliedschaft ruhen lassen würde, ist sie kurz überrascht. Diese Frage sei ihr noch nie gestellt worden, sagt sie etwas irritiert, das liege wahrscheinlich daran, dass die Rostockerinnen und Rostocker in den letzten 17 Jahren einen "zumindest vermeintlich parteilosen Oberbürgermeister" hatten. Sie sei als Linke zur OB-Wahl angetreten und ihre Grundeinstellungen würden ja die gleichen bleiben, wenn sie das Parteibuch in die Schublade packen würde. Sie arbeite immer schon partei- und fraktionsübergreifend und glaube nicht, dass jemand von ihr erwarte, das Parteibuch ruhen zu lassen.
Glückwünsche und Erwartungen an Krögers Adresse
Parteiübergreifend trudeln am Tag nach der Wahl jedenfalls Glückwünsche und Reaktionen ein: Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) gratuliert zum Wahlsieg und sagt, sie freue sich auf Fortsetzung der guten Zusammenarbeit. Der CDU-Landesvorsitzende Franz-Robert Liskow gratuliert und betont: "Die politischen Gräben in Rostock sind tief, die Verwaltung steht vor großen Aufgaben, Wirtschaft und Gesellschaft brauchen eine starke Stimme." Der Präsident der Rostocker Industrie- und Handelskammer, Klaus-Jürgen Strupp, macht deutlich, die IHK habe Kröger als pragmatisch agierende Politikerin kennen und schätzen gelernt. Ihren Pragmatismus und die zupackende Art werde sie in kommenden sieben Jahren als Oberbürgermeisterin auch brauchen.
Der Nachbar aus dem Landkreis Rostock, Landrat Sebastian Constien (SPD), freut sich auf gute Zusammenarbeit und auch die Präsidentin der Rostocker Bürgerschaft, die Linken-Politikerin Regine Lück, hat sich zu Wort gemeldet und zeigt sich sehr zuversichtlich, dass Kröger die Interessen der Einwohnerinnen und Einwohner Rostocks gut vertreten und als Chefin der Stadtverwaltung klug und besonnen agieren werde.
"Kulturoberbürgermeisterin" Kröger
In den nächsten Wochen wird Eva-Maria Kröger ihr Mandat als Landtagsabgeordnete der Fraktion Die Linke noch fortführen und ihrem Nachrücker, laut Fraktion voraussichtlich Dirk Bruhn aus Vorpommern, alles geordnet übergeben. Besonders an diesem Abend im Rathaus-Foyer wird klar: Viele Menschen in der Hansestadt knüpfen viele Erwartungen an Kröger. Vor allem die Kulturszene, der sie als besonders verbunden gilt - beispielweise ist sie dieses Jahr Mitautorin des Buches "Kunst im Karrée", Untertitel: "Ein Handbuch zur Kulturarbeit in Großwohnsiedlungen am Beispiel von Toitenwinkel und Dierkow". Seit Jahren ist Kröger im Christopher-Street-Day-Verein aktiv, im Vorstand ist sie für die Finanzen zuständig. Darauf, ob das auch als bald amtierende OB so bleibe, antwortet sie, dass sie die Mitgliedschaft im CSD-Vorstand vermutlich abgeben muss, allein aus zeitlichen Gründen.
Doch wie will sie mit den vielen Erwartungen umgehen, die in den kommenden sieben Jahren wohl unweigerlich mehr oder minder fordernd formuliert an sie herangetragen werden? Noch klingt es so, als könnten sich ihre Fans im Kulturbereich auf jeden Fall auf sie verlassen: "Seit vielen Jahren engagiere ich mich für die Kulturschaffenden. Ihre Unterstützung im Wahlkampf hat mir gezeigt, wie vertrauensvoll unsere Zusammenarbeit ist. Als Kulturoberbürgermeisterin möchte ich mit der Bürgerschaft, dem Kulturamt und den Kulturschaffenden eng zusammenarbeiten."
Wahlkampf-Endspurt und neue Ufer in Sicht
Jetzt ist Kröger erst einmal froh, dass der Wahlkampf vorüber ist. Kurz vor Ende macht ihr Hals schlapp, Lutschtabletten retten den Wahlabend knapp. Am Morgen danach ist die Stimme erstmal ganz weg. Ihr Kontrahent Michael Ebert (parteilos), mit dem sie in den vergangenen Wochen etliche Publikumsveranstaltungen gemeinsam absolviert hat, kam am Sonntagabend entgegen der Tradition anderer "Nicht-Wahlgewinner" im Rathaus-Foyer nicht mehr vorbei. Bisher habe sie von ihm auch keine Reaktion auf anderem Wege erhalten, sagt sie auf Nachfrage am Montagnachmittag.
In ihr neues Büro im Rostocker Rathaus will Eva-Maria Kröger am ersten Tag erstmal nichts Persönliches mitnehmen. Aber sie werde "für die Kolleginnen und Kollegen Kuchen mitbringen", vielleicht ja selbst gebackenen Käsekuchen oder Streuselkuchen mit Obst - ihre Lieblingssorten. Denn Backen ist die private Leidenschaft der neuen Rostocker Verwaltungschefin, was in der Vergangenheit auch Interessierten an Krögers Accounts in den Sozialen Medien nicht verborgen geblieben sein dürfte.